BT-Drucksache 18/11976

Preisentwicklung und ärztliche Betreuung bei Cannabismedizin

Vom 10. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11976
18. Wahlperiode 10.04.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Sabine Zimmermann (Zwickau), Ulla Jelpke,
Katja Kipping, Jan Korte, Katrin Kunert, Harald Petzold (Havelland),
Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Preisentwicklung und ärztliche Betreuung bei Cannabismedizin

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und an-
derer Vorschriften (Bundestagsdrucksache 18/8965) am 10. März 2017 ist Can-
nabis ein verschreibungsfähiges Medikament, ohne dass die Patientinnen und Pa-
tienten noch einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 des Betäubungs-
mittelgesetzes (BtMG) bedürfen.
Auffallend ist nach Inkrafttreten des Gesetzes die Preisentwicklung für Cannabis-
blüten: „Verordnet der Arzt Cannabisblüten, sind diese als Rezepturarzneimittel
mit der Kennzeichnung gemäß § 14 ApBetrO in der Apotheke abzugeben. Das
bedeutet: Werden die Blüten in unverändertem Zustand umgefüllt, abgefüllt, ab-
gepackt oder gekennzeichnet an den Patienten abgegeben, ist der Preis nach § 4
AMPreisV zu bilden. Werden Cannabisblüten gemäß NRF-Vorschriften, das heißt
unter Zerkleinern und Sieben der Droge und ggf. Abpackung in Einzeldosen,
zu einem Rezepturarzneimittel verarbeitet, gilt § 5 AMPreisV“, erörtert die Deut-
sche Apothekerzeitung die Ausführungen der Bundesapothekerkammer (BAK)
(Quelle: www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/03/20/faq-cannabis-
als-medizin/chapter:all). Im Ergebnis berichten Cannabispatientinnen und Can-
nabispatienten von Preissteigerungen um bis zu 100 Prozent. Angesichts noch un-
bearbeiteter Anträge durch die medizinischen Dienste der gesetzlichen Kranken-
kassen kann dies eine unmittelbare finanzielle Verschlechterung für Cannabispa-
tientinnen und Cannabispatienten bedeuten, sofern sie Cannabis als Rezepturarz-
neimittel beziehen.
Zudem ist den Fragestellern ein Fall bekannt, bei dem die Krankenkasse die Kos-
tenerstattung bei einem Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Ab-
satz 2 BtMG im Fall einer Erkrankung an ADHS und Depression mit der Begrün-
dung abgelehnt hat, dass die Behandlung mit Dronabinol keine Aussicht auf Er-
folg habe und nicht alle Therapiealternativen ausgeschöpft seien. Angesichts von
14 Prozent ADHS- und 7 Prozent Depression-Erkrankten (Antwort zu Frage 5
auf Bundestagdrucksache 18/11701) unter den Inhaberinnen und Inhabern einer
Besitzerlaubnis für Cannabis ist die Entscheidung durch die Krankenkasse ein
Hinweis dafür, dass für eine Vielzahl von bisherigen Cannabispatientinnen und
Cannabispatienten eine nicht intendierte Verschlechterung in der medizinischen
Versorgung durch das neue Gesetz einhergehen könnte.

Drucksache 18/11976 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welchem durchschnittlichen Niveau lagen die Apotheken-Abgabepreise
für Cannabisblüten nach Kenntnis der Bundesregierung vor Inkrafttreten des
Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschrif-
ten am 10. März 2017?

2. Auf welchem durchschnittlichen Niveau liegen die Apotheken-Abgabepreise
für Cannabisblüten nach Kenntnis der Bundesregierung nach Inkrafttreten
des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vor-
schriften am 10. März 2017 (bitte nach Cannabisblüten als Fertigarzneimittel
und Rezepturarzneimittel aufschlüsseln)?

3. Inwiefern sind Cannabisblüten, die bislang auf Grundlage einer Genehmi-
gung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
nach § 3 Absatz 2 BtMG abgegeben wurden, nach Kenntnis der Bundesre-
gierung als Rezepturarzneimittel zu behandeln gewesen?

4. Wie bewertet die Bundesregierung ihre Aussage, dass „Auswirkungen auf
die Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucher-
preisniveau, … nicht zu erwarten,“ seien (S. 20, Bundestagsdrucksache
18/8965), angesichts der Anwendung von § 5 der Arzneimittelpreisverord-
nung (AMPreisV) bzw. vertraglicher Übereinkünfte, wonach Apotheken bei
Rezepturarzneimitteln einen Festzuschlag von 90 Prozent auf die Apothe-
keneinkaufspreise und einen Zuschlag für die Rezepturherstellung zu erhe-
ben haben?

5. Inwiefern sind die Cannabisprodukte, die in der Zukunft über die Cannabis-
Agentur an die Apotheken geliefert werden, ebenfalls als Rezeptur-Ausgangs-
stoffe zu behandeln?

6. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in anderen EU-Staaten Zulas-
sungen für Cannabisblüten als Fertigarzneimittel, und falls ja, inwiefern kön-
nen diese speziell von Ärztinnen und Ärzten nach § 31 Absatz 6 des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) verordnet bzw. durch Apotheken als Ein-
zelimport nach § 73 Absatz 3 des Arzneimittelgesetztes – AMG eingeführt
und abgegeben werden?

7. Welche zugelassenen Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis mit einer Zulas-
sung im EU- und Nicht-EU-Ausland sind der Bundesregierung bekannt?
Inwiefern können diese nach § 31 Absatz 6 SGB V verordnet, nach § 73 Ab-
satz 3 AMG importiert und über die Krankenkasse erstattet werden?

8. Inwiefern dürfen Cannabispatientinnen und Cannabispatienten mit einer
noch gültigen Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 BtMG Medizinal-
Cannabisblüten aus einer Apotheke aus dem EU-Ausland (v. a. den Nieder-
landen) nach Deutschland einführen und besitzen?

9. Inwiefern dürfen Cannabispatientinnen und Cannabispatienten mit einer
noch gültigen Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 BtMG die Kosten
für Medizinal-Cannabisblüten aus einer Apotheke aus dem EU-Ausland über
die Krankenkassen erstatten lassen?

10. Inwiefern dürfen Cannabispatientinnen und Cannabispatienten mit einem
BtM-Rezept Cannabisblüten aus einer Apotheke aus dem EU-Ausland nach
Deutschland einführen und besitzen?

11. Inwiefern dürfen Cannabispatientinnen und Cannabispatienten mit einem
BtM-Rezept die Kosten für Cannabisblüten aus einer Apotheke aus dem EU-
Ausland über die gesetzlichen Krankenkassen erstatten lassen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11976

12. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, bei denen Krankenkassen die Kos-

tenerstattung bei Patientinnen und Patienten mit einer Cannabis-Verordnung
nach § 31 Absatz 6 SGB V abgelehnt haben?

13. Inwiefern entsprach es dem politischen Willen der Bundesregierung, dass die
gesetzlichen Krankenkassen auf den neuen Anspruch auf Versorgung mit
Cannabis-Arzneimitteln nach § 31 Absatz 6 SGB V zumindest keine stren-
geren Kriterien anwenden als zuvor das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) bei der Ausstellung von Ausnahmegenehmigun-
gen nach § 3 Absatz 2 BtMG?

14. Was empfiehlt die Bundesregierung Patientinnen und Patienten mit einer
Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 BtMG, deren Anträge bei den
Krankenkassen zur Kostenerstattung trotz eindeutiger ärztlicher Gutachten
abgelehnt wurden?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die Ablehnung von Erstattungsanträgen
bei Patientinnen und Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung nach § 3
Absatz 2 BtMG, obwohl zuvor die Bundesopiumstelle im Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmeerlaubnis zum
Erwerb von Cannabis zum Zweck der ärztlich begleiteten Selbsttherapie nur
in denjenigen Fällen erteilen durfte, in denen keine weiteren Therapieoptio-
nen mit zugelassenen bzw. verfügbaren Arzneimitteln bestehen und nach bis-
heriger Verfahrenspraxis eine Therapieoption auch in denjenigen Fällen
nicht zur Verfügung steht, wenn unzumutbare Nebenwirkungen zum Ab-
bruch einer Therapie mit einem zuvor angewendeten Arzneimittel geführt
haben (S. 6, Bundestagsdrucksache 18/8953)?

16. Inwiefern geht die Bundesregierung davon aus, dass bei Indikationen, für die
das BfArM Genehmigungen zum Cannabisbesitz erteilt hat (vgl. Antwort zu
Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 18/11701), grundsätzlich „eine nicht
ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf
den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht“ und da-
mit die Anforderung nach § 31 Absatz 6 Nummer 2 SGB V im Regelfall er-
füllt ist?

17. Inwiefern beobachtet das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde ak-
tiv den Umgang der bundesunmittelbaren Krankenkassen mit dem neuen
Leistungsanspruch von Cannabis als Medizin?

18. Wie schätzt die Bundesregierung ihre getätigte Aussage ein, wonach die
Bundesregierung davon ausgeht, „dass die gesetzlichen Krankenkassen ihre
gesetzlichen Leistungsverpflichtungen erfüllen werden“ (S. 7, Bundes-
tagsdrucksache 18/8953), angesichts abgelehnter Anträge zur Kostenerstat-
tung bei Patientinnen und Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung
nach § 3 Absatz 2 BtMG?

19. Welche Ärztinnen und Ärzte haben insgesamt zum Stichtag des Inkrafttre-
tens des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer
Vorschriften am 10. März 2017 Cannabispatientinnen und Cannabispatien-
ten mit einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 BtMG betreut (bitte
tabellarisch anonymisiert nach Postleitzahl, Kommune und Bundesland so-
wie nach Ärztinnen und Ärzten mit und ohne kassenärztliche Zulassung auf-
schlüsseln)?

20. Woher kamen die Patientinnen und Patienten mit einer Ausnahmegenehmi-
gung nach § 3 Absatz 2 BtMG zum Stichtag am 10. März 2017 (bitte nach
Postleitzahl, Kommune und Bundesland auflisten)?

Drucksache 18/11976 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

21. Welche Ärztinnen und Ärzte haben zum 31. Dezember 2015 Cannabispati-

entinnen und Cannabispatienten mit einer Ausnahmegenehmigung nach § 3
Absatz 2 BtMG betreut (bitte tabellarisch anonymisiert nach Postleitzahl,
Kommune und Bundesland sowie nach Ärztinnen und Ärzten mit und ohne
kassenärztliche Zulassung aufschlüsseln)?

22. Welche Ärztinnen und Ärzte haben zum Stichtag des Inkrafttretens des Ge-
setzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften
am 10. März 2017 welche Cannabispatientinnen und Cannabispatienten mit
einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 BtMG betreut (bitte tabel-
larisch anonymisiert nach Postleitzahl, Kommune und Bundesland sowie
nach Ärztinnen und Ärzten mit und ohne kassenärztliche Zulassung auf-
schlüsseln)?

23. Woher kamen die Patientinnen und Patienten mit einer Ausnahmegenehmi-
gung nach § 3 Absatz 2 BtMG zum Stichtag am 31. Dezember 2015 (bitte
nach Postleitzahl, Kommune und Bundesland auflisten)?

Berlin, den 10. April 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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