BT-Drucksache 18/11875

Menschenrechtliche Folgen des Uranabbaus in Tansania

Vom 29. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11875
18. Wahlperiode 29.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Inge Höger, Annette Groth, Andrej Hunko, Katrin Kunert,
Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Menschenrechtliche Folgen des Uranabbaus in Tansania

Trotz der Reaktorkatastrophen in Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011)
wird bedauerlicher Weise weiterhin Energie mithilfe von Atomkraftwerken er-
zeugt. Einige Länder wie Deutschland, die Schweiz, Italien oder Spanien haben
sich von der Atomkraft kurz- oder langfristig verabschiedet bzw. die Entwicklung
erneuerbarer Energien angekündigt, ohne die Atomkraft gänzlich in Frage zu stel-
len.
Bei manchen Regierungen findet Atomkraft hingegen wachsenden Zuspruch.
Tansania und andere Staaten Afrikas setzen leider zunehmend auf Atomenergie,
um ihre Energieprobleme zu lösen (www.3sat.de/page/?source=/nano/umwelt/
176810/index.html).
Mitverantwortlich dafür ist die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA),
die Atomtechnik als Energiequelle der Zukunft betrachtet (www.iaea.org/
newscenter/news/nuclear-energy-contributes-development-energy-conference-
africa-looks-options). Um sich auf diese Herausforderungen vorzubereiten, for-
ciert Tansania den Uranabbau im eigenen Land – auf Kosten von Naturschutzge-
bieten und intakter Kulturlandschaft.
Ein Beispiel ist das im Jahr 2012 zwischen dem russischen Handelsministerium
und der tansanischen Regierung unterzeichnete Abkommen über den großflächi-
gen Uranabbau im Selous-Nationalpark (www.naturwelt.org/naturverbrechen/
uranabbau-im-nationalpark-in-tansania/). Die australische Firma MANTRA hatte
im Jahr 2012 im Nationalpark Selous Game Reserve (dem zweitgrößten Wild-
schutzgebiet der Erde) Uranerz gefunden und den Abbau beantragt. Doch trotz aller
Warnungen über Schäden für Mensch, Tier und Natur an diesem wichtigen Hort
der Biodiversität liefen die Vorbereitungen für die Inbetriebnahme der ersten Uran-
mine Tansanias an (www.theeastafrican.co.ke/news/Tanzania-to-extract-uranium-
in-Selous-park-amid-protests/2558-3522432-tgypplz/index.html). Zwar bleibt
momentan der Genehmigungsstatus des „Mkuju River Uranium Project“ etwas
unklar, vor allem mit Blick auf die Mitteilung des russischen Unternehmens (Ura-
nium One) in den vorigen Jahren, dass es erst dann mit dem Abbau beginnen
würde, wenn der Uranpreis 55 US-Dollar pro Pfund steigt (http://ca.reuters.
com/article/businessNews/idCAKCN0WA26L).
Ein zweiter Schwerpunkt der Suche nach Uranlagerstätten in Tansania ist das
Feuchtgebiet von Bahi im Zentrum des Landes in der Nähe der Hauptstadt Dodoma,
die in Kürze auch Hauptsitz der Regierung sein soll (www.uranium-network.
org/index.php/component/content/article?id=103). Dort wurden zwischen den
Jahren 2008 und 2012 ausgedehnte Explorationsmaßnahmen durchgeführt – wie
zivilgesellschaftliche Organisationen vor Ort vielfach bezeugt haben, fand dies

Drucksache 18/11875 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

weitgehend gegen den Willen der Bevölkerung und unter Missachtung grundle-
gender Sicherheitsvorkehrungen statt (http://umweltfairaendern.de/2013/10/trou-
ble-in-tansania-erkundung-fuer-uranabbau-in-der-region-bahi-bei-dodomo/). Nach
dem Abschluss der Erkundungsarbeiten wurden zwar bisher keine weiteren
Schritte zur Realisierung konkreter Projekte bekannt, es ist aber nicht auszu-
schließen, dass diese in Abhängigkeit von der Entwicklung des Uranmarkts ein-
geleitet werden. Neben den Plänen zum Abbau von Uran, wird das Feuchtgebiet
zudem durch ein Vorhaben zum Bau eines Staudamms, der den Hauptzufluss des
Feuchtgebiets blockieren würde, bedroht (www.tanzania-network.de/front_content.
php?idcat=54&idart=152&lang=1). Der Staudamm soll offiziell der Trinkwasser-
versorgung der wachsenden Bevölkerung von Dodoma dienen – ein Zusammen-
hang mit den Uranprojekten liegt allerdings nahe.
Das „Feuchtgebiet“ von Bahi ist ein ausgedehntes Tiefland, das mit den Möglich-
keiten zu Fischfang, Salzgewinnung, Viehweide und vor allem bewässertem
Reisanbau eine entscheidende Rolle in der regionalen Wirtschaft spielt und über
die Region hinaus zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung beiträgt. Weiter-
hin spielt das Feuchtgebiet als Naturlandschaft eine wichtige Rolle für die Erhal-
tung der ostafrikanischen Flamingo-Population – ein Schutz nach RAMSAR-II-
Richtlinien wird angestrebt (www.wise-uranium.org/pdf/BahiSwamp.pdf).
Das Land ist reich an Bodenschätzen: Tansania ist der viertgrößte Produzent von
Gold in Afrika (www.dw.com/de/armes-reiches-tansania/a-15437072). Aber die
Menschen in Tansania bleiben arm. Ungefähr 74 Prozent der Bevölkerung müs-
sen mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag leben und Tansania belegt auf dem Index
der menschlichen Entwicklung Platz 151 von 187 (http://hdr.undp.org/en/countries/
profiles/TZA). Die Recherche „A Golden Opportunity – how Tanzania fails to
benefit from Gold Mining“ zeigt sogar auf, dass die Bevölkerung des Landes nur
minimal vom Goldbergbau profitiert (http://curtisresearch.org/publications/a-
golden-opportunity-how-tanzania-is-failing-to-benefit-from-gold-mining/). Das
lässt vermuten, dass es beim Uranabbau kaum anders sein wird, auch wenn Un-
ternehmerinnen und Unternehmer und Politikerinnen und Politiker anderes ver-
lautbaren.
Die Handelsbeziehungen zwischen Tansania und Deutschland haben sich in den
letzten Jahren verstärkt. Die Einfuhren aus Tansania nach Deutschland betrugen
im Jahr 2015 162 Mio. Euro, während die Exporte aus Deutschland nach Tansania
auf 172 Mio. Euro anwuchsen. Die wichtigsten tansanischen Exportgüter nach
Deutschland waren im Jahr 2014 Erze und Schlacken, die mit 81 Mio. Euro die
Hälfte des Handels ausmachten (www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/
Laender/Laenderinfos/Tansania/Bilateral_node.html). Nach Angaben des Aus-
wärtigen Amts ist Tansania eins der wichtigsten Partnerländer der deutschen Ent-
wicklungszusammenarbeit in der Subsahara-Afrika. Die Gesamtzusagen seit dem
Jahr 1962 belaufen sich auf über 2 Mrd. Euro und Gesundheit, Wasserver- und
Abwasserentsorgung sind die Schwerpunkte der bilateralen Zusammenarbeit.
Das Festland Tansanias war von 1885 bis 1916 Teil der deutschen Kolonie „Deutsch-
Ostafrika“. Die Bundesregierung hat somit auch eine historische Verantwortung
für die politische, wirtschaftliche und soziale Situation in Tansania.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung den Uranabbau in Tansania hinsichtlich

der Einhaltung von Menschenrechts-, Umwelt- und Sozialstandards?
2. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Gesundheitsrisiken

für Minenarbeiterinnen und Minenarbeiter, deren Familien, Anwohnerinnen
und Anwohner und die Viehzüchterinnen und Viehzüchter der an künftigen
Uranabbaustätten angrenzenden Regionen Tansanias vor?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11875
3. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor hinsichtlich der Aus-
wirkungen von Bau und Betrieb des geplanten Uranbergwerks (Mkuju River
Project) sowie der entstehenden Abraumhalden („tailings“) und Absetzanla-
gen („tailings pondes“) auf die sie umgebende World Heritage Site Selosu
Game Reserve (Status: „bedroht“, www.naturwelt.org/naturverbrechen/uran
abbau-im-nationalpark-in-tansania/)?

4. Kann die Bundesregierung ausschließen, das Uran aus Tansania (über Zwi-
schenländer wie Frankreich) seit dem Jahr 2005 in die Bundesrepublik
Deutschland importiert wurde bzw. wird?

5. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über erhöhte Radioaktivitätswerte
in Zinnschlacken aus Tansania und die Ursachen dieser Kontamination vor?

6. Welchen Umfang und welche Wirkungen haben die Investitionen, die
Deutschland im Rahmen der deutsch-tansanischen Entwicklungszusammen-
arbeit seit dem Jahr 2005 getätigt hat?

7. Was haben Bundesregierung und – nach Kenntnissen der Bundesregierung –
die Regierung Tansanias in den Bereichen Gesundheit und Wasserver- und
Abwasserentsorgung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit unter-
nommen, besonders hinsichtlich des künftigen Uranabbaus?

8. Inwieweit gibt es im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zwischen
Deutschland und Tansania Vorkehrungen, die Konflikte zwischen der Berg-
bauindustrie und den Anwohnerinnen und Anwohnern hinsichtlich des An-
spruchs auf die Nutzung von Wasser- und Landressourcen vermeiden sollen
(www.thecitizen.co.tz/News/Plan-to-build-Farkwa-Dam-worries-Bahi/184
0374-2245384-c1qh71/index.html)?

9. Ist Uranabbau Teil der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zwischen
Deutschland und Tansania?

10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über positive Ergebnisse bezüg-
lich nachhaltiger Entwicklung und der Entwicklung erneuerbarer Energien
in Tansania im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit?

Berlin, den 29. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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