BT-Drucksache 18/1203

Auswirkungen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung

Vom 16. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1203
18. Wahlperiode 16.04.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Inge Höger,
Katja Kipping, Azize Tank, Kathrin Vogler, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und
der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Finanzierung
der gesetzlichen Krankenversicherung

Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz (GKV: gesetzliche Krankenversicherung)
wurde der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Januar
2011 von 14,9 auf 15,5 Prozent erhöht. Damit wurde eine mehr als ausreichende
Finanzierung des Gesundheitsfonds und infolge auch der Krankenkassen er-
reicht. Trotz der großen Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
der einzelnen Krankenkassen konnten dadurch Zusatzbeiträge bei den Kranken-
kassen verhindert werden. Bekanntlich konnten sogar Rücklagen bei Gesund-
heitsfonds und Krankenkassen aufgebaut werden, wie es sie in dieser Höhe noch
nie gab.
Wenn das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG) wie geplant umgesetzt
und der Beitragssatz auf 14,6 Prozent reduziert wird, wird sich dies ändern. Die
CDU, CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag verabredet, dass flächen-
deckend Zusatzbeiträge eingeführt werden, die ausschließlich die Versicherten
zahlen müssen, ohne Beteiligung der Arbeitgeber oder der Rentenversiche-
rungsträger.
Nicht nur die Absenkung des Beitragssatzes, sondern auch andere von der Bun-
desregierung und der Koalition initiierte Maßnahmen schwächen die Finanzlage
der gesetzlichen Krankenversicherung. Exemplarisch seien hier die Absenkung
des Bundeszuschusses, die Absenkung des Herstellerrabatts und der Wegfall der
Nutzenbewertung für Arzneimittel des Bestandsmarktes genannt.
Dazu kommt der langjährige Trend, dass Löhne und erst recht Renten, aus denen
sich die Beitragseinnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung speisen,
langsamer wachsen als die Ausgaben. Daraus ergibt sich ein stetiger Druck auf
den Beitragssatz. Von ständigen Ausgabenkürzungen und einer ausufernden
Steuerfinanzierung abgesehen, wäre dieses Problem nur zu lösen, indem die
Koalition auch auf Unternehmensgewinne und Kapitaleinkommen Beiträge er-
heben würde. Denn diese wachsen schneller als Löhne und Renten und damit
wüchse auch die Grundlohnsumme schneller als bisher. So könnte der Druck auf
den Beitragssatz zu einem großen Teil genommen werden. Eine solche Maß-
nahme plant die Koalition jedoch nicht.

Drucksache 18/1203 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Folge ist, dass ab dem Jahr 2015 fast alle oder alle Krankenkassen Zusatz-
beiträge von ihren Mitgliedern erheben werden müssen. Steigerungen der Zu-
satzbeiträge in den Folgejahren sind abzusehen. Sämtliche Beitragssatzsteige-
rungen werden die Versicherten alleine ohne Beteiligung der Arbeitgeber und der
Rentenversicherungsträger und ohne Begrenzung der Höhe finanzieren müssen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Beitragseinnahmen konnten in den vergangenen zehn Jahren pro

Beitragssatzpunkt generiert werden (bitte pro Jahr auflisten)?
Welche Steigerungen pro Jahr wurden realisiert, und was ist der Durch-
schnitt der Steigerungen pro Jahr auf diese zehn Jahre gerechnet?

2. Wie stark wuchsen die Ausgaben der Krankenkassen in diesen zehn Jahren
(bitte absolut und als Prozentsatz pro Jahr angeben)?
Welche durchschnittlichen Steigerungen pro Jahr ergeben sich daraus ab-
solut und relativ in diesen zehn Jahren?

3. Wie haben sich die Ausgaben für die Bereiche Arzneimittel, Krankenhaus-
behandlung, ärztliche Behandlung, zahnärztliche Behandlung und Heil-
und Hilfsmittel über die letzten zehn Jahre entwickelt?

4. Welche Beitragssatzsteigerungen sind in diesen zehn Jahren erfolgt, und
welcher Anteil daran geht auf die Differenz zwischen den Steigerungen der
Grundlohnsumme bzw. der Steigerung der Beitragseinnahmen pro Prozent-
punkt Beitragssatz (vgl. Frage 1) und der Steigerung der Ausgaben zurück?

5. Plant die Bundesregierung größere Veränderungen an den zukünftigen Aus-
gaben der GKV oder größere Veränderungen am Bundeszuschuss, die eine
Fortschreibung dieses Geschehens (ohne die Einmaleffekte von Verände-
rungen der Rücklagen des Gesundheitsfonds oder der Krankenkassen) auf
die Jahre bis 2017/2018 beeinflussen würden oder unplausibel machen?

6. Wie hoch werden die durchschnittlichen Zusatzbeiträge in den Jahren 2015
bis 2018 unter dieser Prämisse ausfallen?

7. Falls die Bundesregierung diesen Rechnungen nicht folgen will, mit wel-
cher Höhe von durchschnittlichen Zusatzbeiträgen rechnet die Bundes-
regierung in diesen Jahren, bzw. welche Zusatzbeiträge werden angestrebt?

8. Will die Bundesregierung entgegen dem Gesetzentwurf des GKV-FQWG
eine Grenze für die maximale Höhe bzw. den maximalen Anteil der Zusatz-
beiträge an der GKV-Finanzierung einführen, wie es Teile des SPD-Koali-
tionspartners fordern und es angeblich eine Protokollnotiz zum Koalitions-
vertrag vorsieht („Protokollnotiz soll SPD ködern“ vom 30. November
2014, Frankfurter Rundschau)?
Wenn ja, welche Grenze ist hier geplant?

9. Mit wie vielen Krankenkassen rechnet die Bundesregierung, die ab dem
1. Januar 2015 keine Zusatzbeiträge erheben werden?
Wie viele Versicherte wird dies betreffen?
Wird es Krankenkassen geben, die dies ohne einen Zugriff auf ihr Vermö-
gen leisten können werden?
Wenn ja, wie viele mit wie vielen Versicherten?

10. Mit wie vielen Krankenkassen rechnet die Bundesregierung, die ab dem
1. Januar 2015 Zusatzbeiträge von 0,01 bis 0,8 Prozent erheben werden,
also die Gesamtbelastung der Versicherten niedriger sein wird, als im Status
quo vor der Abschaffung des Sonderbeitrags?
Wie viele Mitglieder bzw. Versicherte wird dies betreffen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1203
11. Mit wie vielen Krankenkassen rechnet die Bundesregierung, die ab dem
1. Januar 2015 Zusatzbeiträge von 0,81 bis 0,99 Prozent erheben werden,
bei denen also die Gesamtbelastung der Versicherten in etwa gleich sein
wird, wie im Status quo vor der Abschaffung des Sonderbeitrags?
Wie viele Mitglieder bzw. Versicherte wird dies betreffen?

12. Mit wie vielen Krankenkassen rechnet die Bundesregierung, die ab dem
1. Januar 2015 Zusatzbeiträge von 1,0 Prozent und mehr erheben werden,
bei denen also die Gesamtbelastung der Versicherten höher sein wird, als im
Status quo vor der Abschaffung des Sonderbeitrags?
Wie viele Mitglieder bzw. Versicherte wird dies betreffen?

13. Welche finanziellen Belastungen in welcher Höhe wurden von der aktuellen
Koalition bereits beschlossen (bitte alle Maßnahmen auflisten, auch wenn
bislang lediglich ein grundsätzlicher Beschluss mit guter Aussicht auf Ver-
wirklichung und noch kein Referentenentwurf vorliegt, und bitte auch – so-
fern per Schätzung möglich – die Belastungen für die Folgejahre bis zum
Jahr 2018 angeben)?
Welchen Anteil machen hieran die Absenkung des Bundeszuschusses, die
Absenkung des Herstellerrabatts von 16 auf 7 Prozent sowie der Wegfall
des Bestandsmarktaufrufes aus?

14. Wie vielen Beitragssatzpunkten entsprechen diese Belastungen in den Jah-
ren 2014 bis 2018?

15. Welche Renditen erzielte die Liquiditätsreserve in den Jahren ab dem Jahr
2009 (bitte absolut und relativ angeben)?

16. Welche Renditen erzielten die Krankenkassen mit ihren Rücklagen durch-
schnittlich in den Jahren ab dem Jahr 2009 (bitte absolut und relativ ange-
ben)?
Wie hoch sind die höchsten, und wie hoch die niedrigsten Erträge einzelner
Krankenkassen jeweils in den Jahren seit dem Jahr 2009 gewesen?

17. Wie unterschiedlich sind derzeit die Krankenkassen mit Rücklagen ausge-
stattet (bitte so beantworten, dass zwar keine Rückschlüsse auf einzelne
Krankenkassen möglich sind, aber auch eine substantielle Antwort im
Sinne der Auskunftspflicht der Bundesregierung im Rahmen des parlamen-
tarischen Fragerechts möglich ist)?

18. Wie viele Krankenkassen haben negative Rücklagen bzw. Rücklagen, die
nicht dem Rücklagensoll nach § 261 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
entsprechen?

Berlin, den 16. April 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.