BT-Drucksache 18/12283

Maßnahmen gegen Verschlüsselung und zur Löschung terroristischer Internetinhalte unter Zuhilfenahme des EU Internet Forums

Vom 5. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12283
18. Wahlperiode 05.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke,
Niema Movassat, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Maßnahmen gegen Verschlüsselung und zur Löschung terroristischer
Internetinhalte unter Zuhilfenahme des EU Internet Forums

Mehrere Regierungen europäischer Mitgliedstaaten verlangen, Internetdienstleis-
ter zur Herausgabe verschlüsselter Telekommunikationsdaten an Polizeien oder
Geheimdienste zu zwingen (euractiv.com vom 29. März 2017, „EU verspricht
neue Vorschriften für Messaging-Dienstleister“). Die britische Innenministerin
Amber Rudd verwies hierzu auf den zu Facebook gehörenden Provider WhatsApp,
den der Angreifer des Londoner Terroranschlags vom März 2017 genutzt haben
soll. Auch der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, und sein fran-
zösischer Amtskollege Matthias Fekl forderten, dass die zuständigen Behörden
zur Herausgabe verschlüsselter Inhalte gegenüber Internetdienstleistern die glei-
chen rechtlichen Befugnisse haben sollten wie gegenüber Telekommunikations-
anbietern. Die Regierungen beider Länder hätten die Europäische Kommission
gebeten, dies als Vorschriften zu erwägen. Bereits im vergangenen Sommer hat-
ten Dr. Thomas de Maizière und der damalige französische Innenminister Ber-
nard Cazeneuve in einem Schreiben an die Kommission gefordert, Sicherheitsbe-
hörden den Zugang zu verschlüsselten Daten zu erleichtern. Sogenannte Hinter-
türen lehne die Bundesregierung im Gegensatz zum EU-Koordinator zur Terro-
rismusbekämpfung Gilles de Kerchove jedoch ab.
Auf einer Pressekonferenz (http://gleft.de/1FT) erklärte die EU-Kommissarin
Věra Jourová, sie wolle einen Vorschlag mit „drei oder vier Optionen“ zum Zu-
griff auf sogenannte elektronische Beweismittel („E-evidence“) vorlegen. Dies
betreffe auch verschlüsselte Inhalte. „Verschlüsselung“ stand zuletzt abermals
auf der Tagesordnung des Koordinierungsausschusses für den Bereich der poli-
zeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sowie des Rates für Jus-
tiz und Inneres (JI-Rat) am 27./28. März 2017 (Bundestagsdrucksache18/11894).
Auch in Sitzungen verschiedener Ratsarbeitsgruppen wurde das Thema behan-
delt, darunter der „Horizontal Working Party and Cyber Issues“.
Schließlich hat auch der EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos auf seiner Reise
im Kontext des EU Internet Forums ins „Silicon Valley“ das Thema gegenüber
großen Internetdienstleistern angesprochen (http://gleft.de/1FU). Die Firmen
seien „ermutigt“ worden, in einen „konstruktiven Dialog“ darüber einzusteigen,
wie die „Herausforderung von Verschlüsselung“ in Ermittlungen begegnet wer-
den könnte. Dabei soll zunächst das Problem definiert und anschließend sollen
„praktische Lösungen“ gefunden werden. Weitere Schritte werden auf dem hoch-
rangigen Treffen im Juni 2017 zur Vorbereitung des nächsten EU Internet Forums
in Brüssel besprochen.

Drucksache 18/12283 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Forderungen oder Vorschläge haben die Regierungen Deutschlands
und Frankreichs bei der Europäischen Kommission eingereicht, um zustän-
digen Behörden bei der Herausgabe verschlüsselter Inhalte gegenüber Inter-
netdienstleistern die gleichen rechtlichen Befugnisse zu ermöglichen wie ge-
genüber Telekommunikationsanbietern?
a) Wo wurde das im vergangenen Sommer von beiden Regierungen an die

Kommission gerichtete Schreiben zum Zugang zu verschlüsselten Inhal-
ten behandelt?

b) Was ist der Bundesregierung über die Haltung des EU-Koordinators zur
Terrorismusbekämpfung Gilles de Kerchove zu Hintertüren für ver-
schlüsselte Kommunikation bekannt?

2. Mit welchem Inhalt bzw. welchem Ergebnis wurde das Thema „Verschlüs-
selung“ zuletzt im Koordinierungsausschuss für den Bereich der polizeili-
chen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sowie beim JI-Rat am
27./28. März 2017 behandelt?

3. Was ist der Bundesregierung über etwaige Planungen bekannt, auf EU-
Ebene ein Experten-Netzwerk zum Thema „Verschlüsselung“ einzurichten,
wer soll diesem angehören, und wann finden erste Treffen statt?

4. Für welchen Tag bzw. welchen Monat dieses Jahres hat die Europäische
Kommission ihren Vorschlag mit „drei oder vier Optionen“ zum Zugang zu
sogenannten elektronischen Beweismitteln („E-evidence“) vorgesehen, der
auch verschlüsselte Inhalte betreffen soll?

5. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auf EU-Ebene mitt-
lerweile ein Netzwerk oder Projekt zum Thema „Zugang zu elektronischen
Beweismitteln“ eingerichtet wurde, wer gehört diesem an, und an welchen
stattgefundenen Treffen nahmen welche deutschen Bundesministerien teil?

6. Was ist der Bundesregierung über Aufgabe und Ziel einer „ECTC Advisory
Group on Terrorist Propaganda“ bei Europol bekannt (Pressemitteilung Eu-
ropol vom 12. April 2017, „Europol hosts Conference on Online Terrorist
Propaganda“)?
a) Was ist der Bundesregierung über die Teilnehmenden der Gruppe bekannt

(bitte Firmen und Abteilungen von Polizeibehörden so konkret wie mög-
lich benennen)?

b) Welche „technischen Lösungen“ sollen von der Gruppe entwickelt werden,
damit Behörden mit den Kommunikationsmitteln terroristischer Gruppen
„Schritt halten“ können?

7. Welche Ergebnisse und Lösungen wurden von der „ECTC Advisory Group
on Terrorist Propaganda“ auf der jüngsten „Europol Conference on Online
Terrorist Propaganda“ präsentiert, was Europol mit „Big Data analysieren“,
„terroristische Netzwerke darstellen“, „Einblicke in Onlineverhalten, Taktik
und Kommunikation von Terroristen“ umschreibt?

8. Auf welche Weise ist die Internetmeldestelle bei Europol – wie von der Agen-
tur berichtet – bemüht, die Internetdienstleister zur freiwilligen Löschung
von Inhalten zu „ermutigen“?
a) Wie viele Ersuchen zur Entfernung von Internetinhalten hat die Melde-

stelle für Internetinhalte bereits bei Unternehmen eingereicht, und wie
vielen davon wurde entsprochen?

b) Welche Mitgliedstaaten haben bereits welche Experten zur Meldestelle
für Internetinhalte entsandt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12283
9. Inwiefern war das Bundeskriminalamt als Zentralstelle in der Vergangenheit
jemals mit Anfragen ausländischer Behörden befasst, nachdem deutsche
Strafverfolgungsbehörden auf Servern auf deren Territorium „in der Cloud
ermittelt“ haben, um dort Beweismittel zu erlangen (Bundestagsdrucksache
18/11578)?

10. Welche Firmen beteiligen sich bislang am EU Internet Forum, und wie wird
umgesetzt, dass weitere kleine Unternehmen einbezogen werden?
a) Auf welche Weise könnten Internetunternehmen aus Sicht der Bundesre-

gierung konstruktiv mit europäischen Behörden zusammenarbeiten, um
Zugang zu bei ihnen befindlichen verschlüsselten Telekommunikations-
daten zu gewähren?

b) Welche Firmen haben hierzu nach Kenntnis der Bundesregierung bereits
Kooperationsbereitschaft gezeigt?

11. Welche wesentlichen Ergebnisse des Besuchs des EU-Kommissars Dimitris
Avramopoulos am 9./10. März 2017 im „Silicon Valley“ sind der Bundesre-
gierung bekannt (http://gleft.de/1FU)?
a) Auf welche Weise wurden die besuchten Firmen „ermutigt“, in einen

„konstruktiven Dialog“ darüber einzusteigen, wie der „Herausforderung
von Verschlüsselung“ in Ermittlungen begegnet werden könnte?

b) In welchem Format (etwa im Rahmen des EU Internet Forums) soll das
Problem definiert und sollen anschließend „praktische Lösungen“ ge-
funden werden?

c) Welche weiteren High-Level-Treffen zur Bestandsaufnahme und Planung
weiterer Aktivitäten sind der Bundesregierung zum Nachgang des Be-
suchs bekannt?

12. Unter welchen Umständen und mit welchem Ziel würde die Bundesregie-
rung ihren Auslandsgeheimdienst mit der Ausforschung digitaler Telekom-
munikation der Polizeiagentur Europol oder der Polizeiorganisation Interpol
beauftragen (SPIEGEL Heft 17/2017 vom 22. April 2017)?

13. Inwiefern und mit welchem Ergebnis wurden nach Kenntnis der Bundesre-
gierung die Herausgabe elektronischer Beweismittel und der Zugang zu ver-
schlüsselten Inhalten auch auf dem Treffen der G20-Digitalminister am
6. und 7. April 2017 in Düsseldorf behandelt?

14. Was ist der Bundesregierung dazu bekannt, mit welchem Ergebnis die Frage,
ob im Rahmen der Vereinten Nationen eine Cybercrime-Konvention erarbei-
tet werden könnte, bei der Sitzung der zwischenstaatlichen Expertengruppe
Cybercrime (Intergovernmental Expert Group an Cybercrime – IEG Cyber-
crime) vom 10. bis 13. April 2017 in Wien behandelt wurde (Bundestags-
drucksache 18/11894, Antwort zu Frage 19)?

15. Wann im Frühjahr 2017 will die vom Ausschuss zur Cybercrime-Konvention
(Cybercrime Convention Committee, T-CY) eingesetzte Cloud Evidence
Group (CEG) ihren Mandatsentwurf für das Ausarbeitungsverfahren und zu
den möglichen Inhalten eines Zusatzprotokolls zur Cybercrime-Konvention
vorlegen, und welche Inhalte sind der Bundesregierung hierzu bereits im Ent-
wurf bekannt (Bundestagsdrucksache 18/11578)?

16. Sofern die Bundesregierung bereits Kenntnis des Entwurfs hat, wie wird sie
sich hierzu bei der Abstimmung im Juni 2017 positionieren?

Berlin, den 5. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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