BT-Drucksache 18/122

Aktivitäten von US-Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland

Vom 2. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/122
18. Wahlperiode 02.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Andrej Hunko, Christine Buchholz, Annette Groth,
Dr. André Hahn, Inge Höger, Stefan Liebich, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu,
Kersten Steinke, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak und der
Fraktion DIE LINKE.

Aktivitäten von US-Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland

In Häfen und auf Flughäfen in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten Dut-
zende Sicherheitsbeamtinnen und Sicherheitsbeamte von US-Behörden, die
meist dem US-Heimatschutzministerium (Departement of Homeland Security)
angegliedert sind. Offiziell dient ihr Einsatz der Terrorismusabwehr und der Be-
kämpfung schwerer Verbrechen. „Neben CIA und NSA operieren hierzulande
mehr als 50 Mitarbeiter des Secret Service, des US-Heimatschutzministeriums,
der US-Einwanderungs- und Transportbehörden. Sie genießen diplomatische
Immunität und haben Befugnisse, die denen deutscher Polizisten und Zöllner na-
hekommen. Sie entscheiden, wer ins Flugzeug steigen darf, welcher Container
auf welches Schiff geladen wird – und im Zweifel nehmen sie offenbar sogar
Menschen fest.“ (www.sueddeutsche.de).
Nach Angaben der Bundesregierung operierten im Jahr 2011 75 Bedienstete des
US-Heimatschutzministeriums und der ihm angegliederten Behörden in der
Bundesrepublik Deutschland, von denen 50 einen Diplomatenstatus besaßen
(Bundestagsdrucksache 17/6654).
In den Häfen von Hamburg und Bremerhaven sind Beamtinnen und Beamte des
US-Heimatschutzministeriums stationiert, die den deutschen Zoll offenbar auf-
grund geheimdienstlicher Erkenntnisse auf Schiffscontainer hinweisen, die un-
tersucht werden sollen. An deutschen Flughäfen entscheiden US-Beamte an-
hand von schwarzen Listen von US-Behörden, wer seine Reise in die USA an-
treten darf. Die No Fly, Selectee List und Terrorist Watchlist umfassen nach In-
formationen der „Süddeutschen Zeitung“ fast eine Million Namen. Die Kriterien
für das Zustandekommen dieser Listen sind auch den Fluggesellschaften nicht
bekannt, die den Empfehlungen der US-Beamten für eine Boarding-Verweige-
rung in der Regel folgen, da sie andernfalls Sanktionen durch die USA befürch-
ten. Identifizieren können die US-Behörden unerwünschte Reisende durch den
direkten Zugriff auf die Buchungssysteme der Fluggesellschaften.
Beamte des Secret Service erklärten laut Augenzeugen am 3. März 2008 auf
dem Frankfurter Flughafen dem aus Tallin kommenden estnischen Staatsbürger
A. S. am Gate zu einem Urlaubsflug nach Bali, er sei festgenommen. Anschlie-
ßend nahm die zugezogene Bundespolizei den in den USA wegen Kreditkarten-
betruges gesuchten Hacker mit dem Pseudonym „Jonny Hell“ regulär fest. Zu
diesem Zeitpunkt lag kein internationaler Haftbefehl gegen A. S. vor, ein US-
Haftbefehl wurde erst einige Tage später nachgeliefert „Ein Aufgriff durch Mit-
arbeiter von ausländischen Stellen fand nicht statt“, leugnete das Bundesminis-

Drucksache 18/122 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
terium des Innern auf Pressenachfragen anschließend die Beteiligung des Secret
Service an A. S. Festnahme. Obwohl seine Festnahme rechtsstaatlich zweifel-
haft war, wurde A. S. an die USA ausgeliefert, und dort im Jahr 2012 zu sieben
Jahren Haft verurteilt (www.spiegel.de; www.sueddeutsche.de).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung von den in der „Süddeutschen Zei-

tung“ genannten Aktivitäten von Beamtinnen und Beamten von US-Sicher-
heitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland?

2. Wie viele Beamtinnen und Beamte der folgenden US-Behörden operieren
nach Kenntnis der Bundesregierung an deutschen Flughäfen und Häfen
a) Departement of Homeland Security (DHS) insgesamt,
b) Customs and Border Protection (CBP),
c) Secret Service (USSS),
d) Immigration and Customs Enforcement (ICE),
e) Transportation Security Administration (TSA),
f) Coast Guard (USGC),
g) Citizenship and Immigration Service (USCIS),
h) Office of Policy,
i) Federal Emergency Management Agency (FEMA),
j) Federal Law Enforcement Training Center (FLETC),
k) National Protection and Programs Directorate (NPPD),
l) Office of Policy oder
m) sonstige (bitte bennenen)?

3. Wie viele dieser US-Beamtinnen und Beamten verfügen nach Kenntnis der
Bundesregierung über diplomatische Immunität?

4. Auf welcher rechtlichen Grundlage und aufgrund welcher internationalen
Abkommen sind Beamtinnen und Beamte des Secret Service, des Heimat-
schutzministeriums, der Einwanderungsbehörde und der Transportbehörde
der USA nach Kenntnis der Bundesregierung in der Bundesrepublik Deutsch-
land stationiert?

5. Über welche Befugnisse verfügen die genannten US-Beamtinnen und Beam-
ten von US-Sicherheitsbehörden offiziell in der Bundesrepublik Deutsch-
land?

6. Welche, wann, und zwischen wem geschlossenen Verträge und Abkommen
regeln die Zusammenarbeit zwischen den in Deutschland stationierten Be-
diensteten von US-Sicherheitsbehörden und deutschen Behörden?

7. In welchem Ausmaß kommt es nach Kenntnis der Bundesregierung vor, dass
Angehörige von US-Behörden an deutschen Flughäfen
a) die Fluggesellschaften auffordern, bestimmte Passagiere nicht zu beför-

dern,
b) die Bundespolizei verständigen, um ihnen Hinweise auf aus ihrer Sicht

verdächtige Reisende zu geben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/122
8. Wie vielen Passagieren wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den
Jahren seit 2001 die Beförderung aufgrund von Hinweisen der US-Behör-
den verweigert, und wie viele wurden aufgrund von Informationen der US-
Behörden an Flughäfen von der Bundespolizei festgenommen?

9. Welche Dienststellen, Stützpunkte und Büros der genannten US-Behörden
existieren nach Kenntnis der Bundesregierung in der Bundesrepublik
Deutschland (bitte Ort und Bezeichnung angeben)?
a) An welchen zivilen Häfen und auf welchen Flughäfen der Bundesrepu-

blik Deutschland bestehen Büros oder Stützpunkte von welchen US-
Sicherheitsbehörden unter welcher Bezeichnung?

b) In welchen diplomatischen Einrichtungen der USA befinden sich
Dienststellen dieser Behörden?

c) Über welchen rechtlichen Status verfügen diese Büros jeweils?
10. Inwieweit und in welcher Form arbeiten nach Kenntnis der Bundesregie-

rung die in Deutschland stationierten Beamtinnen und Beamten der genann-
ten Behörden mit deutschen Behörden wie Polizei und Zoll zusammen?

11. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass an deut-
schen Häfen stationierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von US-Sicher-
heitsbehörden „Tipps gäben, in welche Schiffscontainer deutsche Zöllner
doch bitte einmal genauer reinschauen sollten“ und „entscheiden […] wel-
cher Container auf welches Schiff geladen wird“ (www.sueddeutsche.de)?
a) Inwieweit und auf welcher rechtlichen und gesetzlichen Grundlage sind

deutsche Behörden angehalten oder verpflichtet, solchen „Tipps“ von
US-Beamtinnen und Beamten zur Kontrolle von Containern nachzu-
gehen?

b) Aufgrund welcher Befugnisse und in welchen Fällen können in der Bun-
desrepublik Deutschland stationierte US-Beamtinnen und US-Beamte
Entscheidungen über die Verladung von Containern auf Schiffe treffen?

c) Inwieweit sind Empfehlungen von in der Bundesrepublik Deutschland
stationierten Angehörigen US-Behörden, bestimmte Container nicht zu
verladen, für deutsche Behörden bindend?

12. In welchen Fällen ist hoheitliches Handeln von Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter von US-Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden in der Bundes-
republik Deutschland zulässig?
a) Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen sich US-Sicherheits-

beamtinnen und US-Sicherheitsbeamte in der Bundesrepublik Deutsch-
land zu Unrecht hoheitliches Handeln anmaßten, und wenn ja, welche?

b) Inwieweit sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen von dritter
Seite gegen Angehörige von US-Sicherheitsbehörden in der Bundes-
republik Deutschland der Vorwurf der Amtsanmaßung erhoben oder des-
wegen Ermittlungen eingeleitet wurden?

13. Wie viele und welche Ermittlungsverfahren gegen in der Bundesrepublik
Deutschland stationierte Beamtinnen und Beamte von US-Sicherheitsbe-
hörden wegen Freiheitsberaubung sind der Bundesregierung bekannt, und
mit welchem Ergebnis endeten diese Verfahren nach ihrer Kenntnis?

14. Welche Listen von US-Sicherheitsbehörden mit Personen, denen eine Ein-
reise in die USA verboten oder nur unter Auflagen gestattet wird, sind der
Bundesregierung bekannt?
a) Nach welchen Kriterien werden diese Listen nach Kenntnis der Bundes-

regierung erstellt?

Drucksache 18/122 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
b) Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung auf den Lis-
ten jeweils genannt?

c) Wie viele deutsche Staatsbürger befinden sich nach Kenntnis der Bun-
desregierung auf derartigen US-Listen?

d) Inwieweit sind diese Listen für Fluggesellschaften außerhalb der USA
bindend?

e) Inwieweit sind der Bundesregierung Fälle von Sanktionen oder Sank-
tionsdrohungen von Seiten der US-Behörden gegen Fluggesellschaften
bekannt geworden, die entsprechende Weisungen oder Empfehlungen
von US-Sicherheitsbeamtinnen und US-Sicherheitsbeamten für Flugver-
bote nicht umsetzen wollten?

15. Gab es von Seiten der Bundesregierung oder deutscher Behörden Anfragen
an die USA, um Einblick in diese Listen zu nehmen oder diese Listen aus-
gehändigt zu bekommen, und wenn ja, wann, und mit welchem Ergebnis?

16. Wurden im Falle des am 3. März 2008 auf dem Frankfurter Flughafen fest-
genommenen estnischen Staatsbürgers A. S. die Aufnahmen der Videoüber-
wachung ausgewertet, um festzustellen, ob und inwieweit in die Festnahme
vor Ort US-Agenten des Secret Service verwickelt waren und ob sich diese
der Anmaßung von Hoheitsrechten schuldig gemacht haben, und wenn ja,
mit welchem Ergebnis?

Berlin, den 29. November 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.