BT-Drucksache 18/12177

zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/11599 - Einen armutsfesten gesetzlichen Mindestlohn sicherstellen

Vom 27. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12177
18. Wahlperiode 27.04.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald,
Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/11599 –

Einen armutsfesten gesetzlichen Mindestlohn sicherstellen

A. Problem
Der gesetzliche Mindestlohn von gegenwärtig 8,84 Euro pro Stunde reicht nach
den Worten der antragstellenden Fraktion nicht aus, um Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in Vollzeitbeschäftigung vor Armut zu bewahren. Vor allem in Bal-
lungszentren seien Beschäftigte trotz Mindestlohn und Vollzeitarbeit regelmäßig
auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen.

B. Lösung
Die Fraktion DIE LINKE. fordert, den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro je
Zeitstunde zu erhöhen (§ 1 Absatz 2 des Mindestlohngesetzes) und klarzustellen,
dass dieser dem regelmäßig gezahlten Grundentgelt für eine Zeitstunde entspre-
che, Sonderzahlungen, Zulagen, Prämien, Zuschläge, Sachleistungen oder Auf-
wendungsersatzleistungen zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn zu leisten
seien. Sämtliche Ausnahmen, Einschränkungen und Übergangsregelungen für
den gesetzlichen Mindestlohn seien unverzüglich aufzuheben.
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Genaue Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.

Drucksache 18/12177 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/11599 abzulehnen.

Berlin, den 26. April 2017

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Kerstin Griese
Vorsitzende

Klaus Ernst
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12177
Bericht des Abgeordneten Klaus Ernst

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/11599 ist in der 225. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. März 2017 an
den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung sowie an den Ausschuss für Wirtschaft und
Energie zur Mitberatung überwiesen worden.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Trotz des zum 1. Januar 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro und dessen mode-
rater Erhöhung zum 1. Januar 2017 auf 8,84 Euro brutto pro Stunde habe sich die Armut in Deutschland verfestigt,
heißt es in der Antragsbegründung. Mit monatlich 1445 Euro brutto (bei durchschnittlicher tariflicher Wochenar-
beitszeit von 37,7 Stunden) liege der Mindestlohn weiter deutlich unter der international anerkannten Niedrig-
lohnschwelle von zwei Dritteln des mittleren Einkommens (in Deutschland für 2015 2056 Euro brutto). Zwischen
dem Beginn der Neunzigerjahre und 2002/2003 habe die Lohnquote, also der Anteil der Löhne und Gehälter am
gesamten Einkommen einschließlich Gewinnen und Vermögenserträgen, recht stabil etwas über 70 Prozent gele-
gen, zeitweise bei knapp 72 Prozent. Im Jahr 2007, zum Ausbruch der Finanzkrise, habe die Lohnquote bei nur
noch 63 Prozent gelegen und sei trotz steigender Tendenz mit 68 Prozent immer noch deutlich unter dem Niveau
von 2002/2003 (Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, eigene Berechnungen). Aber
auch in der Gruppe der Lohnempfängerinnen und Lohnempfänger öffne sich die Einkommensschere zusehends.
Während die Haushalte mit den höchsten Einkommen zwischen 1991 und 2014 Einkommenszuwächse von
27 Prozent hätten verzeichnen können, hätten die einkommensschwächsten Haushalte einen Verlust von acht Pro-
zent hinnehmen müssen.

III. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat den Antrag auf Drucksache 18/11599 in seiner Sitzung am
26. April 2017 beraten und dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des Antrags auf Drucksache 18/11599 in seiner 113. Sit-
zung am 26. April 2017 aufgenommen und dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung
des Antrags empfohlen.
Die Fraktion der CDU/CSU verwies darauf, dass in Deutschland die Tarifparteien für das Aushandeln der Löhne
zuständig seien. Dies sei nicht Sache des Staates. Die Koalition habe die Festlegung der Mindestlohnhöhe bewusst
einer Kommission anvertraut, um einen politischen Überbietungswettbewerb beispielsweise in Wahlkämpfen zu
verhindern. Dem Hauptargument des Antrags müsse man widersprechen: Der Mindestlohn entspreche nicht dem
„gerechten Lohn“, sei also nicht so angelegt, dass er die Lebenshaltungskosten in jedem Falle decken könne.
Vielmehr habe er eine ordnungspolitische Funktion und solle den Wettbewerb ordnen. Seine Aufgabe liege haupt-
sächlich in der Marktregulierung. Es gebe keine Möglichkeit, den Mindestlohn zur Deckung der Lebenshaltungs-
kosten auszugestalten; denn dazu müsste er beispielsweise regionale Unterschiede berücksichtigen. Entsprechend
werde man den Antrag ablehnen.
Die Fraktion der SPD erinnerte daran, dass DIE LINKE. der Einführung des flächendeckenden Mindestlohns
im Bundestag die Zustimmung verweigert habe. Sie habe nicht für die Durchsetzung dieses Jahrhundertprojekts
gesorgt, dass vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Verbesserungen gebracht habe. So hätten rund 4 Mio.
Beschäftigte mit dem Gesetz mehr Geld in der Tasche. Zweck des Mindestlohns sei es, in Arbeitsverhältnissen

Drucksache 18/12177 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
einen angemessenen Mindestschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu gewährleisten. Der gesetzli-
che Mindestlohn markiere eine unterste Haltelinie. Im Übrigen sei die Schaffung angemessener Löhne und Ent-
geltstrukturen durch Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes den Tarifvertragsparteien überantwortet. Mit dem Min-
destlohngesetz habe die Koalition bewusst auf die Anpassung und Festlegung der Mindestlohnhöhe durch die
Politik verzichtet und stattdessen eine Kommission damit beauftragt. So würden Arbeitgeber und Gewerkschaften
in diesen Prozess einbezogen. Das stärke die Tarifautonomie. Bewusst habe man bei der Einführung des gesetz-
lichen Mindestlohns auch auf regionale Unterschiede z. B. zwischen Ost und West verzichtet und eine Höhe für
das gesamte Land einheitlich festgelegt. Die im Mindestlohngesetz vorgesehene Ausnahme bei Langzeitarbeits-
losen stelle einen Kompromiss mit dem Koalitionspartner dar. Der Antrag treffe falsche Feststellungen. So ver-
kenne er u. a., dass Praktika keine Arbeitsverhältnisse seien, sondern Lernverhältnisse.
Die Fraktion DIE LINKE. kritisierte, dass der Mindestlohn von Anfang an gravierende Fehler habe. Er sei zu
niedrig angesetzt und mache zu viele Ausnahmen. Der Antrag solle dies beseitigen. Der aktuelle Mindestlohn von
8,84 Euro führe dazu, dass viele Menschen in den Ballungsräumen selbst mit Vollzeitarbeit ihre Mieten nicht
mehr aus eigener Kraft aufbringen könnten. Sie blieben unter der Grundsicherungsschwelle. Auch könne jemand,
der sein ganzes Leben lang Mindestlohn verdiene, keine Rente über der Grundsicherungsgrenze erarbeiten. Damit
verfehle der Mindestlohn sein Ziel. Dafür sei ein Mindestlohn in Höhe von zwölf Euro nötig. Bisher habe das
wirtschaftlich stärkste Land Europas einen besonders niedrigen Mindestlohn. Zudem seien die Ausnahmen des
Gesetzes nicht angebracht und müssten gestrichen werden.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sah die Aufgabe des gesetzlichen Mindestlohnes vorrangig darin,
die „Schmutzkonkurrenz“ in der Wirtschaft zu verhindern. Insofern habe er eine ordnungspolitische Funktion.
Allerdings könnten nicht alle sozialen Probleme mit dem Mindestlohn gelöst werden. So sollten Probleme mit
unzureichenden Renten beispielsweise durch eine Garantierente gelöst werden. Die Probleme durch hohe Mieten
durch die Wohnungsbaupolitik etc. Andernfalls müsste der Mindestlohn regional in unterschiedlichen Höhen aus-
gestaltet werden. Davon könne man nur abraten. Dies sei auch politisch nicht gewollt. Zu bedenken sei aber, dass
die Festlegung des Mindestlohns die Balance halten müsse – zwischen einer Höhe, die Arbeitsplätze vernichten
würde einerseits und der sozialpolitischen Aufgabe, Lohngerechtigkeit zu schaffen andererseits. Ein Mindestlohn
in Höhe von zwölf Euro, wie von der Fraktion DIE LINKE. gefordert, hätte mit Sicherheit zur Vernichtung von
Arbeitsplätzen geführt und eine Akzeptanz für den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland verhin-
dert.

Berlin, den 26. April 2017

Klaus Ernst
Berichterstatter

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