BT-Drucksache 18/12178

zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/8611 - Bundesprogramm Kita- und Schulverpflegung - Für alle Kinder und Jugendlichen eine hochwertige und unentgeltliche Essenversorgung sicherstellen

Vom 27. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12178
18. Wahlperiode 27.04.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/8611 –

Bundesprogramm Kita- und Schulverpflegung – Für alle Kinder und Jugendlichen
eine hochwertige und unentgeltliche Essensversorgung sicherstellen

A. Problem
Für die Fraktion DIE LINKE. werden die Anforderungen an eine altersgerechte,
schmackhafte, ausgewogene und gesunderhaltende Gemeinschaftsverpflegung in
angemessener Qualität in Deutschlands Kindertagesstätten (Kitas) und allgemein-
bildenden Schulen insgesamt bisher nur mangelhaft erfüllt. Das wirkt sich ihr zu-
folge unter anderem nachteilig auf die gesundheitliche Entwicklung und den
Lernerfolg der Kinder und Jugendlichen aus. Mit dem aus Sicht der Antragsteller
erfreulichen Ausbau der Ganztagsangebote der Schulen in Deutschland über-
nimmt der Staat im Rahmen seiner Fürsorgepflicht auch die Verantwortung für
die angemessene Verpflegung der Kinder und Jugendlichen. Die Bundesregie-
rung muss sich nach Auffassung der Antragsteller den drängenden Herausforde-
rungen und Problemen bei der Kita- und Schulverpflegung in Deutschland stellen.
Bisher beschränken sich ihre Maßnahmen nach Meinung der Fraktion DIE
LINKE. auf unverbindliche Projektangebote und Informationsmaterial. Wirk-
same Maßnahmen zur Sicherstellung einer hochwertigen und ausgewogenen Ge-
meinschaftsverpflegung, die den Geschmack der Kinder und Jugendlichen trifft,
fehlen laut Antragsteller.

Mit dem Antrag auf Drucksache 18/8611 soll die Bundesregierung aufgefordert
werden, sicherzustellen, dass bundesweit alle Kinder und Jugendlichen in Kitas,
allgemeinbildenden Schulen sowie Horteinrichtungen und in der Tagespflege mit
Ganztagsangebot eine beitragsfreie, altersgerechte, abwechslungsreiche und an-
sprechende Essensversorgung erhalten. Dazu soll die Bundesregierung einen Ver-
trag mit den Ländern erarbeiten und dem Deutschen Bundestag einen Gesetzent-
wurf vorlegen, durch den das Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufgeho-
ben wird und der die Rahmenbedingungen und die Finanzierung der Kita- und
Schulverpflegung in Einrichtungen mit Ganztagsangeboten im Bundesgebiet re-
gelt. Hierbei soll unter anderem zur Absicherung einer guten Verpflegungsleis-
tung in den Einrichtungen der Bund mit Beginn des Schuljahres 2017/2018 im

Drucksache 18/12178 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Rahmen eines neu zu schaffenden „Bundesprogramms Kita- und Schulverpfle-
gung“ jährlich die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen. Der Bund soll da-
raus den Ländern eine Pauschale von mindestens 4,50 Euro je Kind bzw. Jugend-
lichem und Verpflegungstag zur Verwendung durch die Träger zahlen.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Die Antragsteller gehen davon aus, dass für die Finanzierung der Kita- und Schul-
verpflegung in Einrichtungen mit Ganztagsangeboten im Bundesgebiet derzeit
(2016) je Verpflegungstag und Kind Kosten von durchschnittlich 4,50 Euro für
die Verpflegungsdienstleistung anfallen. Hinzu kommen Kosten von durch-
schnittlich 1,50 Euro je Verpflegungstag und Kind auf Seiten der Träger (Kitas
und Schulen). Die Kosten beziehen sich laut Antragsteller auf zwei Millionen
(Mio.) Kinder in Tageseinrichtungen und 4,2 Mio. Schülerinnen und Schüler in
allgemeinbildenden Schulen mit Ganztagsangebot.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12178
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/8611 abzulehnen.

Berlin, den 26. April 2017

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Alois Gerig
Vorsitzender

Katharina Landgraf
Berichterstatterin

Jeannine Pflugradt
Berichterstatterin

Karin Binder
Berichterstatterin

Harald Ebner
Berichterstatter

Drucksache 18/12178 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Katharina Landgraf, Jeannine Pflugradt, Karin Binder und
Harald Ebner

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 173. Sitzung am 2. Juni 2016 den Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf
Drucksache 18/8611 erstmals beraten und an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zur federführen-
den Beratung sowie zur Mitberatung an den Finanzausschuss, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Arbeit
und Soziales, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit sowie den
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die Antragsteller verweisen darauf, dass über sechs Millionen (Mio.) Kinder und Jugendliche in Deutschland
Ganztagsangebote in Kindertagesstätten (Kitas) und allgemeinbildenden Schulen nutzen. Sie alle haben nach Auf-
fassung der Antragsteller Anspruch auf eine gute Essensversorgung in den genannten Einrichtungen. Für die
Fraktion DIE LINKE. werden die Anforderungen an eine altersgerechte, schmackhafte, ausgewogene und ge-
sunderhaltende Gemeinschaftsverpflegung in angemessener Qualität in Deutschlands Kitas und allgemeinbilden-
den Schulen insgesamt bisher nur mangelhaft erfüllt. Das wirkt sich ihr zufolge unter anderem nachteilig auf die
gesundheitliche Entwicklung und den Lernerfolg der Kinder und Jugendlichen aus. Mit dem aus Sicht der An-
tragsteller erfreulichen Ausbau der Ganztagsangebote der Kitas und Schulen in Deutschland übernimmt der Staat
im Rahmen seiner Fürsorgepflicht auch die Verantwortung für die angemessene Verpflegung der Kinder und
Jugendlichen. Eine gute Qualität des Essens und der Nährstoffversorgung befördert laut Antragsteller zudem die
körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, unterstützt die Konzentration, das Lernen und
schützt langfristig vor den Risiken ernährungsbedingter Erkrankungen.

Die Bundesregierung muss sich nach Auffassung der Antragsteller den drängenden Herausforderungen und Prob-
lemen bei der Kita- und Schulverpflegung in Deutschland stellen. Bisher beschränken sich ihre Maßnahmen nach
Meinung der Fraktion DIE LINKE. auf unverbindliche Projektangebote und Informationsmaterial. Wirksame
Maßnahmen zur Sicherstellung einer hochwertigen und ausgewogenen Gemeinschaftsverpflegung, die den Ge-
schmack der Kinder und Jugendlichen trifft, fehlen laut Antragsteller. Die Fraktion DIE LINKE. kritisiert unter
anderem, dass das neue „Nationale Qualitätszentrum für gesunde Ernährung in Schule und Kita“ (NQZ) – im
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) – keine verbindlichen
Standards für Kitas und Schulen festlegen soll und die Vernetzungsstellen Schulverpflegung (VNS) in den Bun-
desländern nur unzureichend ausgestattet sind. (Image-)Kampagnen, wie „Macht Dampf! Für gutes Essen in Kita
und Schule“ (des BMEL) wälzten aus Sicht der Antragsteller die Verantwortung auf die Eltern und Schulen ab.

Der Bund muss aus Sicht der Antragsteller im Rahmen seiner grundgesetzlichen Fürsorgepflicht seine Verant-
wortung im Bereich der Kita- und Schulverpflegung wahrnehmen. Er soll nach ihrer Auffassung eine angemes-
sene Verpflegung in den Einrichtungen durch geeignete Rahmenbedingungen absichern. Dazu muss er aus ihrer
Sicht ausreichend finanzielle Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung stellen. Ziel muss für die Antragsteller
eine hochwertige, altersgerechte und abwechslungsreiche Kita- und Schulverpflegung sein, an der alle anspruchs-
berechtigten Kinder und Jugendlichen unentgeltlich teilnehmen.

Mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache 18/8611 soll die Bundesregierung insbesondere auf-
gefordert werden, sicherzustellen, dass bundesweit alle Kinder und Jugendlichen in Kitas, allgemeinbildenden
Schulen sowie Horteinrichtungen und in der Tagespflege mit Ganztagsangebot eine beitragsfreie, altersgerechte,
abwechslungsreiche und ansprechende Essensversorgung erhalten. Dazu soll die Bundesregierung einen Vertrag
mit den Ländern erarbeiten und dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf vorlegen, durch den das Koope-
rationsverbot im Bildungsbereich aufgehoben wird und der die Rahmenbedingungen und die Finanzierung der
Kita- und Schulverpflegung in Einrichtungen mit Ganztagsangeboten im Bundesgebiet unter anderem wie folgt
regelt:

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12178
1. Der Bund stellt sicher, dass bei Ausschreibungen und Leistungsverzeichnissen bundesweit einheitliche Rah-

menbedingungen für die Kita- und Schulverpflegung gelten. Insbesondere qualitative, geschmackliche, hygi-
enische, ernährungsgesundheitliche und bildungsbezogene Anforderungen sind zu erfüllen. Daneben ist die
Einhaltung von Kriterien, wie sozialversicherte Beschäftigungen, arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen, ta-
rifliche Entgelte und Standards sowie eine gute Qualifizierung des Personals, sicherzustellen.

2. Die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die Verpflegung in Kindertages-
einrichtungen und für die Schulverpflegung sind bundesweit verbindlich einzuführen und insbesondere in
Hinblick auf Lebensmittelhygiene, Geschmack und Vielfalt, Umwelt- und Sozialstandards sowie Arbeits-
schutz und Personalqualifikation in enger Zusammenarbeit auch mit den vor Ort handelnden Akteuren wei-
terzuentwickeln.

3. Zur Absicherung einer guten Verpflegungsleistung in den Einrichtungen stellt der Bund mit Beginn des
Schuljahres 2017/2018 im Rahmen eines neu zu schaffenden „Bundesprogramms Kita- und Schulverpfle-
gung“ jährlich die erforderlichen Mittel zur Verfügung. Der Bund zahlt daraus den Ländern eine Pauschale
von mindestens 4,50 Euro je Kind bzw. Jugendlichem und Verpflegungstag zur Verwendung durch die Trä-
ger.

4. Es ist sicherzustellen, dass die Kita- und Schulverpflegung fächerübergreifend verbindlich mit dem Erzie-
hungs- und Bildungsauftrag verknüpft wird. In der täglichen Praxis soll die Vermittlung von Wissen über die
Herkunft, Zubereitung und Zusammensetzung von Lebensmitteln, zu gesundheitsfördernden Ernährungssti-
len, zur Stärkung sozialer Teilhabe und zur Vermeidung von Diskriminierung beitragen.

5. Die Vernetzungsstellen für die Kita- und Schulverpflegung werden als Kompetenzpartner durch den Bund
dauerhaft finanziell und personell mit mindestens zwei Mio. Euro im Jahr ausgestattet.

6. Die Mehrwertsteuer für die Gemeinschaftsverpflegung in Kitas und Schulen ist von derzeit 19 Prozent auf
den reduzierten Satz von sieben Prozent abzusenken. Dadurch werden die Ausgaben für die Verpflegung um
rund 1,4 Milliarden (Mrd.) Euro im Jahr gesenkt. Das entspricht 0,50 Euro je Kind und Verpflegungstag.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Finanzausschuss hat in seiner 111. Sitzung am 25. April 2017 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/8611 abzulehnen.

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 85. Sitzung am 20. Oktober 2016 mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen,
den Antrag auf Drucksache 18/8611 abzulehnen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 113. Sitzung am 25. April 2017 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/8611 abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat in seiner 90. Sitzung am 25. April 2017 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthal-
tung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/8611 abzulehnen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 113. Sitzung am 25. April 2017 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/8611 abzulehnen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat in seiner 94. Sitzung am 25. April
2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 18/8611
abzulehnen.

Drucksache 18/12178 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

1. Öffentliche Anhörung

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat in seiner 65. Sitzung am 17. Oktober 2016 zu dem Antrag
der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache 18/8611 eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Dazu wurden sieben
Sachverständige eingeladen.

Folgende Interessenvertreter und Institutionen sowie Einzelsachverständige hatten Gelegenheit zur Stellung-
nahme:

Interessenvertreter und Institutionen

− Stadt Nürnberg, Dr. Werner Ebert

− Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Angelika Reiter-Nüssle

Einzelsachverständige

– Marjaana Manninen, Finnish National Board of Education

– Dr. Anke Oepping, Universität Paderborn

– Beate Proll, Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (Hamburg)

– Sabine Schulz-Greve, Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Berlin e.V.

– Dr. Johanna Wolff, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer

Die Stadt Nürnberg, vertreten durch Dr. Werner Ebert, bemängelte, dass in ihrer Wahrnehmung Kinder in Kin-
dertagestätten (Kitas) und Schulen zu wenig über das Thema Landwirtschaft, Tierhaltung und gesundes Essen
wüssten. Die Stadt Nürnberg habe in dem Thema die Chance gesehen, die Versorgung der Bildungseinrichtungen
zu verbessern und die regionale Landwirtschaft zu fördern. Die Kommune habe sich zum Ziel gesetzt, bis zum
Jahr 2020 einen Bioanteil bei der Kitaverpflegung von bis zu 75 Prozent und für Schulen von 50 Prozent zu
erreichen. Dadurch sollen regionale Kreisläufe gefördert und die Großstadt als Markt für Betriebe im Umland
erschlossen werden. Der Sachverständige der Stadt Nürnberg plädierte dafür, die von der Deutschen Gesellschaft
für Ernährung (DGE) formulierten Qualitätsstandards für öffentliche Einrichtungen, die zur Orientierung öffent-
licher Einrichtungen und Anbieter dienen sollen, verbindlicher zu machen.

Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, vertreten durch Angelika
Reiter-Nüssle, stellte fest, dass es in Bezug auf einige im Antrag formulierte Ziele bei der Schulverpflegung –
dass sie gesund, abwechslungsreich, regional geprägt sein und Ökoprodukte mit enthalten sollte – Übereinstim-
mungen gebe. Allerdings setze es im Gegensatz zu den Antragstellern auf den Grundsatz „Freiwilligkeit vor Reg-
lementierung“, d. h., dass auf lokaler Ebene Schulen, Eltern und Kommunen gemeinsam die Verpflegung organi-
sierten. Zur Unterstützung seien in Bayern acht regionale Schulvernetzungsstellen eingerichtet worden, die die
Verantwortlichen beraten und betreuen würden. Bereits dadurch habe sich laut Evaluationen die Qualität des Es-
sens verbessert. Der Freistaat Bayern sehe sich auf dem Weg zu einer guten Verpflegung, aber es müsse noch
mehr getan werden. In der Praxis würden zum Beispiel viele Schulen vor Zertifizierungen zurückschrecken, weil
diese als zu kompliziert wahrgenommen würden, obwohl viele Einrichtungen alle nötigen Voraussetzungen dafür
erfüllen würden.

Die Einzelsachverständige Marjaana Manninen äußerte, Finnland habe gute Erfahrungen mit der kostenlosen
Kita- und Schulverpflegung gemacht. Die Schulverpflegung ergänze das Essen, das die Kinder zu Hause bekä-
men. Wegen ungesunder Essgewohnheiten sowie zu viel Fett- und Zuckeraufnahme habe auch in Finnland ein
immer größerer Teil der Kinder Übergewicht. Dies sei ein weltweites Problem und geradezu eine „Epidemie“.
Diesen Problemen zu begegnen, sei eine wichtige volkswirtschaftliche Aufgabe, weil sich solche Angewohnhei-
ten bis in das Erwachsenenalter auswirken würden. In Finnland werde ein unentgeltliches tägliches Schulessen
von den Schulklassen eins bis neun gesetzlich garantiert. Kinder hätten darauf einen Anspruch, dem entspre-
chende Bildungsanbieter durch staatliche Subventionen nachkommen könnten. Die Bildungsträger seien jedoch
frei, das Geld nach eigenem Ermessensspielraum einzusetzen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/12178
Die Einzelsachverständige Dr. Anke Oepping sah die Einbettung der Verpflegung in pädagogische Konzepte als
noch nicht gelungen an. Die DGE-Qualitätskriterien für die Schulverpflegung hob sie als eine gute Grundlage
hervor. Sie wies darauf hin, dass die Organisation der Verpflegung nicht nach einem einheitlichen Schema erfol-
gen könne. So sei unter anderem die Struktur in der Kitaverpflegung anders als in der Schulverpflegung. Im
Hinblick auf die Akzeptanz von Schulessen unter den Kindern und Jugendlichen verwies sie darauf, dass diese
nicht unbedingt mit der Freistellung der Mahlzeiten steigen müsse. Auch stelle sich eine Qualitätsverbesserung
durch kostenfreie Leistungen nicht ein, wenn die Infrastruktur vor Ort nicht stimme.

Die Einzelsachverständige Beate Proll stellte fest, eine der zu klärenden Grundsatzfragen im Bereich der Schul-
verpflegung sei, welche Instrumente angewandt würden, ob mit dem sog. Gießkannenprinzip gearbeitet werde –
gleiche Vorgaben für alle – oder ob eher durch schulspezifische Maßnahmen die Verpflegung an Schulen und
Kitas geregelt werden sollte, wenn dadurch Bildungsgerechtigkeit gefördert oder hergestellt werden solle. In
Hamburg sei die Ganztagsschule eher der Standard. Immer mehr Kinder und Jugendliche würden die Schulver-
pflegung nutzen. Die Einzelsachverständige hob hervor, dass im Sinne des Konzeptes der selbstverantwortlichen
Schule die Frage beantwortet werden müsse, wie viele „von oben“ getroffene Maßnahmen notwendig seien.

Die Einzelsachverständige Sabine Schulz-Greve betonte, die Vernetzungsstellen Schulverpflegung verstünden
sich als sog. Netzwerker an der Schnittstelle zwischen Bildung, Landwirtschaft und Gesundheit und würden mit
dem Ziel einer besseren Verpflegung alle „mit ins Boot nehmen“ wollen. Doch weil in den Ländern die Stellen
nur auf Basis von Projekten laufen würden, stehe die Dauerhaftigkeit der Arbeit in Frage. In der Regel gebe es
nur einjährige Förderungen, die eine stetige Arbeit und Personalplanung behinderten. Fortschritte würden den-
noch gemacht, weil im Rahmen von Ganztagsschulen das Mittagessen mittlerweile als Teil des Bildungspro-
gramms verstanden werde. Die Einzelsachverständige forderte, dass alle Schulträger nach den DGE-Standards
entsprechende Dienstleistungen ausschreiben sollten.

Die Einzelsachverständige Dr. Johanna Wolff merkte an, der Antrag würde eine Grundgesetzänderung in Bezug
auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern erforderlich machen. Es gelte, die Subsidiarität im
Föderalismus zu beachten, die den Bundesländern die Hoheit über Bildungsfragen zuweise. Zwar dürfen laut
Artikel 91b des Grundgesetzes (GG) der Bund und die Länder aufgrund überregionaler Bedeutung in Bildungs-
fragen zusammenarbeiten, jedoch müsse dann der Umfang der Kooperationsmöglichkeiten genau beschrieben
werden. Das Kooperationsverbot im Bildungsbereich komplett aufzuheben, wie im Antrag vorgeschlagen, sei zu
umfangreich und würde ohne Änderung des Grundgesetzes durch den Deutschen Bundestag und den Bundesrat
nicht gelingen. Auch müsste dafür eine politische Mehrheit gewonnen werden, die eher unwahrscheinlich zu or-
ganisieren sei.

Die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung vom 17. Oktober 2016 sind in die Beratungen des Ausschusses einge-
gangen. Das Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung sowie der Videomitschnitt des Parlamentsfernsehens von
der Anhörung sind der Öffentlichkeit über die Webseite des Deutschen Bundestages (www.bundestag.de) zu-
gänglich.

2. Abschließende Beratung

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat den Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache
18/8611 in seiner 81. Sitzung am 26. April 2017 abschließend beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU kritisierte, die Schilderung der Fraktion DIE LINKE. über den derzeitigen Zustand
der Kita- und Schulverpflegung, die Qualität der dabei angebotenen Essen sowie den Gesundheitszustand von
Kindern und Jugendlichen in Deutschland sei Schwarzmalerei angesichts der tatsächlichen Situation. Diese nega-
tive Darstellung sei auch gegenüber den Caterern, die in der Regel gute Produkte auslieferten, überzogen. In der
Frage der gesunden und ausgewogenen Ernährung von Kindern stünden deren Eltern weiterhin in der Pflicht. Die
Angebote der Ernährungsbildung müssten gleichermaßen an sie gerichtet sein. Das sei ein Schlüssel zur Lösung
für die derzeitigen Probleme u. a. beim Übergewicht von jungen Menschen. Durch das zu akzeptierende Koope-
rationsverbot im Bildungsbereich könne der Bund die Schulverpflegung nicht direkt finanzieren. Von Seiten des
Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) werde dennoch seit Jahren für eine Verbesserung
der Verpflegung in Kitas und Schulen sowie der vorschulischen und schulischen Ernährungsbildung in Deutsch-
land vieles getan. Zum Beispiel sei vor wenigen Monaten das Nationale Qualitätszentrum für Ernährung in Kita
und Schule (NQZ), das seit Februar 2017 im Rahmen des neuen Bundeszentrums für Ernährung (BZfE) tätig sei,
eingerichtet worden. Zudem habe das BMEL die Vernetzungsstellen für die Kita- und Schulverpflegung, die auch

Drucksache 18/12178 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Caterer und Schulträger berieten, seit 2008 mit insgesamt über 7,7 Millionen (Mio.) Euro gefördert und fördere
seit 2017 deren Projektarbeit mit jährlich bis zu einer Mio. Euro. Die im Antrag enthaltene Forderung nach einer
Mehrwertsteuerermäßigung für Schulessen halte sie – perspektivisch für die 19. Wahlperiode – für unterstüt-
zungswert.

Die Fraktion der SPD merkte an, sie stimme dem Antrag nicht zu. Er enthalte einige positive Ansätze, die aber
insbesondere durch das bestehende Kooperationsverbot, welches spätestens nach der Bundestagswahl im Sep-
tember 2017 aufgehoben gehöre, ins Leere liefen. Die Verpflegung an Kitas und Schulen gehöre derzeit in den
Bildungsbereich, der in die alleinige Zuständigkeit der Länder fiele. Viele der im Antrag der Fraktion DIE LINKE.
enthaltenen Forderungen seien kostenintensiv und überforderten die Beteiligten. Das gelte insbesondere für die
Forderung, alle Speisen in den Einrichtungen – Kitas und Schulen – direkt frisch zuzubereiten. Es handele sich
um einen schönen, aber nicht realisierbaren Ansatz, weil dann jede Einrichtung einen eigenen Koch haben müsste,
was finanziell nicht zu leisten wäre. Zuzustimmen sei den Antragstellern, dass ein ganzheitlicher Ansatz für die
Kita- und Schulverpflegung notwendig sei und Essen mehr als eine reine Nahrungsaufnahme bedeute. Im Antrag
finde außerdem der Faktor Bewegung zu wenig Beachtung. Kinder würden nicht alleine dadurch übergewichtig,
weil sie schlecht oder zu viel essen würden, sondern, weil ihnen ein gesundes Maß an Bewegung fehle. Die Frak-
tion der SPD setze sich dafür ein, dass alle Kinder und Jugendlichen in den Kitas und Schulen in Deutschland ein
qualitativ hochwertiges Essen zu angemessenen Preisen erhielten. Der Antragsforderung, die Qualitätsstandards
der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die Verpflegung in Kitas und für die Schulverpflegung bun-
desweit verbindlich einzuführen und damit nicht weiter auf unverbindliche Freiwilligkeit zu setzen, stimme sie
zu.

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, es sei allgemein bekannt, dass Kinder und Jugendliche in den Kitas und
Schulen beim Essen häufig schlecht versorgt würden. Zudem nähmen bei ihnen gesundheitliche Probleme durch
falsche Ernährungsgewohnheiten stetig zu. Die im Auftrag des BMEL erstellte Studie „Qualität der Schulverpfle-
gung“ habe die fehlende Qualität des Schulessens bestätigt. Daher bestehe in diesem Bereich dringender Hand-
lungsbedarf der Politik. Die Fraktion DIE LINKE. habe in den vergangenen Jahren in zahlreichen Gesprächen
mit unterschiedlichen Akteuren – u. a. Schülerinnen und Schülern, Lehrern, der DGE, den Vernetzungsstellen
,,Schulverpflegung“, Caterern, Köchen, Gewerkschaften sowie Sozialverbänden – ihren Antrag für ein Bundes-
programm Kita- und Schulverpflegung erarbeitet. Allen Kindern und Jugendlichen in Kitas und Schulen in
Deutschland müsse eine beitragsfreie, gesunde und qualitativ hochwertige Essensversorgung angeboten werden.
Die Kostenfreiheit dieses Angebotes sei elementar, weil ansonsten viele Kinder durch den „Rost“ fallen würden.
Hierbei sei die finanzielle Unterstützung des Bundes für die Länder bzw. für die Kommunen als Schulträger not-
wendig, damit diese ihre Angebote ermöglichen könnten. Die Mahlzeiten müssten zukünftig vor Ort frisch zube-
reitet werden, statt wie bisher extern gekocht und in den Einrichtungen warmgehalten werden. Die daraus resul-
tierende schlechte Qualität des Essens lehnten die jungen Menschen ab. Wichtig sei zudem die Beteiligung der
Kinder bei der Verpflegungsplanung. Viele Abgeordnete der anderen Fraktionen wüssten, dass der Weg in diese
Richtung führen müsse. Sie appelliere daher im Sinne der Kinder und Jugendlichen und erbitte deren Zustimmung
für den Antrag.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bemerkte, mit dem Analyseteil des Antrags der Fraktion DIE
LINKE. stimme sie inhaltlich überein, auch wenn die umfangreiche Begründung des Antrags ein „halber Roman“
sei. Trotzdem sei diese ein hilfreiches Kompendium für den Ist-Zustand im Bereich der Kita- und Schulverpfle-
gung in Deutschland. Dass Handlungsdruck auf diesem Politikfeld bestehe, sei über alle Fraktionsgrenzen hinweg
unstrittig. Er sei allseits bekannt und werde von niemandem im Ausschuss in Frage gestellt. Die Umstandsbe-
schreibungen des Antrags träfen zu. Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehe die hohe Bedeutung
einer gesunden Kita- und Schulverpflegung. Deren unbefriedigender derzeitiger Zustand werde von ihr ebenfalls
seit langem kritisiert. Sowohl mehr finanzielle Mittel als auch eine stärkere Beteiligung des Bundes, Stichwort
„Kooperationsverbot“, seien ein dringend zu lösendes Problem. Ohne Zweifel seien im Interesse der Kinder und
Jugendlichen hohe Anforderungen und ambitionierte Ziele bei der Gemeinschaftsverpflegung richtig. Gleichwohl
habe sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den letzten Jahren nicht für eine kostenlose Verpflegung
mit der „Gießkanne“ ausgesprochen, sondern für ein gestaffeltes System, wie es sich zum Beispiel im Land Berlin
bewährt habe. Das im Antrag der Fraktion DIE LINKE. geschilderte Vorhaben käme einer „Gießkanne“ mit nicht
finanzierbarem Umfang gleich.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/12178
3. Abstimmungsergebnis

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft beschloss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, dem Deutschen Bundestag zu empfehlen, den Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache
18/8611 abzulehnen.

Berlin, den 26. April 2017

Katharina Landgraf
Berichterstatterin

Jeannine Pflugradt
Berichterstatterin

Karin Binder
Berichterstatterin

Harald Ebner
Berichterstatter

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

2. Abschließende Beratung

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.