BT-Drucksache 18/12385

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung - Drucksache 18/12300 - 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung

Vom 16. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12385
18. Wahlperiode 16.05.2017
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Dr. Diether Dehm, Annette
Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Dr. Alexander
S. Neu, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 18/12300 –

15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Entwicklungspolitik kann ein wichtiges Instrument internationaler Solidarität zur Be-
kämpfung von Hunger, Armut und zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungs-
ziele (SDG) sein. Sie kann aber nur im Rahmen einer entwicklungsförderlichen Au-
ßen- und Wirtschaftspolitik wirken. Hierzu bedarf es eines echten Politik- und Sys-
temwechsels: statt forcierter neoliberaler Globalisierung, Freihandel und Profitmaxi-
mierung für wenige muss eine solidarische und gerechte Weltwirtschaftsordnung auf-
gebaut werden, die eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung in den Ländern des
Südens ermöglicht. Die Bundesregierung betreibt eine Politik, die diesem Ziel entge-
gensteht. Ihr 15. Entwicklungspolitischer Bericht wird seinem eigenen Anspruch nicht
gerecht, eine „Entwicklungspolitik als Zukunfts- und Friedenspolitik“ auszugestalten.
Es werden zwar viele der wichtigsten und drängendsten Themen und Probleme ange-
sprochen, als „Lösungen“ präsentiert der Bericht dann aber entweder nur mehr von
derselben gescheiterten Politik oder bleibt in wohlklingender Rhetorik stecken. Auch
die Entwicklungsfinanzierung erfüllt nach wie vor nicht die internationalen Vorgaben.
Stattdessen setzt die Bundesregierung mit ihrem selbstgesteckten NATO-Ziel von
2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf mehr Geld für Militär und Kriegsein-
sätze.
Entwicklungspolitik muss sich an dem Ziel eines menschenwürdigen Lebens für alle
orientieren. Seine Instrumente müssen in ihrer Wirkung einzig diesem Ziel dienen.
Dazu ist auch eine Erweiterung des klassischen Wirkungsfelds der Entwicklungspoli-
tik vonnöten. Dem Missbrauch der Entwicklungspolitik zur Durchsetzung wirtschaft-
licher, sicherheitspolitischer und migrationspolitischer Interessen der Geberländer und
internationaler Konzerne muss ein Ende gesetzt werden.

Drucksache 18/12385 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Gerechtigkeit in den internationalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen beugt Un-
gleichheit, Armut, Hunger, Gewalt und Krieg und damit den primären Fluchtursachen
vor. Entwicklungspolitik muss deshalb dem vorherrschenden Dogma des ungerechten
Freihandels, das sich in allen EU-Handelsabkommen, wie z. B. auch in den sogenann-
ten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (engl. EPA) der Europäischen Union (EU)
mit den AKP-Staaten, wiederspiegelt, ein Ende setzen.
Die Zeit der Unverbindlichkeit und Freiwilligkeit muss ein Ende haben. Deutsche und
europäische Konzerne müssen gesetzlich verpflichtet werden, die sozialen, arbeits-
rechtlichen und ökologischen Standards und Sorgfaltspflichten entlang der gesamten
Lieferkette weltweit einzuhalten. Der Schutz der Menschen muss Vorrang vor Kon-
zern- und Profitinteressen bekommen und in Deutschland einklagbar sein. Der von
Ecuador und Südafrika initiierte „Treaty Prozess“ bei den Vereinten Nationen (VN)
ist deshalb vorbehaltlos zu unterstützen.
Die von der Bundesregierung zunehmend forcierte zivil-militärische Zusammenarbeit
und Verknüpfung von Entwicklungsgeldern mit Maßnahmen des Grenzschutzes und
der Migrationsabwehr müssen beendet werden. Sie setzen Menschenleben fahrlässig
aufs Spiel und gefährden eine erfolgreiche Friedens- und Entwicklungspolitik.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik grundlegend neu auszurichten und ko-
härent an entwicklungs-, friedenspolitischen und menschenrechtlichen Maßstäben zu
orientieren und dafür:
1. verbindliche soziale und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unterneh-

men entlang der gesamten Lieferkette von der Rohstoffgewinnung bis zur Vere-
delung im Produktionsprozess gesetzlich zu garantieren und
a) ein Unternehmensstrafrecht einzuführen,
b) die Blockade des „Treaty-Prozesses“ der Vereinten Nationen (VN) zu been-

den und sich konstruktiv an diesem zu beteiligen;
2. sich für eine gerechte Handelspolitik auf EU-Ebene einzusetzen und

a) darauf hinzuwirken, dass die Europäische Union (EU) den weiteren Ab-
schluss von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) stoppt,

b) darauf hinzuwirken, dass alle EU-Handelsverträge und EU-Mandate zur
Verhandlung künftiger Handelsverträge der Umsetzung der Nachhaltigen
Entwicklungsziele (SDG) dienen müssen und deren Zielerreichung nicht un-
tergraben dürfen;

3. die derzeit forciert vorangetriebene zivil-militärische Zusammenarbeit und Ver-
zahnung der Entwicklungspolitik mit deutscher und europäischer Sicherheitspo-
litik zu beenden und
a) Zivilklauseln in den Gesellschaftsverträgen der Durchführungsorganisatio-

nen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu verankern,
b) den Zivilen Friedensdienst (ZFD) stark auszubauen und sich für die Einrich-

tung eines europäischen ZFD einzusetzen,
c) statt der Zusammenarbeit und Ertüchtigung von afrikanischen Sicherheits-

kräften und Militär die Einrichtung eines afrikanischen ZFD zu unterstützen;
4. sich für die globale Umsetzung des Rechts auf Nahrung einzusetzen und hierfür

a) Agrospritimporte zu stoppen,
b) die exzessive Spekulation mit Nahrungsmitteln zu verbieten,
c) Landraub zu unterbinden,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12385

d) die kleinbäuerliche Entwicklung und Erreichung von Ernährungssouveräni-
tät in den Ländern des Südens zu fördern, statt die Zusammenarbeit mit der
Agroindustrie;

5. sich für ein gerechtes internationales Steuersystem einzusetzen und die Länder
des Südens bei der Festlegung von angemessenen Abgaben- und Steuerquoten
auf die Rohstoffförderung und beim Aufbau einer funktionierenden Steuerver-
waltung zu unterstützen;

6. sich auf VN-Ebene für die Einrichtung eines von den Industriestaaten finanzier-
ten Kompensationsfonds für die Folgen von Klimawandel und Kolonialismus
einzusetzen;

7. Entwicklungsgelder nicht zur Migrationskontrolle und -abwehr zu missbrauchen,
sondern stattdessen konsequent Fluchtursachen zu bekämpfen;

8. die Entwicklungs- und Klimafinanzierung vorrangig aus öffentlichen Mitteln zu
gewährleisten, sich hierfür weltweit einzusetzen und dafür
a) das anvisierte Ziel von 2 Prozent des BIP für Militärausgaben im Rahmen

der NATO zu streichen und stattdessen endlich die deutschen Gelder für
Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe auf 0,7 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (ODA-Quote) anzuheben,

b) die Klimafinanztransfers massiv anzuheben und zusätzlich zur Entwick-
lungszusammenarbeit bereitzustellen,

c) den undemokratischen Einfluss privater Stiftungen in der Entwicklungszu-
sammenarbeit zurückzudrängen und

d) Öffentlich-Private Partnerschaften (PPP) mit deutschen Unternehmen zur
Entwicklungsfinanzierung zu stoppen und keine weiteren abzuschließen.

Berlin, den 16. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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