BT-Drucksache 18/12342

Perspektiven des Abschlusses eines Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation

Vom 10. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12342
18. Wahlperiode 10.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Matthias W. Birkwald, Azize Tank,
Wolfgang Gehrcke, Sabine Zimmermann (Zwickau), Annette Groth,
Dr. André Hahn, Inge Höger, Katja Kipping, Petra Pau, Alexander Ulrich,
Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Perspektiven des Abschlusses eines Sozialversicherungsabkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation

In Folge ihrer Geschichte im 20. Jahrhundert nahm die Bundesrepublik Deutsch-
land verschiedene Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern aus den Nachfolgestaa-
ten der ehemaligen Sowjetunion (z. B. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler,
Menschen jüdischen Glaubens sowie ihre Familienmitglieder) als Zuwanderinnen
und Zuwanderer auf. Viele dieser Personen waren in der ehemaligen UdSSR bzw.
RSFSR, später Russische Förderation, beruflich tätig. Darunter befinden sich auch
ca. 220 000 Jüdinnen und Juden und deren Angehörige, die im Jahre 1991 vor dem
Hintergrund der historischen Verantwortung und der Bemühungen der Bundesre-
publik Deutschland, nach den Schrecken der Naziherrschaft jüdisches Leben wie-
der zu etablieren, in die Bundesrepublik Deutschland eingewandert sind. Darunter
befinden sich Personen, die bereits das Rentenalter erreicht bzw. mehrere Jahr-
zehnte an Beitragszeiten in ihren Herkunftsländern erworben hatten.
Seit Anfang der 1990er Jahre führt die Bundesregierung Verhandlungen mit der
Russischen Föderation über den Abschluss eines bilateralen Sozialversicherungs-
abkommens. Sozialversicherungsabkommen regeln insbesondere die gegensei-
tige Anrechnung von Beitragszeiten in der Rentenversicherung der vertragschlie-
ßenden Parteien, so dass Versicherungszeiten bei einem Wohnsitzwechsel nicht
verloren gehen. Der Abschluss eines Sozialversicherungsabkommens würde an-
gesichts der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern sowohl für
die Fachkräfte, die einen Teil ihrer Erwerbsbiographie im jeweils anderen Land
verbringen, als auch für viele Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik
Deutschland, die in der Vergangenheit in der ehemaligen UdSSR bzw. RSFSR
beruflich tätig waren, eine notwendige Regelung bezüglich der erworbenen Ver-
sicherungszeiten herbeiführen. Laut Angaben der Zeitung der russischen Födera-
tionsversammlung „Parlamentskaja Gazeta“ beziehen zurzeit etwa 96 900 Men-
schen in der Bundesrepublik Deutschland eine russische Rente (www.pnp.ru/
social/2016/12/02/gosduma-vosstanovila-v-pensionnykh-pravakh-vykhodcev-
iz-sssr-v-izraile.html).
Obwohl bereits mehrere Verhandlungsrunden zwischen den Sachverständigen
aus der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland stattgefun-
den haben, konnten die Verhandlungen bis heute nicht abgeschlossen werden:
„Trotz intensiven Bemühens der deutschen Seite konnte das Sozialversicherungs-
abkommen mit der Russischen Föderation bisher nicht bis zum Ende verhandelt
werden“ (Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 auf Bundestagsdrucksache
18/7096).

Drucksache 18/12342 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Aktuell baut die Russische Föderation ihre internationale Zusammenarbeit im
sozialen Bereich mit anderen Staaten weiter aus. So wurde beispielsweise im De-
zember 2016 ein Sozialversicherungsabkommen zwischen der Russischen
Föderation und Israel von der russischen Seite ratifiziert (http://en.kremlin.ru/
acts/news/53532), das im Jahr 2017 in Kraft treten soll (www.rosmintrud.ru/
pensions/cooperation/14/).]

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele deutsche Bürgerinnen und Bürger mit einem Migrationshinter-

grund aus der ehemaligen UdSSR bzw. Nachfolgestaaten der ehemaligen
Sowjetunion beziehen aktuell eine Rente aus dem deutschen Rentenversiche-
rungssystem?

2. Wie viele russische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bzw. Doppelstaats-
bürgerinnen und -staatsbürger mit deutscher und russischer Staatsangehörig-
keit beziehen aktuell eine Rente aus dem deutschen Rentenversicherungssys-
tem?

3. Wie verteilen sich im Zeitverlauf die Renten von russischen Staatsbürgerin-
nen und Staatsbürgern bzw. Bürgerinnen und Bürgern mit deutscher und rus-
sischer Staatsangehörigkeit nach Rentenart (Versichertenrenten und Renten
nach Fremdrentengesetz) im Rentenzugang und im Rentenbestand?

4. Wie hoch ist der durchschnittliche Zahlbetrag (Zugang und Bestand) bei der
Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und der Gruppe der ein-
gewanderten Menschen jüdischen Glaubens?

5. Wie hoch ist der durchschnittliche Zahlbetrag (Zugang und Bestand) bei der
Gruppe von russischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern bzw. Bürgerin-
nen und Bürgern mit deutscher und russischer Staatsangehörigkeit, die in der
Bundesrepublik Deutschland leben?

6. Wie viele russische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bzw. Bürgerinnen
und Bürger mit deutscher und russischer Staatsangehörigkeit erhalten eine
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung?

7. Bei wie vielen Leistungsempfängern der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung wurde ihre russische Rente auf die Grundsicherung an-
gerechnet?

8. Was sind konkrete Gründe, warum das Sozialversicherungsabkommen mit
Russland bis jetzt nicht zu Ende verhandelt werden konnte?

9. Wann fanden die Verhandlungsrunden (siehe die Antwort der Bundesregie-
rung zu Frage 8 auf Bundestagsdrucksache 18/7096) zwischen den Sachver-
ständigen der russischen und deutschen Seite zum Abschluss eines Sozial-
versicherungsabkommens mit der Russischen Föderation statt (bitte nach
Jahren auflisten)?
Wann fand die letzte Verhandlungsrunde statt?
Wann soll die nächste Verhandlungsrunde stattfinden?

10. Was waren die Themen dieser letzten Verhandlungsrunde, und welche Be-
hörden waren daran beteiligt?

11. Wird über die Schließung eines Sozialversicherungsabkommens mit Russ-
land aktuell verhandelt, und wie sieht der konkrete Zeitplan dafür aus?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12342

12. Für welche konkreten „einzelnen Abkommensbestimmungen“ sind „das

Verständnis und die Akzeptanz der russischen Seite“ zu erzielen (siehe die
Antwort der Bundesregierung zu Frage 42 auf Bundestagsdrucksache
17/10352)?

13. Welche konkreten einzelnen Vorschriften aus der Antwort der Bundesregie-
rung zu Frage 42 auf Bundestagsdrucksache 17/10352 sind aus Sicht der
Bundesregierung für den Abschluss des Sozialversicherungsabkommens mit
der Russischen Förderation relevant?

14. Welche konkreten Absprachen zwischen dem Russischen Rentenfonds und
der Deutschen Rentenversicherung Bund sollte das Sozialversicherungsab-
kommen mit der Russischen Föderation beinhalten, um die Beantragung der
Rentenleistung möglichst einfach zu gestalten?

15. Wer konkret ist der Verhandlungspartner der Bundesrepublik Deutschland
auf russischer Seite (bitte Abteilungen der Ministerien bzw. Behörden ein-
zeln auflisten)?

16. Haben sich die EU-Sanktionen gegen Russland bzw. die Spannungen zwi-
schen beiden Staaten auf die Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und Russland über ein Sozialversicherungsabkommen ausge-
wirkt?

17. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung im Hinblick auf
eine Anrechnung von ausländischen Versicherungszeiten ehemaliger NS-
Verfolgter, welche sich in der Gruppe der Zuwanderer aus Staaten der ehe-
maligen Sowjetunion befinden, namentlich Personen, die in einem von Deut-
schen eingerichteten Ghetto beschäftigt waren?
Welchen Stellenwert hat bei diesen Überlegungen die Möglichkeit der
Gleichstellung der jüdischen Kontingentflüchtlinge mit Spätaussiedlerinnen
und Spätaussiedlern im Fremdrentengesetz (FRG), wie dies vom Zentralrat
der Juden in Deutschland gefordert wird?

18. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um die prekäre
Situation jüdischer Zuwandererinnen und Zuwanderer aus Staaten der ehe-
maligen Sowjetunion in der Bundesrepublik Deutschland zu verbessern und
diese so vor den Gefahren der Altersarmut zu schützen?

19. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um die Berufs-
abschlüsse der Zuwandererinnen und Zuwanderer aus Staaten der ehemali-
gen Sowjetunion vollumfänglich in der Bundesrepublik Deutschland anzu-
erkennen?

Berlin, den 9. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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