BT-Drucksache 18/11974

Weitergabe von Aufklärungsdaten an Grenzbehörden in Libyen, Ägypten, Tunesien und Algerien

Vom 10. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11974
18. Wahlperiode 10.04.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Ulla Jelpke, Harald Petzold (Havelland),
Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Weitergabe von Aufklärungsdaten an Grenzbehörden in Libyen, Ägypten,
Tunesien und Algerien

Noch in diesem Jahr nehmen die südlichen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union die satellitengestützte Plattform „Seepferdchen Mittelmeer“ („Seahorse
Mediterranean“) in Betrieb (Antwort der Europäischen Kommission an die EU-
Abgeordnete Sabine Lösing, E-000223/2017 vom 30. März 2017). Vorausgegan-
gen waren Verhandlungen der Europäischen Kommission und der Mitglied-
staaten Italien, Frankreich, Zypern, Malta und Portugal mit Libyen, Tunesien,
Algerien und Ägypten über eine Zusammenarbeit im grenzpolizeilichen Bereich.
Die Verhandlungen werden von der ebenfalls beteiligten Regierung Spaniens an-
geführt, die bereits seit über zehn Jahren das regionale Netzwerk „Seepferdchen
Atlantik“ betreibt (Bundestagsdrucksache 18/3515).
Über „Seepferdchen Mittelmeer“ würden die nordafrikanischen Länder auch in
das EU-Überwachungssystem Eurosur integriert. Laut der Europäischen Kom-
mission beteiligen sich Tunesien, Algerien und Ägypten bereits „auf regionaler
Ebene“ am „Seepferdchen“-Netzwerk (Antwort der Europäischen Kommission
an die EU-Abgeordnete Sabine Lösing, E-000223/2017 vom 30. März 2017).
Bei dem jüngsten „hochrangigen politischen Dialog“ zwischen der Europäischen
Union und Tunesien zu Sicherheit und Terrorismusbekämpfung am 19. Januar
2017 wurde Tunesien ermutigt, sich durch die Beteiligung am Netzwerk und die
Teilnahme an Schulungsmaßnahmen dem Gesamtprojekt anzuschließen. Der
„Dialog“ wurde vom Auswärtigen Dienst organisiert. Auch bei dem bilateralen
Treffen mit Ägypten am Rande des Gipfels in Valletta vom 8. Februar 2017 und
mit Algerien bei der 7. Sitzung des Unterausschusses für Justiz und Inneres vom
22. Februar 2017 wurde das Ansinnen verfolgt, die Länder zur Zusammenarbeit
zu bewegen. Schließlich soll auch die libysche Küstenwache Informationen zu
„Vorfällen“ von der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache er-
halten. Die Europäische Kommission nennt hierzu die Übermittlung von „re-
gelmäßigen Überwachungs- und Kontrolldaten“ an libysche Behörden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist der Bundesregierung über den Inhalt einer formalen Anfrage der li-

byschen Tripolis-Regierung über technische Ausrüstung zur Migrationsab-
wehr an die Europäische Union bekannt (Reuters vom 30. März 2017, „Li-
bya asks EU for ships and radars to stop migrants: sources“; bitte die Art und
Zahl der Gerätschaften/Fahrzeuge angeben)?

Drucksache 18/11974 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche Gegenleistungen zur Verhinderung von Überfahrten in die Europäi-
sche Union („preventing African refugees and migrants from embarking
from the coast of Libya for Europe“) wurden von der Tripolis-Regierung an
den Rat für Außenbeziehungen übermittelt?

3. Für welche bereits vorhandene, aber in EU-Mitgliedstaaten befindliche Aus-
rüstung wurde die Freigabe zur Verschiffung nach Libyen beantragt?

4. Mit welchem Ziel und für welche Aufgaben hat die Europäische Union der
Entsendung von drei „Experten“ der nicht zu EU gehörenden „Europäischen
Gendarmerietruppe“ in die „EU Liaison and Planning Cell“ sowie die Mis-
sion EUBAM Libyen zugestimmt (Antwort zu Frage 4 auf Bundestags-
drucksache 18/11954)?

5. Für die Ausgestaltung welcher Unterstützung „laufen derzeit noch Planun-
gen bei den beteiligten Mitgliedstaaten der Europäischen Union“ (Antwort
zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 18/11954)?

6. Welche Überlegungen oder Vorschläge existieren zur Umsetzung von Vor-
schlägen der Europäischen Union, die libyschen Behörden mit technischer
Ausrüstung, Fahrzeugen „und anderen Elementen“ zu versorgen, um die
Kontrolle der libyschen Landgrenze zu den Nachbarstaaten „zu optimieren“,
wozu die Bundesregierung bekräftigt, dass sie diesen laufenden Prozess
„weiter eng verfolgt“ (Antwort zu Frage 23 auf Bundestagsdrucksache
18/11954)?

7. Welche Details kann die Bundesregierung zum Inhalt eines „Informations-
austauschs“ mitteilen, den die EU-Militärmission EUNAVFORMED durch
Entsendung eines Verbindungsoffiziers zum US-Kommando AFRICOM in
Stuttgart sicherstellen will (Antwort zu Frage 5 auf Bundestagsdrucksache
18/11953)?

8. Auf welche Weise beteiligen sich nach Kenntnis der Bundesregierung schon
jetzt Tunesien, Algerien und Ägypten „auf regionaler Ebene“ am „Seepferd-
chen“-Netzwerk (Antwort der Europäischen Kommission an die EU-Abge-
ordnete Sabine Lösing, E-000223/2017 vom 30. März 2017)?
a) Wann und wo wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die Mitarbeit

bei „Seepferdchen Mittelmeer“ mit den Regierungen Algeriens, Ägyptens
und Libyens behandelt und/oder vereinbart?

b) Auf welche Weise wurde „Seepferdchen Mittelmeer“ nach Kenntnis der
Bundesregierung bei dem jüngsten „hochrangigen politischen Dialog“
zwischen der Europäischen Union und Tunesien behandelt, und welche
Ergebnisse sind dem Auswärtigen Amt dazu bekannt?

c) Welche Schulungsmaßnahmen werden für „Seepferdchen Mittelmeer“
geplant, und welche Behörden welcher Länder nehmen daran teil?

9. Welcher Art sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Informationen zu
„Vorfällen“, die von der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küsten-
wache in „Seepferdchen Mittelmeer“ übermittelt werden?

10. Inwiefern sollen nach Kenntnis der Bundesregierung auch solche „regelmä-
ßigen Überwachungs- und Kontrolldaten“ übermittelt werden, die sich aus
der Überwachung der Zwölfmeilenzone der nordafrikanischen Länder erge-
ben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11974

11. Inwiefern soll der „noch engere Austausch“ und mehr Zusammenarbeit bei

der „Bekämpfung der illegalen Migration“, wozu sich unter anderem die Re-
gierungen Italiens, Deutschlands, Tunesiens und Libyens in einer Erklärung
verpflichten (Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 20. März
2017), auch die Teilnahme an Überwachungs- oder Informationsnetzwerken
der Europäischen Union (etwa das Netzwerk „Seepferdchen Mittelmeer“)
umfassen?

12. Welche einzelnen Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen die ita-
lienische Küstenwache, die EU-Militärmission EUNAVFOR MED oder die
FRONTEX-Mission „Triton“ darüber berichteten, dass Schleuser gefälschte
oder echte Uniformen tragen, die sie als Angehörige der Polizei ausweisen
sollen (The Intercept vom 2. April 2017, „New Evidence Undermines EU
Report Tying Refugee Rescue Group to Smugglers” bzw. dort verlinkter
Frontex-Bericht vom 9. Dezember 2016)?

13. Welche einzelnen Vorfälle sind dem Auswärtigen Amt bekannt, bei denen
die libysche Küstenwache mit Schleusern zusammenarbeitete?

14. Ab wann wollen die EU-Agenturen FRONTEX, EMSA und EFCA nach
Kenntnis der Bundesregierung Drohnen einsetzen um „Schiffe (einschließ-
lich kleinerer Holz- und Gummiboote)“, Menschen in Seenot, Meeresver-
schmutzungen durch Öl oder andere gefährliche Schadstoffe sowie Schwe-
feloxide in Schiffsabgasen zu erkennen (Bundestagsdrucksache 18/8784,
Antwort zu Frage 3)?
a) Sofern die Anwendungen nicht wie geplant ab dem ersten Quartal 2017

für „Vor-Ort-Operationen zur Verfügung stehen“, wann sollen diese ein-
satzbereit sein (Bundestagsdrucksache 18/11113, Antwort zu Frage 13)?

b) Wann sollen die „Mehrzweckeinsätze“ im Zusammenhang mit Grenz-
und Küstenschutzaufgaben beginnen und inwiefern liegen mittlerweile
Anfragen oder Interessensbekundungen einzelner Mitgliedstaaten oder
ggf. auch der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache zum
Einsatz der Drohnen vor?

c) Welche Firmen haben die Ausschreibung der drei Lose (Drohnen mit gro-
ßer Flugdauer, Drohnen mit mittlerer Flugdauer, Senkrechtstarter) ge-
wonnen?

15. Welche Defizite ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung derzeit für die
Agenturen FRONTEX, EMSA und EFCA hinsichtlich der Bereitstellung
verbesserter europäischer Infrastrukturen für die Satellitenkommunikation?

16. Für welche Anlagen von „SAT-AIS- und Satcom-Daten und -Diensten“ wer-
den die 14 Mio. Euro der Europäischen Kommission aufgewendet, und bis
wann soll hierzu eine Ausschreibung erfolgen (Bundestagsdrucksache
18/11113, Antwort zu Frage 14)?

17. Hinsichtlich welcher möglicherweise durch die Bundesregierung unterstütz-
ter Maßnahmen hat die Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch in Kairo mit dem
ägyptischen Präsidenten „über das Thema illegale Migration gesprochen“,
wozu die Bundesregierung mitteilte dass es dabei „nicht nur um die Siche-
rung der Landgrenze zu Libyen, sondern auch um die Sicherung der Seegren-
zen Ägyptens, um die Bekämpfung von Schleuser- und. Schmugglertätigkei-
ten, um die verbesserte Gestaltung und Steuerung von Migration, um die Be-
kämpfung von Fluchtursachen sowie um die Verbesserung der Lebensbedin-
gungen der in Ägypten lebenden Migranten und Flüchtlinge“ ging (Antwort
zu Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 18/11953)?

Drucksache 18/11974 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

18. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise Europol

seine Zusammenarbeit mit nordafrikanischen oder arabischen Ländern bzw.
dort agierenden EU-GSVP-Missionen verbessern will, etwa durch neue
Kommunikationsnetzwerke oder -plattformen?

19. Was ist der Bundesregierung über Ziele und Teilnehmende einer Operation
„Gallant Phoenix“ bekannt (SPIEGEL ONLINE vom 14. Mai 2017, „Kanz-
leramt stoppt neue BND-Kooperation mit USA“), woher stammen die dort
verarbeiteten Personendaten, und von wem wurden diese erhoben?
a) Auf welche Weise wird die EU-Polizeiagentur Europol nach Kenntnis der

Bundesregierung mit „Gallant Phoenix“ kooperieren?
b) Sofern Europol über „Gallant Phoenix“ auch Daten in eigenen Informati-

onssystemen verarbeiten und speichern könnte, inwiefern würde auch das
Bundeskriminalamt darauf zugreifen dürfen?

Berlin, den 10. April 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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