BT-Drucksache 18/12036

Rekrutierung und Umgang mit Minderjährigen in der Bundeswehr

Vom 12. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12036
18. Wahlperiode 12.04.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Kunert, Christine Buchholz, Annette Groth, Inge Höger,
Andrej Hunko, Michael Leutert, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Rekrutierung und Umgang mit Minderjährigen in der Bundeswehr

Laut der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) gelten Personen
unterhalb der Volljährigkeitsgrenze von 18 Jahren als Kinder. Das Zusatzproto-
koll zur UN-Kinderrechtskonvention untersagt die Zwangsrekrutierung von Kin-
dern für bewaffnete Konflikte. Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den
wenigen Vertragstaaten, die von der Ausnahmeregelung des Fakultativprotokolls
Gebrauch machen und minderjährige Freiwillige für die eigenen Streitkräfte an-
werben. In der Praxis betrifft dies Freiwillige Wehrdienstleistende und Soldatin-
nen und Soldaten auf Zeit, die meist als 17-Jährige eine militärische Ausbildung
bei der Bundeswehr beginnen.
Die Bundeswehr trägt nach Auffassung der Fragesteller eine besondere Verant-
wortung für minderjährige Auszubildende, da das Berufsbild des Soldaten bzw.
der Soldatin nicht zivilen Ausbildungsberufen gleichgestellt werden kann. Sein
Kernauftrag beinhaltet das Risiko, in konkreten Gefechtssituationen andere Men-
schen töten zu müssen bzw. selbst getötet zu werden.
Es sind daher ebenso besondere Ansprüche an den persönlichen Reifegrad und
die Reflexionsfähigkeiten der Auszubildenden zu stellen, um die Tragweite einer
etwaigen Dienstverpflichtung bei der Bundeswehr richtig abzuschätzen. Nach
Ansicht der Fragesteller sind diese Voraussetzungen bei unter 18-Jährigen oft
nicht hinreichend erfüllt. Die Fragesteller befürworten deshalb mit Nachdruck die
strikte Anwendung der Volljährigkeitsregel der UN-Kinderrechtskonvention von
18 Jahren auch für die Aufnahme einer militärischen Ausbildung bei der Bundes-
wehr.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Minderjährige haben im Jahr 2016 den Dienst bei der Bundeswehr

angetreten (bitte nach Freiwilligen Wehrdienstleistenden und Soldaten auf
Zeit sowie nach Geschlecht aufschlüsseln)?

2. Wie schlüsseln sich die von der Bundesregierung in der Antwort zu Frage 2
auf Bundestagsdrucksache 18/7459 genannten Zahlen über die Dienstein-
tritte bei der Bundeswehr im Zeitraum von 2011 bis 2015 auf Freiwillige
Wehrdienstleistende und Soldaten auf Zeit auf (bitte pro Jahr und nach Ge-
schlecht auflisten)?

3. Wie viele der im Zeitraum von 2011 bis 2016 im Dienst bei der Bundeswehr
eingetretenen Rekrutinnen und Rekruten waren zum Zeitpunkt des Beginns
des Auswahlverfahrens jünger als 17 Jahre (bitte pro Jahr und nach Ge-
schlecht auflisten)?

Drucksache 18/12036 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen Regelungen zur Probezeit
bzw. zum Widerrufsrecht bei Zeitsoldaten im Hinblick auf die Einhaltung
der Altersgrenze der UN-Kinderrechtskonvention bzw. des Freiwilligkeits-
prinzips bei der Rekrutierung gemäß dem UN-Zusatzprotokoll über Kinder
in bewaffneten Konflikten?
a) Wie viele Freiwillige Wehrdienstleistende sowie Soldatinnen und Solda-

ten auf Zeit sind im Zeitraum von 2011 bis 2016 nach Ablauf ihrer Pro-
bezeit immer noch nicht volljährig und bei der Bundeswehr beschäftigt
gewesen (bitte getrennt, pro Jahr und Geschlecht auflisten)?

b) Wie viele Soldatinnen und Soldaten auf Zeit, die im Zeitraum von 2011
bis 2016 als unter 18-Jährige eine militärische Ausbildung bei der Bun-
deswehr aufgenommen haben, haben von der Möglichkeit Gebrauch ge-
macht, eine Verpflichtungserklärung auf Widerruf abzuschließen, und
wie viele davon haben bislang ihre Widerrufsoption tatsächlich ausgeübt
und sind innerhalb der sechsmonatigen Frist aus dem Dienst ausgeschie-
den (bitte pro Jahr, Dienstgrad und Geschlecht auflisten)?

c) In wie vielen Fällen wurde Soldatinnen und Soldaten, die zum Einstel-
lungszeitpunkt noch minderjährig waren, in den zurückliegenden fünf
Jahren das Beschäftigungsverhältnis durch den Dienstherrn gekündigt
(bitte pro Jahr, Dienstgrad und Geschlecht auflisten)?

5. Wie werden nach Kenntnis der Bundesregierung die voneinander abweichen-
den Bestimmungen zur grundsätzlich zulässigen Wochenarbeitszeit nach § 8
des Jugendschutzgesetzes und § 30c des Soldatengesetzes im Fall von
minderjährigen Auszubildenden bei der Bundeswehr praktisch umgesetzt,
und wie wird die Einhaltung der Arbeitszeit kontrolliert (bitte erläutern)?

6. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, den Empfehlungen der Kinder-
kommission des Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode nachzukom-
men, um die Erstellung von sozialwissenschaftlichen Untersuchungen in Auf-
trag zu gegeben, die speziell die Situation sowie Erfahrungen minderjähriger
Rekrutinnen und Rekruten unter besonderer Berücksichtigung des spezifi-
schen Schutzbedarfs Minderjähriger analysieren (vgl. https://www.bundestag.
de/blob/482006/b8fa4487dcd13f0730e96386957ddcff/stellungnahme_militaer_
und_jugend_in_deutschland-data.pdf, abgerufen am 4. April 2017), und bei
welcher Einrichtung hat die Bundesregierung vielleicht schon mit welchem
(Zwischen-)Ergebnis entsprechende Studien in Auftrag gegeben, oder beab-
sichtigt sie dies in nächster Zeit (bitte erläutern)?

7. Wie viele Fälle von menschlich entwürdigenden Aufnahmeritualen und ge-
walttätigen Übergriffen gegenüber minderjährigen Rekrutinnen und Rekruten
innerhalb der Bundeswehr haben nach Kenntnis der Bundesregierung in den
zurückliegenden fünf Jahren stattgefunden, worin bestanden diese, und wel-
che Konsequenzen zieht die Bundeswehr aus den jüngsten Vorfällen bei der
Sanitätsausbildung an der Staufer-Kaserne in Pfullendorf (vgl. www.spiegel.
de/politik/deutschland/bundeswehr-skandal-in-pfullendorf-sadistische-
praktiken-in-der-ausbildung-a-1134529.html), um die Sicherheit und den be-
sonderen Schutzbedarf von minderjährigen Auszubildenden zu gewährleis-
ten (bitte pro Jahr auflisten bzw. erläutern)?

Berlin, den 11. April 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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