BT-Drucksache 18/12289

Das Verhältnis von Nord- und Südkorea und die Position der Bundesregierung

Vom 5. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12289
18. Wahlperiode 05.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Annette Groth, Andrej Hunko, Niema Movassat, Kathrin Vogler und
der Fraktion DIE LINKE.

Das Verhältnis von Nord- und Südkorea und die Position der Bundesregierung

Aktuell droht der US-amerikanische Präsident Donald Trump notfalls militärisch
gegen Nordkorea vorzugehen, wenn das Land sein Atom- und Raketenprogramm
nicht einstellt. Diese derzeitige Zuspitzung in und um die Halbinsel Korea rückt
die Frage nach dem Verhältnis der Staaten Nord- und Südkorea erneut in den
Blick.
Korea ist ein in Nord und Süd geteiltes Land. Nach dem Ende der japanischen
Kolonialherrschaft (1910 bis 1945) über die Halbinsel und dem Zweiten Welt-
krieg – mit dem eklatante japanische Kriegsverbrechen wie der Umgang mit den
sogenannten Trostfrauen einhergingen – wurde das Land von der UNO in die
treuhänderische Verwaltung der USA (Süden) und der Sowjetunion (Norden)
übergeben. Statt einer gemeinsamen Staatsgründung wurden im Jahr 1948 zwei
Staaten ausgerufen – erst die Republik Korea mit der Hauptstadt Seoul im Süden
und dann die Demokratische Volksrepublik Korea mit der Hauptstadt Pjöngjang
im Norden. Der Koreakrieg von 1950 bis 1953, der über vier Millionen Men-
schenleben forderte, manifestierte die Teilung des Landes entlang des 38. Brei-
tengrades. Bis heute ist die Region einer der brennendsten Krisenherde der Welt,
in dem die konkurrierenden Interessen der benachbarten Großmächte China, Ja-
pan und Russland sowie der USA aufeinander treffen.
Nach der Zeit der sogenannten Sonnenscheinpolitik, die insbesondere durch die
deutsche Wiedervereinigung inspiriert war, spitzt sich seit dem Jahr 2008 die
Konfrontation in und um Korea wieder zu. In wenigen Kilometern Abstand ste-
hen sich zwei hochgerüstete Armeen gegenüber. Nordkorea testet immer wieder
ballistische Mittelstreckenraketen und verfügt über Kernwaffen. Südkorea veran-
staltet groß angelegte Militärmanöver mit den USA. Etwa 30 000 US-Soldaten
sind auf mehreren Militärbasen in Südkorea stationiert und die atomar bewaffnete
7. US-Flotte befindet sich in unmittelbarer Nähe. Hinzu kommt aktuell der Auf-
bau des US-Raketenabwehrsystems THAAD mit weitreichenden Radarstationen
rund 300 km südlich von Seoul, das auch China und Russland als Bedrohung ver-
stehen.
Die historische Erfahrung der deutschen Teilung befördert das Interesse Deutsch-
lands an Aussöhnung und Frieden in Korea. Die Bundesrepublik Deutschland ge-
hört zu den wenigen Staaten, die sowohl in Nord- als auch in Südkorea eine Bot-
schaft unterhalten. Die deutsch-koreanische Parlamentariergruppe des Deutschen
Bundestages hat im Oktober 2015 Südkorea sowie Nordkorea besucht und
deutsch-südkoreanische Expertenrunden tauschen sich über Möglichkeiten und
Bedingungen einer Wiedervereinigung aus.

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Zugleich ist Südkorea einer der wichtigsten Empfänger-Staaten für deutsche Rüs-
tungsexporte. Von 2001 bis 2014 hat die Bundesrepublik Deutschland Kriegsge-
rät im Wert von rund 4,9 Mrd. Euro dorthin ausgeführt. Darunter befinden sich vor
allem Kriegsschiffe, Fahrzeuge und Panzer, Fluggeräte und Sprengkörper, die für
den Einsatz in einem innerkoreanischen Krieg bereitstehen (www.caat.org.uk/
resources/export-licences-eu/licence.de.html?source=Germany&destination=
South%20Korea). Beide Staaten befinden sich offiziell im Kriegszustand, auf das
Waffenstillstandsabkommen von 1953 ist bis heute kein Friedensvertrag gefolgt.
Wehrdienstverweigerung wird in Südkorea mit 18 Monaten Haft bestraft. Jähr-
lich sitzen über 600 Kriegsdienstverweigerer in südkoreanischen Gefängnissen
(www.connection-ev.org/article-1106). Die Nationalen Sicherheitsgesetze wur-
den in Südkorea zuletzt zunehmend zur Einschränkung der Pressefreiheit und po-
litischen Repression eingesetzt, kollektive Arbeitnehmerrechte befinden sich auf
niedrigem Niveau. Im Zwölften Bericht der Bundesregierung über ihre Men-
schenrechtspolitik wird die Missachtung politisch-bürgerlicher Menschenrechte
in Nordkorea abgebildet, während Südkorea trotz vermehrter internationaler Kri-
tik darin nicht thematisiert wird.

1. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Drohung des US-
Präsidenten Donald Trump, notfalls militärisch gegen das nordkoreanische
Atom- und Raketenprogramm vorzugehen, und hält sie deren Realisierung
für wahrscheinlich?

2. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Forderung Nord-
koreas vom 16. Januar 2016, in Verhandlungen über einen Friedensvertrag
mit den USA einzusteigen, mit dem Ziel, sowohl die US-Militärübungen mit
Südkorea als auch die Nukleartests Nordkoreas zu beenden (www.reuters.
com/article/us-northkorea-nuclear-idUSKCN0VU0XE)?

3. Wie positioniert sich die Bundesregierung zum erfolglosen chinesischen
Vorschlag von Anfang März 2017, das Nuklear- und Raketenprogramm
Nordkoreas einzufrieren und im Gegenzug die Hauptmilitärübungen der
USA mit Südkorea einzustellen (www.nytimes.com/2017/03/08/world/asia/
china-north-korea-thaad-nuclear.html?_r=2)?

4. Wirkt die Bundesregierung auf die Überwindung des formalen Kriegszu-
stands und die Erarbeitung sowie den Abschluss eines innerkoreanischen
Friedensvertrages hin, und wenn ja, wie?

5. Welche diplomatischen Kanäle erachtet die Bundesregierung für geeignet für
einen innerkoreanischen Annäherungsprozess?

6. Inwiefern begreift die Bundesregierung die Eingliederung der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik in die Bundesrepublik Deutschland als
Modell für eine mögliche Vereinigung der beiden koreanischen Staaten?

7. Unterstützt die Bundesregierung eine Eingliederung der Demokratischen
Volksrepublik Korea in die Republik Korea?

8. Gibt es in der Bundesregierung Pläne, den wirtschaftlichen Einigungsprozess
der zwei Staaten mit entgegengesetzten Wirtschaftssystemen zu fördern, und
wenn ja, wie genau?

9. Welchen Umgang schlägt die Bundesregierung im Falle einer Einheit mit
nordkoreanischen Funktionären und hohen Militärs vor?

10. Besteht derzeit auf staatlicher sowie diplomatischer Ebene ein Dialog zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Korea über die po-
litischen Erfahrungen der deutschen Wiedervereinigung hinsichtlich Annä-
herungspolitik und Einigungsprozess?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12289

11. Besteht derzeit auf diplomatischer Ebene ein Dialog zwischen Deutschland

und der Demokratischen Volksrepublik Korea über die politischen Erfahrun-
gen der deutschen Wiedervereinigung hinsichtlich Annäherungspolitik und
Einigungsprozess?

12. Welche Aktivitäten der deutschen Botschaften in Seoul und in Pjöngjang gibt
es zur Unterstützung für einen koreanischen Annäherungsprozess?

13. Wie und mit welchen Projekten fördert die Bundesregierung die Forschung
zu Vereinigung in der Republik Korea?

14. Worum handelt es sich bei dem seit dem Jahr 2011 jährlich tagenden Ex-
pertengremium des koreanischen Vereinigungsministeriums und des Bun-
desministeriums für Wirtschaft und Energie zur Vertiefung des Austauschs
zu den inneren Aspekten der Vereinigung (www.auswaertiges-amt.de/DE/
Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Suedkorea/Bilateral_node.html)?
a) Wie und mit wem ist dieses Expertengremium besetzt?
b) Zu welchen Erkenntnissen ist das Expertengremium hinsichtlich der in-

neren Aspekte der Vereinigung der beiden koreanischen Staaten gekom-
men?

c) Wie werden diese Ergebnisse politisch genutzt?
15. Worum handelt es sich bei dem im Jahr 2014 im Rahmen des Südkorea-Be-

suchs des damaligen Bundesaußenministers Dr. Frank-Walter Steinmeier
geschaffenen Beratergremium, welches sich insbesondere mit den außenpo-
litischen Aspekten der Wiedervereinigung befasst (www.auswaertiges-
amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Suedkorea/Bilateral_
node.html)?
a) Wie und mit wem ist dieses Beratergremium besetzt?
b) Zu welchen Erkenntnissen ist das Beratergremium hinsichtlich der außen-

politischen Aspekte der Vereinigung der beiden koreanischen Staaten ge-
kommen?

16. Hat die Bundesregierung – insbesondere nach dem Besuch der deutsch-ko-
reanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages – vor, Besuche
von Regierungsdelegationen auf Ministerebene zur Stärkung der Diplomatie
in Nordkorea stattfinden zu lassen, und wenn nein, warum nicht?

17. Sieht die Bundesregierung in dem möglicherweise anstehenden Regierungs-
wechsel in Südkorea nach den Neuwahlen am 9. Mai 2017 Chancen für eine
innerkoreanische Wiederannäherung, und wenn ja, wird die Bundesregie-
rung diese unterstützen?

18. Ist der Bundesregierung bekannt, inwiefern in Korea eine gemeinsame Auf-
arbeitung der japanischen Kriegsverbrechen während der Besatzungszeit
stattfindet?

19. Was hat die Bundesregierung dazu beigetragen, Prozesse der Aufarbeitung
von Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkrieges in Korea zu unter-
stützen?

20. Spricht sich die Bundesregierung öffentlich für die Anerkennung und Wie-
dergutmachung der Zwangsprostitution vieler Tausender Koreanerinnen
durch Japan im Zweiten Weltkrieg aus?

21. Betrachtet die Bundesregierung die dauerhafte Stationierung von rund
30 000 US-Soldaten in der Republik Korea als Konfrontation gegenüber der
Demokratischen Volksrepublik Korea?

Drucksache 18/12289 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

22. Unterstützt die Bundesregierung die Stationierung des US-Raketenabwehr-

systems THAAD in Südkorea, dessen Radar stark genug ist, um chinesisches
sowie russisches Staatsgebiet zu erreichen?

23. Hat die Bundesregierung Kenntnis, ob deutsche Unternehmen an Bau, Instal-
lation oder Logistik des Raketenabwehrsystems in der Republik Korea mit-
gewirkt haben?

24. In welchem Wert und in welchem Umfang (bitte nach Art, Anzahl und Wert
der gehandelten Güter auflisten) hat die Bundesregierung im Kalenderjahr
2015 und im Kalenderjahr 2016 Rüstungsgüter in die Republik Korea expor-
tiert?

25. Wie begründet die Bundesregierung den Export insbesondere schwerer Waf-
fen wie Kriegsschiffe und Panzer in die Krisenregion Korea?

26. Kritisiert die Bundesregierung die 18-monatige (Verstoß gegen das in der
UN-Menschenrechtscharta sowie im UN-Zivilpakt verankerte Recht auf Ge-
wissensfreiheit) Inhaftierung von Wehrdienstverweigerern in der Republik
Korea?

27. Wie positioniert sich die Bundesregierung dazu, dass sich jährlich über
600 Wehrdienstverweigerer in südkoreanischen Gefängnissen befinden (www.
connection-ev.org/article-2093; www.amnesty.de/jahresbericht/2015/korea-
sued#kriegsdienstverweigerer)?

28. Wie nutzt die Bundesregierung die guten deutsch-südkoreanischen Bezie-
hungen, um zur Verbesserung der Situation von Kriegsdienstverweigerern in
Südkorea beizutragen (www.amnesty-korea.de/Suedkorea/Wehrdienst)?

29. Zieht die Bundesregierung Konsequenzen daraus, dass es nach Angaben in-
ternationaler Organisationen zuletzt verstärkt zur Instrumentalisierung der
nationalen Sicherheitsgesetze durch die südkoreanischen Behörden kam, um
die Presse- und Meinungsfreiheit einzuschränken und das Internet verstärkt
zu kontrollieren (www.amnesty.org/en/documents/asa25/001/2015/en/)?
Sieht die Bundesregierung darin einen zunehmenden „shrinking space“ (ver-
gleiche Zwölfter Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspo-
litik) für die südkoreanische Zivilbevölkerung?

30. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die häufig in der Republik Korea
stattfindende Missachtung von kollektiven Arbeitnehmerrechten und die ge-
setzlichen Einschränkungen im Vereinigungsrecht, Tarifverhandlungsrecht
und allgemeinen Streikrecht (http://survey.ituc-csi.org/Korea-44-Republic-
of.html?lang=de#tabs-2), und wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie
daraus?

31. Wie ist es angesichts der vermehrten internationalen Kritik hinsichtlich Men-
schenrechtsverletzungen in der Republik Korea zu erklären, dass diese im
Zwölften Menschenrechtsbericht der Bundesregierung keine Erwähnung
finden?

32. Wie schätzt die Bundesregierung die allgemeine Lage der bürgerlich-politi-
schen Menschenrechte in der Republik Korea ein?

33. Wie schätzt die Bundesregierung die allgemeine Lage der wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte in der Republik Korea ein?

34. Wie schätzt die Bundesregierung die allgemeine Lage der bürgerlich-politi-
schen Menschenrechte in der Demokratischen Volksrepublik Korea ein?

35. Wie schätzt die Bundesregierung die allgemeine Lage der wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte in der Demokratischen Volksre-
publik Korea ein?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12289

36. Hat die Bundesregierung Kenntnis, welche deutschen Nichtregierungsorga-

nisationen seit 1990 humanitär in Nordkorea tätig sind, und wann und mit
welchen aus deutschen Mitteln finanzierten Projekten?

37. Hat die Bundesregierung Kenntnis, welche politischen Stiftungen mit wel-
chen Projekten in Nord- und Südkorea tätig sind?
Hat sie Kenntnis über ihren rechtlichen Status und ihre Arbeitsbedingungen
vor Ort?

Berlin, den 5. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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