BT-Drucksache 18/12796

Jetzt mit wirksamem Klimaschutz die ökologische Modernisierung angehen und die Klimaschutzlücke schließen

Vom 21. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12796
18. Wahlperiode 21.06.2017
Antrag
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Dr. Julia
Verlinden, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Peter
Meiwald, Harald Ebner, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Nicole
Maisch, Friedrich Ostendorff, Lisa Paus, Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Jetzt mit wirksamem Klimaschutz die ökologische Modernisierung angehen
und die Klimaschutzlücke schließen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die CO2-Emissionen in Deutschland waren 2016 ebenso hoch wie 2009. Seit zwei
Legislaturperioden gibt es keine Fortschritte im Klimaschutz – während es an guten
Ratschlägen nicht mangelt. Zuletzt auf dem Petersberger Klimadialog, als Kanzlerin
Angela Merkel den Vertretern von Saudi-Arabien riet, dem Klima zuliebe in saubere
Energietechnologien zu investieren. Und als Reaktion auf den Ausstieg der USA aus
dem Pariser Abkommen rief Kanzlerin Merkel zum gemeinsamen Handeln für den
Schutz unserer Mutter Erde auf. Doch den warmen Worten folgen zu Hause keine Ta-
ten.
Die aktuellen Emissionszahlen zeigen das absehbare Verfehlen des nationalen Klima-
schutzziels für 2020. Zusätzlich offenbaren sie das Versagen der Bundesregierung, die
Wirtschaft zu modernisieren und auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu halten. Im Pa-
riser Klimaschutzabkommen haben sich die Staaten der Erde Ende 2015 dazu ver-
pflichtet, die Klimakrise zu begrenzen. Die in Deutschland begonnene Energiewende
und der weltweite Siegeszug der Erneuerbaren hat sie dazu ermutigt und bestärkt. Nur
mit wirksamen Klimaschutzmaßnahmen wird Deutschland bei dieser sich international
abzeichnenden Entwicklung Schritt halten können. Das Erreichen der nationalen Kli-
maschutzziele für 2020 ist also weit mehr als ein symbolischer Akt. Es ist eine wichtige
Etappe auf dem Weg der ökologischen Modernisierung.
Um von aktuell minus 25 Prozent im Vergleich zu 1990 auf minus 40 Prozent im Jahr
2020 zu kommen, muss der Treibhausgasausstoß um mehr als 150 Millionen Tonnen
CO2 gesenkt werden. Das Klimaschutzziel für 2020 ist bei engagiertem Handeln also
noch zu erreichen. Dies kann mit einem Notfallprogramm für den nationalen Klima-
schutz gelingen, welches den deutschen CO2-Ausstoß auf 750 Millionen Tonnen re-
duziert. Dies ist mit verstärktem Engagement in allen Bereichen – von der Energie-
wirtschaft über Industrie, Gebäude, Landwirtschaft bis zum Verkehr – möglich. Die
Bundesregierung muss sich entscheiden, ob sie an der Seite der USA stehen will, die

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die klimapolitische Rolle rückwärts jüngst vollzogen haben, um die Technologien von
Gestern weiter am Leben zu halten, oder ob sie an der Seite derer steht, die ihre Kli-
maschutzambitionen deutlich erhöhen und die Chancen neuer Technologien für eine
moderne Wirtschaft und Gesellschaft nutzen.
Die bislang in dieser Legislaturperiode von der Bundesregierung vorgelegten Klima-
schutzinitiativen haben sich als wirkungslos erwiesen. Trotz Aktionsplänen und Pro-
grammen sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland im Jahr 2016 wieder ange-
stiegen. Darüber hinaus wurde die Chance verpasst, wichtige Wirtschaftsbereiche auf
den Weg der ökologischen Modernisierung zu bringen: Am sichtbarsten wird dies an
den verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen, die heute sogar über dem Niveau von
1990 liegen. Insbesondere der auf fossilen Verbrennungsmotoren basierende Pkw- und
Lkw-Verkehr hat in diesem Zeitraum erheblich zugenommen. Effizienzgewinne wur-
den durch höhere Leistung und größere Fahrzeuge immer wieder aufgezehrt. Auch die
volkswirtschaftlichen Schäden durch Staus steigen Jahr für Jahr an. In Innenstädten ist
die Luftqualität zum Teil so schlecht, dass Städte und Kommunen durch Gerichtsur-
teile gezwungen werden, Fahrbeschränkungen zu erlassen, um Schäden für Mensch
und Umwelt abzumildern. Die in allen Sonntagsreden gepriesene Verlagerung von
mehr Verkehr auf die klimafreundliche Schiene findet nicht statt, weil die Bundesre-
gierung seit Jahren falsche verkehrspolitische Prioritäten setzt.
Was für den Verkehrsbereich gilt, gilt auch für andere Bereiche von Wirtschaft und
Gesellschaft. Wichtige Industriesektoren lässt die Bundesregierung beim Klimaschutz
außen vor, obwohl es auch hier klimaschonende Alternativen gibt. Auch die Energie-
wirtschaft darf weiter klimaschädliche Braunkohle verstromen, obwohl dies das Klima
mit CO2 sowie nachfolgende Generationen mit Schäden und erheblichen Folgekosten
belastet. Auch fördert die Bundesregierung weiter fossile klimaschädliche Heizungen,
obwohl diese unsere Abhängigkeit von Rohstoffimporten weiter zementieren und bei
steigenden Energiekosten zudem zur gefährlichen Kostenfalle für Mieterinnen und
Mieter und Eigentümerinnen und Eigentümer werden können.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• ein Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen, welches einen klaren und alle
Sektoren einbeziehenden Reduktionsplan bis zum Jahr 2050 festschreibt;

• dass sie ihre Gesetzentwürfe, die die Sektoren Energiewirtschaft, Bauen und Woh-
nen, Mobilität, Industrie und Wirtschaft, Landwirtschaft sowie Landnutzung und
Forstwirtschaft betreffen, auf zu erwartende Treibhausgasemissionen hin prüft so-
wie die quantifizierten Emissionen auf ihre Vereinbarkeit mit den deutschen Kli-
mazielen darstellt.

Zusätzlich soll die Bundesregierung bis 2020 im Einzelnen
1. die Energiewirtschaft bei der Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen und der

Weiterführung der Energiewende unterstützen, indem sie
• die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke unverzüglich vom Netz nimmt und im

Dialog mit allen Beteiligten ein Konzept für einen vollständigen Kohleaus-
stieg erarbeitet, mit dem der CO2-Ausstoß der verbleibenden Kohlekraft-
werke analog zu den Klimazielen gedeckelt und im Einklang mit dem Ziel
der vollständigen Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien im
Strombereich bis 2030 gestaltet wird;

• die Begrenzung des Ausbaus von Ökostrom streicht und die Ausschreibungs-
mengen und Ausbauziele so anhebt, dass die Stromversorgung bis 2030 zu
100 Prozent aus erneuerbaren Energien erreicht wird;

• durch die Rücknahme der EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch, der soge-
nannten „Sonnensteuer“, den Solarenergieausbau wieder deutlich erhöht;

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• durch die Ausschöpfung der De-minimis-Regelung Bürgerinnen und Bürger
weiterhin an der Energiewende teilhaben lässt;

• die Reformvorschläge zum europäischen Emissionshandels (ETS) im Trilog
nicht weiter abschwächt, sondern sich für eine Stärkung des ETS einsetzt und
zudem gemeinsam mit anderen europäischen Staaten einen nationalen CO2-
Mindestpreis einführt;

• Vorschläge für alle Sektoren außerhalb des ETS für eine CO2-Bepreisung
vorlegt, um damit die Folgeschäden der fossilen Energienutzung stärker im
Preis abzubilden, um die Verursacher der Klimakrise wenigstens anteilig an
den von ihnen verursachten Kosten zu beteiligen sowie Anreize zu setzen, in
klimafreundliche Alternativen zu investieren;

2. den Verkehrssektor bei der ökologischen Modernisierung unterstützen, indem sie
• den Bundesverkehrswegeplan 2030 zu einem Bundesnetzplan weiterentwi-

ckelt und dahingehend ausrichtet, dass Infrastrukturprojekte zur Minderung
der Treibhausgasemissionen beitragen und die im Abkommen von Paris ver-
einbarten Ziele erreicht werden können;

• gezielt den Bahnverkehr stärkt, zügig die infrastrukturellen Voraussetzungen
für den „Deutschland-Takt“ schafft und für den Gütertransport auf der
Schiene 740-Meter-Netz und kombinierten Verkehr ausbaut;

• einen deutschlandweiten MobilPass einführt, mit dem Fahrgäste alle Ver-
kehrsangebote des öffentlichen Verkehrs nutzen und bequem von A nach B
kommen können, und mit einem Zukunftsprogramm Nahverkehr in Höhe
von 1 Mrd. Euro jährlich Modernisierung und Erhaltung der Infrastruktur des
öffentlichen Personennahverkehrs sicherstellt;

• die Vorgabe macht, dass ab 2030 ausschließlich Autos mit abgasfreiem An-
trieb neu zugelassen werden;

• den Radverkehr ausbaut, die Verkehrssicherheit auf Radwegen für alle Rad-
fahrerinnen und Radfahrer erhöht, ausreichend Mittel für Radschnellwege
und sichere Radabstellanlagen an Bahnhöfen und Haltestellen bereitstellt und
die Straßenverkehrsregeln fahrradfreundlicher ausgestaltet;

• eine CO2-abhängige Besteuerung von Dienstwagen einführt, die den Absatz
verbrauchsarmer Fahrzeuge anstelle von klimaschädlichen Spritschluckern
fördert;

• die Lkw-Maut auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen und auf das gesamte Netz der
Bundes- und Landesstraßen ausdehnt;

• die Elektromobilität über den ökologischen Umbau der Kfz-Steuer, die Ein-
führung eines Bonus-Malus-Systems und die Förderung von Kommunen, die
für ÖPNV und innerstädtischen Logistikverkehr vermehrt E-Busse, Elekt-
rotransporter und E-Lastenräder einsetzen, unterstützt;

• alle Subventionen für klimaschädliche Kraftstoffe im Verkehrssektor auf den
Prüfstand stellt, ein Szenario für ihren schrittweisen Abbau vorlegt und sich
auf europäischer Ebene für die Besteuerung von Kraftstoffen nach dem CO2-
Gehalt einsetzt;

3. den Gebäudesektor bei der ökologische Modernisierung unterstützen, indem sie
• ein Maßnahmenpaket „Faire Wärme“ auflegt, welches insgesamt 7 Milliar-

den Euro jährlich für erneuerbare Wärme und Energieeinsparung bereitstellt,
um gerade Geringverdienende beim Klimaschutz zu unterstützen und lang-
fristig von Energiekosten zu entlasten;

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• ein Förderprogramm zur energetischen Sanierung kommunaler Liegenschaf-
ten in Höhe von jährlich mindestens 100 Millionen Euro auflegt, damit die
Kommunen mit gutem Beispiel vorangehen können;

• das EEWärmeG auf den Bestand ausweitet, das Marktanreizprogramm auf-
stockt und die steuerliche Modernisierung von energetischen Modernisierun-
gen endlich ermöglicht;

• die Modernisierung alter Heizungen, insbesondere den Ersatz von ineffizien-
ten Nachtspeicherheizungen, vorantreibt, damit das Heizen nicht absehbar
zur Kostenfalle wird;

4. die Industrie bei der ökologischen Modernisierung unterstützen, indem sie
• eine „Effizienzoffensive Industrie“ startet, die neben der Schaffung finanzi-

eller Anreize zur Ausweitung von Energiemanagement-Systemen, zur Opti-
mierung des Anlagenbetriebs und zum Einsatz bester verfügbarer Technolo-
gien auch Energiesteuerausnahmen abbaut;

5. auch Haushalte, Gewerbe und Handel unterstützen, um die ökologische Moder-
nisierung voranzutreiben, indem sie
• ein umfassendes Energiespargesetz mit verbindlichen Zielen für die einzel-

nen Sektoren vorlegt;
• zur Umsetzung von Artikel 7 der EU-Effizienz-Richtlinie das Instrument der

wettbewerblichen Ausschreibungen attraktiver macht;
6. die Landwirtschaft bei der ökologischen Modernisierung unterstützen, indem sie

• die ökologische Forst- und Landwirtschaft ausweitet, insbesondere Dauer-
grünland erhält und Moorschutz-Maßnahmen ausweitet, damit wertvolle
Kohlenstoffspeicher erhalten und ausgebaut werden;

• tiergerechte Stallbauvorhaben und Haltungsbedingungen fördert und damit
Schritt für Schritt die Massentierhaltung beendet;

• die Düngeverordnung im Sinne des Klima-, Natur- und Wasserschutzes ver-
bessert, damit zuallererst die massiven Stickstoffüberschüsse gesenkt wer-
den;

7. den Finanzsektor bei der Finanzwende unterstützen, indem sie
• Nachhaltigkeit neben Liquidität, Stabilität und Rendite als gleichberechtigtes

Anlagekriterium in die Kapitalanlagepolitik des Bundes einführt;
• für die staatlich geförderte Altersvorsorge verbindliche Nachhaltigkeitskrite-

rien festlegt;
• die Finanzierung internationaler Kohleprojekte durch die staatseigene KfW-

Bank und ihre Töchter sowie Exportkreditgarantien in diesem Bereich formal
beendet;

• umwelt- und klimaschädliche Subventionen konsequent abbaut.

Berlin, den 20. Juni 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12796
Begründung

Die deutschen Treibhausgasemissionen sind seit den Meseberger Beschlüssen der Großen Koalition 2007, wel-
che auch das 40-Prozent-Ziel beinhalteten, von 999 Millionen Tonnen 2006 auf 906 Millionen Tonnen 2016
(Daten des Umweltbundesamtes) gefallen. Dabei ist der Effekt der Weltwirtschaftskrise nicht herausgerechnet,
als die deutschen Emissionen zwischen 2008 und 2009 um rund 65 Millionen Tonnen fielen. Dies entspricht
einer jährlichen Senkung unter der Kanzlerschaft Angela Merkels von 9,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Für
die verbleibenden drei Jahre müssen jährlich rund 50 Millionen Tonnen reduziert werden.
Eine Studie des Öko-Instituts hat aufgezeigt, dass der allgemeine Einspartrend von 2015 bis 2020 insgesamt bei
nur 38 Millionen Tonnen CO2 liegt; und die bisher im „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ beschlossenen
Maßnahmen – deren Umsetzung teilweise noch immer ausstehen – ebenfalls lediglich weitere 38 Millionen Ton-
nen CO2-Einsparung gesichert erbringen. Zusätzliche und kurzfristig greifende Maßnahmen sind also unum-
gänglich.
Die Energiewirtschaft trägt den größten Anteil an den Treibhausgasemissionen der Bundesrepublik Deutschland,
weil die Nutzung von Braun- und Steinkohle noch immer eine dominante Rolle einnimmt. Die 20 dreckigsten
Kohlekraftwerksblöcke emittieren jährlich rund 90 Millionen Tonnen CO2, weshalb ihre Abschaltung eine not-
wendige Bedingung für die Erreichung des 2020-Klimaziels ist. Allerdings muss dies in ein Kohleausstiegskon-
zept eingebunden werden.
Die Einführung eines CO2-Mindestpreises, wie beispielsweise in Großbritannien in Form einer Steuer auf CO2-
Zertifikate, wird seit Jahren von vielen Expertinnen und Experten und Wirtschaftsvertreterinnen und Wirtschafts-
vertretern gefordert. Eine gemeinsame europäische Einführung ist derzeit unwahrscheinlich, sodass Deutschland
vorangehen muss. Nach Berechnungen des Öko-Instituts kann dies zu einer Reduktion der nationalen Emissionen
von bis zu 18 Millionen Tonnen CO2 führen. Darüber hinaus schafft er auch mehr Ehrlichkeit bei den Kosten
der Stromversorgung, hilft weniger CO2-intensiven, modernen Gaskraftwerken und schafft zusätzliche Einnah-
men im Energie- und Klimafonds, welche für den Klimaschutz verausgabt werden können.
Im Verkehrssektor hinkt die Energiewende weit hinterher. Auch wenn es einige vielversprechende technologi-
sche und soziale Innovationen in den letzten Jahren gab, z. B. erste serienmäßige Elektroautos, die Verbreitung
von Pedelecs oder neue Formen von Car-Sharing, ist der Weg noch lang. Ziel muss es sein, dass ab dem Jahr
2030 keine Autos mit fossilen Verbrennungsmotoren mehr vom Band rollen. Die Verkehrswende muss jetzt in
Fahrt kommen, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen und Arbeitsplätze in der Automobilbranche sichern
will. Die angeführten Maßnahmen können schon bis 2020 zu einer CO2-Reduktion von schätzungsweise 9 Mil-
lionen Tonnen führen.
Die Energiewende im Gebäudebereich wurde bisher sträflich vernachlässigt. Dabei schlummern in ihr – neben
den Potenzialen fürs Energiesparen und erneuerbare Wärme – die größten Potenziale zur Senkung der Klima-
gasemissionen. Diese Potenziale zu erschließen, rechnet sich in vielen Fällen für Mieterinnen und Mieter, Woh-
nungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer und erst recht für gewerbliche Unternehmen. Weder das 40-
Prozent-Ziel noch die langfristig angestrebte Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2050 sind ohne eine um-
fassende Sanierung des Gebäudebestandes und die Umstellung auf erneuerbare Wärme erreichbar. Dazu müssen
die Anforderungen in der Energieeinsparverordnung und im EEWärmeG, unter Wahrung des Mieterschutzes,
klarer an den Klimaschutzzielen ausgerichtet werden bei zielgerichteter Ausweitung der Förderungen.
Die deutsche Industrie ist wettbewerbsstark und offen für Innovationen. Damit das auch weiterhin so bleibt, muss
die zukünftige Regierung mit einer Effizienzoffensive die Klimaschutzanstrengungen weiter flankieren. Dazu
müssen die Anreize für die Industrie erhöht werden, in Klimaschutz und Effizienzsteigerungen zu investieren.
Die Strategie der Bundesregierung ist gescheitert, weil klassische Subventionen in Form von weitreichenden
Industrieausnahmen bei Steuern, Abgaben und der EEG-Umlage zu Lasten von kleinen Unternehmen, dem Mit-
telstand und Haushalten gehen. Sie müssen daher schnell wieder auf die wenigen Wirtschaftsbereiche zurückge-
führt werden, die durch die deutsche Regelung reale Nachteile im internationalen Wettbewerb haben.
Damit die Energiewende auf Grund steigender Verbräuche nicht unterlaufen wird, muss Energiesparen verbind-
lich gemacht und zielgenau gefördert werden. So können die bislang brachliegenden enormen Potenziale für den
Klimaschutz erschlossen werden. Grundlage dafür muss ein ambitioniertes Energiespargesetz sein, mit dem die
EU-Effizienzrichtlinie endlich in nationales Recht umgesetzt wird. Die Bundesregierung ist hier bereits Jahre in

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Verzug. Es bedarf außerdem eines neuen Effizienzmarktes, der sich dynamisch entwickelt. Das gelingt mit Be-
ratungs- und Informationsangeboten sowie finanziellen Anreizen zur Anschaffung energiesparender Geräte und
Technologien wie auch mittels wettbewerblicher Ausschreibungen, bei denen sich Energiedienstleister um die
Durchführung von Energiesparmaßnahmen im Bereich Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen be-
werben können. Ergänzt werden müssen diese Impulse durch ordnungsrechtliche Vorgaben auf der Ange-
botsseite, etwa die Umsetzung des Top-Runner-Ansatzes auf europäischer Ebene.
Obwohl der Landwirtschaftssektor in Deutschland wesentlich zum Klimawandel beiträgt, wird er von Klimaver-
pflichtungen weitgehend ausgenommen. Die Landwirtschaft und die Änderung von Flächennutzungen sind zu
einem erheblichen Teil am Klimaproblem mit Schuld – global und auch in Deutschland. Allein die Degradierung
von Böden trägt zu rund 4 Prozent der deutschen CO2-Emissionen bei. Daher ist eine Veränderung des Wirt-
schafts- und Kulturguts Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit unumgänglich. Gerade dieser Sektor zerstört
besonders deutlich seine eigene Existenzgrundlage. Der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, der Schutz
von Mooren und deren Wiedervernässung sowie die Ausweitung von Grünland gehen dabei Hand in Hand mit
Humusaufbau, Kohlenstoffbindung und Emissionsreduktionen. Auch der Umbau der Forste zu naturnahen Wäl-
dern führt zu einer CO2-Reduktion und erhöht zugleich den ökologischen und touristischen Wert der Wälder.
Diese Win-win-Maßnahmen müssen jetzt angegangen werden, damit auch schon bis 2020 erste Reduktionen
erzielt werden können.
Auf den Finanzmärkten sind derzeit Milliardenbeträge in Unternehmen investiert, deren Geschäftsmodell im
Wesentlichen auf Ausbeutung und Nutzung fossiler Ressourcen beruht. Ein wichtiger Ansatz zur Lösung der
Klimakrise liegt daher auch im Finanzsektor. Ein rechtzeitiges Umsteuern der Investitionen hat einen zweifachen
Nutzen: Die fossilen Energieträger bleiben im Boden und Finanzkapital fließt in zukunftsträchtige Technologien,
anstatt einem erheblichen Bewertungsrisiko ausgeliefert zu sein. Auch die öffentliche Kapitalanlage befeuert die
globale Erwärmung. Die Bundesregierung investiert beispielsweise mit dem Versorgungsfonds für Bundesbe-
amte in die fossile Wirtschaft. Gleichzeitig fordert sie ethisches Verhalten von privaten Investoren. Das ist un-
glaubwürdig und brandgefährlich. Es ist daher an der Zeit, dass die Bundesregierung Verantwortung übernimmt,
Schmutzkapital abzieht, nachhaltig anlegt und so die grüne Wende am Finanzmarkt einleitet.
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