BT-Drucksache 18/11901

Wahlkampfauftritte ausländischer Politikerinnen und Politiker in Deutschland

Vom 31. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11901
18. Wahlperiode 31.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Annette Groth, Andrej Hunko, Kathrin Vogler und
der Fraktion DIE LINKE.

Wahlkampfauftritte ausländischer Politikerinnen und Politiker in Deutschland

Im Vorfeld eines für den 16. April 2017 in der Türkei angesetzten Referendums
über die Einführung eines Präsidialsystems fanden in der Bundesrepublik
Deutschland eine Reihe von Veranstaltungen statt, auf denen türkische Regie-
rungspolitiker für die Zustimmung in Deutschland lebender türkischer Staatsbür-
gerinnen und Staatsbürger warben. Mit fehlenden Parkplätzen, mangelndem
Brandschutz oder falschen Angaben bei der Anmietung begründete Raumkündi-
gungen und Absagen solcher Veranstaltungen durch Kommunalbehörden und
Hallenvermieter sorgten für wütende Reaktionen von Seiten der türkischen Re-
gierung. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan warf der Bundesregierung gar
„Nazi-Methoden“ vor. Mehrere Bundesländer verboten daraufhin weitere Wahl-
kampfveranstaltungen türkischer Regierungsmitglieder. Auch im europäischen
Ausland, so in den Niederlanden, kam es zu Veranstaltungsabsagen, Raumkündi-
gungen und regelrechten Verboten. Der von der türkischen Regierung erfragten
Abhaltung des Referendums in Deutschland für die rund 1,5 Millionen hier le-
benden Wahlberechtigten an 13 konsularischen Vertretungen der Türkei oder ei-
gens eingerichteten Wahllokalen wurde von der Bundesregierung indessen unter
der Maßgabe stattgegeben, dass volle Transparenz über weitere Wahlkampfauf-
tritte hergestellt und die verbalen Angriffe auf die Bundesrepublik Deutschland
eingestellt werden. Am 21. März 2017 kündigte der Verein UETD e. V. (Union
der Europäisch-Türkischen Demokraten), der die meisten Veranstaltungen mit
türkischen Ministern in Deutschland organisiert hatte, an, vor dem Referendum
keine weiteren solchen Auftritte mehr zu planen (www.spiegel.de/politik/
deutschland/recep-tayyip-erdogan-deutschland-genehmigt-tuerkische-wahllokale-
fuer-referendum-a-1138783.html; www.spiegel.de/politik/deutschland/tuerkei-
regierungspartei-akp-sagt-alle-ministerauftritte-in-deutschland-ab-a-1139758.html).
Das Bundesverfassungsgericht stellte unterdessen klar, dass ausländische Regie-
rungsmitglieder weder durch das Grundgesetz noch durch das Völkerrecht einen
Anspruch auf Einreise nach Deutschland für entsprechende Wahlkampfveranstal-
tungen haben (www.faz.net/aktuell/politik/ausland/bundesverfassungsgericht-
botschaft-fuer-erdogan-14918426.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit und in welchen Fällen muss die Bundesregierung grundsätzlich

ihre Zustimmung für die Abhaltung von Wahlen oder Abstimmungen aus-
ländischer Staaten in diplomatischen Vertretungen oder sonstigen Wahlloka-
len in der Bundesrepublik Deutschland geben?

Drucksache 18/11901 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche grundsätzlichen Möglichkeiten hat die Bundesregierung, zu kontrol-
lieren, ob Wahlen oder Abstimmungen anderer Staaten in ihren diplomati-
schen Vertretungen oder sonstigen Wahllokalen frei und transparent ablau-
fen?

3. Welche ausländischen Regierungen haben seit dem Jahr 2000 bei der Bun-
desregierung die Zustimmung dafür erbeten, Wahlen oder andere Abstim-
mungen für ihre in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Staatsbür-
gerinnen und Staatsbürger durchzuführen?
a) In welchen dieser Fälle hat die Bundesregierung die Abhaltung von Wah-

len oder Abstimmungen unter welchen genauen Bedingungen in welchen
Räumlichkeiten zugelassen?

b) In welchen dieser Fälle hat die Bundesregierung die Abhaltung von Wah-
len oder Abstimmungen aus welchen genauen Gründen nicht zugelassen
oder wieder zurückgezogen?

c) Wie viele Personen bzw. wie viel Prozent der in Deutschland lebenden
Wahlberechtigten der jeweiligen Staaten beteiligten sich jeweils an den
Wahlen oder Abstimmungen?

d) In welchen dieser Fälle wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Un-
regelmäßigkeiten, Manipulationen, Wahlfälschungen oder unlautere Wäh-
lerbeeinflussungen registriert oder von an der Wahl teilnehmenden Par-
teien beklagt?

4. Welche grundsätzlichen rechtlichen und politischen Möglichkeiten haben
die Bundesregierung und nach ihrer Kenntnis Länder und Kommunen, Wahl-
kampfauftritte ausländischer Politikerinnen und Politiker einschließlich aus-
ländischer Regierungsmitglieder zu unterbinden bzw. zu untersagen?

5. In wie vielen und welchen Fällen seit dem Jahr 2000 wurden aus welchen
genauen Gründen Wahlkampfauftritte und sonstige politische Auftritte wel-
cher ausländischen Politikerinnen und Politiker einschließlich ausländischer
Regierungsmitglieder in Deutschland durch Maßnahmen der Bundesregie-
rung sowie nach ihrer Kenntnis durch Landes- oder Kommunalbehörden ver-
hindert oder untersagt?

6. In wie vielen und welchen Fällen seit dem Jahr 2000 haben ausländische Re-
gierungen von der Bundesregierung erbeten, dass Wahlkampfauftritte und
sonstige politische Auftritte ausländischer Oppositionspolitikerinnen und
-politiker bzw. von Vertreterinnen und Vertretern anderer Staaten verhindert
oder untersagt werden, und inwieweit kamen die Bundesregierung sowie
nach ihrer Kenntnis Länder und Kommunen solchen Ersuchen nach?

7. In wie vielen und welchen Fällen wurde seit dem Jahr 2000 welchen auslän-
dischen Politikerinnen und Politikern einschließlich ausländischer Regie-
rungsmitglieder aus welchen genauen Gründen die Einreise in bzw. ein Vi-
sum für die Bundesrepublik Deutschland verweigert?

8. Wie viele und welche Veranstaltungen mit türkischen Regierungsmitglie-
dern anlässlich des Referendums vom 16. April 2017 fanden bis zur Absage
weiterer derartiger Auftritte durch die UETD am 21. März 2017 wann und
wo in der Bundesrepublik Deutschland und mit wie vielen Teilnehmerinnen
und Teilnehmern statt?
a) Welche dieser Veranstaltungen mit türkischen Regierungsmitgliedern

wurden der Bundesregierung im Vorfeld von Seiten der türkischen Regie-
rung zur Kenntnis gebracht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11901
b) Auf welche Weise erlangte die Bundesregierung Kenntnis von Veranstal-
tungen türkischer Regierungsmitglieder, deren Deutschland-Besuche
nicht im Vorfeld offiziell gegenüber der Bundesregierung mitgeteilt wur-
den?

9. Wie viele und welche bereits geplanten Veranstaltungen mit türkischen Re-
gierungsmitgliedern anlässlich des Referendums vom 16. April 2017 fanden
aus welchen Gründen nicht statt (bitte angeben, inwieweit und durch welche
Behörden und mit welcher Begründung es Verbote, Raumkündigungen etc.
gegeben hat, bitte auch Mehrfachraumabsagen angeben)?

10. Wie viele Veranstaltungen mit welchen Oppositionspolitikerinnen und -po-
litikern aus der Türkei fanden nach Kenntnis der Bundesregierung anlässlich
des Referendums am 16. April 2017 an welchen Orten und mit wie vielen
Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt?
Wie viele und welche solcher Veranstaltungen der Opposition fielen aus wel-
chen Gründen nach Kenntnis der Bundesregierung aus?

11. Welche konkreten Reaktionen von Politikerinnen und Politikern aus der Tür-
kei auf Raumkündigungen und sonstige Veranstaltungsabsagen für türkische
Regierungsmitglieder in Deutschland im Vorfeld des Referendums vom
16. April 2017 sind der Bundesregierung bekannt (bitte getrennt nach Regie-
rungspartei AKP und Oppositionsparteien CHP, HDP und MHP beantwor-
ten)?

12. Inwieweit hat die Bundesregierung die Haltung der Oppositionsparteien aus
der Türkei zu Auftritten türkischer Regierungsmitglieder im Vorfeld des
Verfassungsreferendums in Deutschland bei ihrer Haltung zu einer mögli-
chen Verhinderung weiterer solcher Auftritte berücksichtigt?

13. Welche konkreten Überlegungen gab es bei der Bundesregierung bezüglich
der Zulassung oder Verhinderung eines von Seiten der türkischen Regierung
in Aussicht gestellten Wahlkampfauftritts des türkischen Staatspräsidenten
Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland?

14. Wie erklärt sich die Bundesregierung den plötzlichen Verzicht auf weitere,
bereits angekündigte Auftritte türkischer Regierungsmitglieder durch die
Lobbyorganisation UETD am 21. März 2017?

15. Inwieweit sieht die Bundesregierung von Wahlkampfauftritten türkischer
Politikerinnen und Politiker einschließlich Regierungsmitgliedern welche
mögliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder anderer Rechtswerte
ausgehen?

16. Wie steht die Bundesregierung generell zu Wahlkampfauftritten ausländi-
scher Politikerinnen und Politiker einschließlich Regierungsmitgliedern, die
vor ihren Landsleuten in Deutschland für Werte wie die Einführung der To-
desstrafe werben, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind?

Berlin, den 30. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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