BT-Drucksache 18/11934

Europäische Satellitenkommunikation für militärische, geheimdienstliche und polizeiliche Zwecke

Vom 4. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11934
18. Wahlperiode 04.04.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Annette Groth,
Inge Höger, Ulla Jelpke, Niema Movassat, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Europäische Satellitenkommunikation für militärische, geheimdienstliche und
polizeiliche Zwecke

Zur Entwicklung europäischer Kapazitäten für die Satellitenkommunikation hat
die Europäische Kommission eine Expertengruppe „Governmental Satellite
Communications“ (GOVSATCOM) eingerichtet (http://gleft.de/1EE). Sie steht
unter der Leitung der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie und Unternehmer-
tum. Beteiligt sind Angehörige der Politikbereiche Zivilschutz, Zoll, Unterneh-
men, Fischerei und maritime Angelegenheiten, Außen- und Sicherheitspolitik,
humanitäre Hilfe, Justiz und Inneres. Die Expertengruppe soll sich an der Schnitt-
stelle von Weltraum, Sicherheit und Verteidigung bewegen (http://gleft.de/1ED).
Als mögliche Einsatzgebiete neu entwickelter GOVSATCOM-Kapazitäten wer-
den Krisenmanagement, Polizei, Grenz- und Küstenüberwachung, Schutz kriti-
scher Infrastrukturen sowie „hybride Bedrohungen“ genannt. Die Bündelung ent-
sprechender Aktivitäten sei notwendig, da die Bedürfnisse von Behörden der EU-
Mitgliedstaaten nicht durch die Infrastrukturen gedeckt werden könnten, die von
den Betreibern von Fernseh- und Multimediadiensten im All und am Boden ein-
gerichtet werden. Die sich gegenwärtig verschlimmernde „Bedrohungsumge-
bung“ verstärke das Bedürfnis nach Lösungen für Sicherheitsoperationen, ande-
renfalls drohe eine „Destabilisierung“. Die GOVSATCOM-Strategie soll an vor-
handenen EU-Strukturen ansetzen, darunter das Programm COPERNICUS, mit
dem derzeit mehrere zur Überwachung geeignete Satelliten („Sentinel“) ins All
geschossen werden. Besonderes Augenmerk legt die Expertengruppe dabei auf
Drohnen, deren Daten zur Steuerung und Aufklärung von breitbandiger Satelli-
tenkommunikation abhängen. Hierzu errichten die Europäische Weltraumorgani-
sation (ESA) und der Rüstungskonzern Airbus Defence and Space ein „europäi-
sches Datenrelaissystem“ (EDRS) im Weltraum (Bundestagsdrucksache
18/8784). Das System basiert auf Lasertechnologie und beschleunigt die Übertra-
gung von niedrig fliegenden Beobachtungssatelliten auf Nahe-Echtzeit. Das
EDRS wird von den Herstellern als „Weltraumdatenautobahn“ beworben. Das
COPERNICUS-Programm mit seinen Maßnahmen zur Überwachung des Mittel-
meers gegen unerwünschte Migration ist der erste Kunde des bereits in Betrieb
gegangenen Systems. Satelliten und Bodenstationen von COPERNICUS über-
nehmen Sicherheitsaufgaben für die EU-Grenzagentur FRONTEX und Behörden
der Mitgliedstaaten. Auch das EU Satellitenzentrum (SatCen) will auf der „Welt-
raumdatenautobahn“ fahren. Das Zentrum ist für Außen- und Sicherheitspolitik
zuständig, sammelt Informationen für Geheimdienste und plant EU-Militärope-
rationen.

Drucksache 18/11934 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Europäische Verteidigungsagentur ist derzeit mit einer „GOVSATCOM
Machbarkeitsstudie” befasst. Untersucht werden technische Anforderungen für
militärische Bedarfe sowie die Möglichkeit des „Poolings“ und Teilens von In-
frastrukturen. Weitere zwei Studien zur sicheren Satellitenkommunikation wür-
den derzeit von einen „Europäischen Industriekonsortium“ im Auftrag der ESA
erarbeitet. Die temporäre GOVSATCOM-Expertengruppe soll bis Ende 2017 ei-
nen Bericht vorlegen. Mittlerweile hat auch die NATO angekündigt, in Infra-
strukturen für die Satellitenkommunikation investieren zu wollen, wofür die Or-
ganisation nach Medienberichten 1,7 Mrd. Euro aufwendet, „um sowohl Bo-
dentruppen und Schiffe als auch Drohnen besser unterstützen zu können“
(„NATO gibt Milliarden für Satelliten und Internetsicherheit aus“, Reuters vom
27. März 2017). Es ist unklar, ob neue Systeme geschaffen oder vorhandene Sys-
teme modernisiert werden sollen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen Bedarf sieht die Bundesregierung zur Entwicklung oder Verbesse-

rung europäischer Infrastrukturen für die Satellitenkommunikation in den
Bereichen Zivilschutz, Zoll, Unternehmen, Fischerei und maritime Angele-
genheiten, Außen- und Sicherheitspolitik, humanitäre Hilfe sowie Justiz und
Inneres (bitte für die einzelnen Zwecke jeweils kurz erläutern)?

2. Auf welche Weise könnte ein entsprechender Bedarf für Krisenmanagement,
Polizei, Grenz- und Küstenüberwachung, Schutz kritischer Infrastrukturen
sowie „hybride Bedrohungen“ aus Sicht der Bundesregierung durch neue
Maßnahmen an der Schnittstelle von Weltraum, Sicherheit und Verteidigung
gedeckt werden?
a) In welchen konkreten militärischen und zivilen Infrastrukturen könnten

aus Sicht der Bundesregierung hierfür Synergieffekte erzielt werden?
b) Inwiefern könnten dafür auch Infrastrukturen oder Anlagen der NATO

genutzt werden?
3. Wie viele Missionen oder Operationen der Europäischen Union sollten die

Kapazitäten einer europäischen Satellitenkommunikation aus Sicht der Bun-
desregierung mindestens gleichzeitig abdecken können?

4. Mit welchen Studien waren oder sind die Europäische Verteidigungsagentur
oder die Europäische Weltraumorganisation hinsichtlich der europäischen
Satellitenkommunikation befasst, wer führt diese durch, und wann sollen
diese vorliegen?

5. Auf welche Weise ist die Bundesregierung an der Expertengruppe „Govern-
mental Satellite Communications“ (GOVSATCOM) beteiligt?

6. Inwiefern bewertet es die Bundesregierung als politisches, juristisches oder
technisches Problem, im Bereich Satellitenkommunikation für sicherheits-
politische Zwecke von privaten Firmen abhängig zu sein?

7. In welchen nationalen oder von der Europäischen Union geförderten For-
schungen zur Entwicklung oder Verbesserung europäischer Infrastrukturen
für die Satellitenkommunikation sind derzeit welche Bundesbehörden betei-
ligt?

8. In welchen Weltregionen ergibt sich aus Sicht der Bundesregierung ein be-
sonderer Bedarf zur Entwicklung oder Verbesserung europäischer Infra-
strukturen für die Satellitenkommunikation?

9. Welche militärischen Bedarfe gibt es derzeit für die Bundeswehr zur Ent-
wicklung oder Verbesserung von Infrastrukturen für die Satellitenkommuni-
kation?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11934

10. Wie wirkt sich die zunehmende Verbreitung unbemannter Systeme aus Sicht

der Bundesregierung auf die Bedarfe zur Entwicklung oder Verbesserung
europäischer Infrastrukturen für die Satellitenkommunikation aus?

11. Welche Defizite sieht die Bundesregierung diesbezüglich für die Übermitt-
lung von Daten zur Steuerung („Command and Non-Payload Communica-
tions“) und Aufklärung („Download Link“) von Drohnen der MALE- oder
HALE-Klasse, die von mehreren EU-Mitgliedstaaten auf nationalstaatlicher
Ebene beschafft werden, aber im Rahmen einer nationalen Beistellung für
die NATO eingesetzt werden sollen?

12. Welche neueren Angaben kann die Bundesregierung mittlerweile zu dem
Angebot des Rüstungskonzerns Airbus als Hauptauftragnehmer für die als
Übergangslösung zu beschaffenden Kampfdrohnensysteme „Heron TP“ hin-
sichtlich der von Airbus vorgesehenen Verteilung der Gesamtkosten (bitte
benennen) auf die Bereiche Luftfahrzeuge, Bodenstationen, Satellitenkapa-
zität zur Datenübertragung, Ausbildung und Betrieb im Einsatzland machen
(vgl. Bundestagsdrucksache 18/11113)?
a) Sofern die Zuordnung der Kosten auf einzelne Vertragspositionen und die

Darstellung der Gesamtkosten weiterhin Gegenstand der derzeit stattfin-
denden Vertrags- und Preisverhandlungen sind, wann sollen diese nach
derzeitigem Stand abgeschlossen sein?

b) Welche Angaben kann die Bundesregierung (auch ohne eine detaillierte
Gesamtübersicht) zum jetzigen Zeitpunkt zu den zu den Kosten und Leis-
tungen der einzelnen Vertragspositionen machen?

13. Was ist der Bundesregierung über die derzeitigen „Kunden“ des „europäischen
Datenrelaissystem“ (EDRS) bekannt (vgl. Bundestagsdrucksache 18/8784)?

14. Welche weiteren Regierungen außer Japan, Frankreich und den Vereinigten
Staaten haben „Interesse“ an der Technologie von Laserkommunikationster-
minals der „Weltraumdatenautobahn“ (vgl. Bundestagsdrucksache 18/8784,
Antwort zu Frage 16)?
a) Welche Synergien ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung zwischen

dem japanischen Datenrelaissystem und dem EDRS, und wie hat die ja-
panische Regierung auf das Herantreten der Bundesregierung reagiert?

b) Wann sollen der zweite und der dritte EDRS-Satellit nach Kenntnis der
Bundesregierung ins All geschossen werden, und wer wird diesen betrei-
ben?

c) Mit welchen Anwendungen oder Diensten ist das EU Satellitenzentrum
(SatCen) mittlerweile Nutzerin der „Weltraumdatenautobahn“, bzw. wel-
che Pläne sind der Bundesregierung hierzu bekannt (vgl. Bundestags-
drucksache 18/11113, Antwort zu Frage 15)?

15. Welche Ergebnisse „regelmäßig[er] Gespräche“ des Airbus-Konzerns „mit
potentiellen privaten, institutionellen und militärischen EDRS-Kunden“ sind
der Bundesregierung bekannt, und worüber wurde Raumfahrtmanagement
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) diesbezüglich in-
formiert?
a) An welchen dieser Gespräche hat das DLR selbst teilgenommen?
b) Worin bestand die Aufgabe des DLR im Projekt „OPARUS – Open Ar-

chitecture for UAV-based Surveillance System“, das von der gefördert
wurde und zusammen mit europäischen Rüstungsunternehmen durchge-
führt wurde?

Drucksache 18/11934 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

16. Welche Flüge mit welchen Drohnen welcher Hersteller wurden seit der Ant-

wort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/8784 im EU-Droh-
nen-Projekt SUNNY auf der NAMFI-Basis in Griechenland durchgeführt?

17. Was ist der Bundesregierung über konkrete Pläne der NATO zur Entwick-
lung oder Verbesserung von Infrastrukturen für die Satellitenkommunikation
bekannt, wofür die Organisation nach Medienberichten 1,7 Mrd. Euro auf-
wendet, „um sowohl Bodentruppen und Schiffe als auch Drohnen besser un-
terstützen zu können“ („NATO gibt Milliarden für Satelliten und Internetsi-
cherheit aus“, Reuters vom 27. März 2017)?

18. Welche neuen Systeme sollen hierfür geschaffen, und welche vorhandenen
Systeme sollen modernisiert werden?

19. Welche neueren Erkenntnisse hat die Bundesregierung seit dem 26. August
2016 wie erhofft (vgl. Plenarprotokoll 18/205, Antwort auf die Mündliche
Frage 16 und Plenarprotokoll 18/124, Anlage 7) von der US-Seite über die
Steuerung von Drohneneinsätzen über eine Relaisstation in Ramstein sowie
die Einbindung der dortigen Distributed Ground Station in die Vorbereitung,
Durchführung und Auswertung der Flüge übermittelt bekommen, wozu der
Staatsminister Michael Roth versicherte, die Bundesregierung bleibe in der
Angelegenheit „am Ball, um die notwendigen Informationen zu erhalten“?
a) Wann fanden die angekündigten „regelmäßigen“ Gespräche zur Causa

Ramstein statt, bzw. bei welchen anderen Gelegenheiten wurde das
Thema angesprochen?

b) Sofern die US-Regierung seit den vergangenen sieben Monaten nicht wie
von der Bundesregierung erhofft weitere Details übermittelt hat, für wann
rechnet das Auswärtige Amt mit den erfragten Informationen?

20. Was ist der Bundesregierung über die Häufigkeit von Angriffen und Bom-
bardierungen durch Kampfdrohnen im Jemen unter der neuen Regierung
Trump bekannt, und inwiefern haben diese gegenüber dem Vorgänger
Obama zu- oder abgenommen?

21. Über welche Möglichkeiten verfügt die Bundesregierung, um in Erfahrung
zu bringen, inwiefern die US-Drohnenangriffe im Jemen über Ramstein ge-
routet werden oder dort eine Vor- und Nachbereitung der Einsätze stattfin-
det?

Berlin, den 4. April 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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