BT-Drucksache 18/11855

Stopp der staatlichen Förderung des Islamverbandes DITIB

Vom 27. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11855
18. Wahlperiode 27.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Andrej Hunko, Michael Leutert,
Niema Movassat, Norbert Müller (Potsdam), Kathrin Vogler und der
Fraktion DIE LINKE.

Stopp der staatlichen Förderung des Islamverbandes DITIB

Die Bundesregierung hat die staatliche Förderung für die Türkisch-Islamische
Union der Anstalt für Religion (DITIB) nach Angaben des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestoppt. Rund 1 Mio. Euro für drei
DITIB-Projekte in diesem Jahr seien auf Eis gelegt worden. Nach Angaben
des Bundesfamilienministeriums solle Klarheit darüber geschaffen werden, ob
DITIB auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Die
DITIB ist mit über 900 Mitgliedsvereinen der größte Moscheendachverband in
Deutschland. Der Verband ist direkt an der türkischen Religionsbehörde Diyanet
angeschlossen, die auch die weisungsgebundenen Imame entsendet und finanziert
(www.abendblatt.de/politik/article209934343/Der-Bund-hat-Ditib-den-Geldhahn-
zugedreht-auch-in-Hamburg.html).
Die DITIB ist in die Kritik geraten, nachdem mehrere Imame offenbar im Auftrag
von Diyanet Spitzelberichte über Kritiker des türkischen Präsidenten Recep
Tayyip Erdoğan angefertigt hatten. Die Bundesanwaltschaft hat Ermittlungen we-
gen des Verdachts auf Agententätigkeit aufgenommen. Auch durch christen- und
judenfeindliche Äußerungen in sozialen Netzwerken machten DITIB-Mitglieder
zuletzt von sich reden (www.kurdistan-report.de/index.php/archiv/2017/51-kr-
190-maerz-april-2017/557-erdogans-marionetten). Der Spionagevorwurf gegen
DITIB ist indessen keineswegs neu. Bereits im Jahr 1994 berichtete das Magazin
„FOCUS“ von einer Zuarbeit von DITIB-Moscheen für den türkischen Geheim-
dienst MIT. In dem Beitrag hieß es dazu: „Horchposten sind hier die zirka 700
staatlichen Moscheen in Deutschland. Nach „FOCUS“-Recherchen sind die über
die Konsulate bezahlten Imame als geistliche Oberhäupter verpflichtet, alle vier
Monate einen detaillierten Bericht über das Innenleben der türkischen Gemeinden
zu schreiben. Bei ,Angelegenheiten der Inneren Sicherheit‘, so schreibt es die
Operation mit dem Decknamen ,Wohlstand‘ vor, ist das jeweilige Konsulat um-
gehend zu verständigen.“ Weiterhin wurde in dem „FOCUS“-Artikel behauptet,
dass sich in einer DITIB-Moschee in der Venloer Straße in Köln damals die
Zentrale des MIT in der Bundespublik Deutschland befand und rund 30 Agenten-
führer dort in der ersten Etage ihrer Arbeit nachgingen (www.focus.de/politik/
deutschland/tuerkischer-geheimdienst-erpresser-im-freundesland_aid_145832.
html).

Drucksache 18/11855 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen genauen Gründen wurde wann und durch wen der Beschluss
gefasst, die Förderung des Bundes für DITIB vorerst zu stoppen?
a) Welche Stellen welcher Bundesministerien bzw. Behörden waren in die-

ser Entscheidung eingebunden?
b) Wie wird der Stopp der Förderung der Bundesmittel für DITIB genau be-

gründet?
c) Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgt der Stopp der Auszahlung von

Fördermitteln für DITIB?
2. Auf welche Weise und nach welchen Kriterien und durch welche Behörden

soll nach Ansicht der Bundesregierung überprüft werden, ob sich DITIB auf
dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegt?

3. Bis zu welchem Zeitpunkt soll die Überprüfung der Grundgesetztreue von
DITIB abgeschlossen sein?

4. Welche Vorwürfe im Einzelnen haben nach Ansicht der Bundesregierung
zur Notwendigkeit der Überprüfung der Grundgesetztreue von DITIB ge-
führt, und inwieweit handelt es sich um neue Vorwürfe gegenüber dem Ver-
band?

5. Bei welchen Projekten im Einzelnen wurde die finanzielle Förderung nun
gestoppt?
a) Wie hoch ist die zugesagte Gesamtförderung für DITIB aus Bundesmit-

teln bei den betroffenen Projekten?
b) Wie viele zugesagte Mittel für diese Projekte wurden bereits an DITIB

(auch in früheren Jahren) ausgezahlt, und wie hoch ist der Anteil der vor-
erst gestoppten Mittel?

c) Inwieweit und in welcher Höhe wird DITIB bei den Projekten, bei denen
nun ein Stopp der Bundesmittel verfügt wurde, nach Kenntnis der Bun-
desregierung auch aus Landesmitteln unterstützt?

d) Inwieweit sind durch den Stopp der Bundesmittel bei den betroffenen Pro-
jekten Arbeitsstellen von in Voll- oder Teilzeitarbeit tätigen Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeitern betroffen?

6. Welche genaue finanzielle Förderung bzw. Förderung durch die Überlassung
sonstiger Werte oder Vergünstigungen (bitte angeben) in welcher Höhe aus
Bundesmitteln hat DITIB während der letzten 15 Jahre für welche Projekte
im Einzelnen erhalten?

7. Welche genaue finanzielle Förderung bzw. Förderung durch die Überlassung
sonstiger Werte oder Vergünstigungen (bitte angeben) in welcher Höhe aus
Landesmitteln hat DITIB nach Kenntnis der Bundesregierung während der
letzten 15 Jahre für welche Projekte im Einzelnen erhalten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11855
8. Ist der Bundesregierung bekannt, dass das Magazin „FOCUS“ bereits im Jahr
1994 über die Zuarbeit von DITIB-Mitarbeitern für den türkischen Geheim-
dienst MIT berichtete und dazu schrieb „Horchposten sind hier die zirka 700
staatlichen Moscheen in Deutschland. Nach FOCUS-Recherchen sind die
über die Konsulate bezahlten Imame als geistliche Oberhäupter verpflichtet,
alle vier Monate einen detaillierten Bericht über das Innenleben der türki-
schen Gemeinden zu schreiben. Bei ,Angelegenheiten der Inneren Sicher-
heit‘, so schreibt es die Operation mit dem Decknamen ,Wohlstand‘ vor, ist
das jeweilige Konsulat umgehend zu verständigen“ (www.focus.de/politik/
deutschland/tuerkischer-geheimdienst-erpresser-im-freundesland_aid_1458
32.html)?
a) Inwieweit hat die Bundesregierung versucht, die diesbezüglichen Vor-

würfe einer Zuarbeit von DITIB für den türkischen Geheimdienst zu klä-
ren?

b) Welche Schlussfolgerungen zog die Bundesregierung aus den Vorwürfen
einer Geheimdienstzuarbeit bezüglich ihrer Kooperation mit DITIB?

c) Inwieweit hat die Bundesregierung die in dem „FOCUS“-Beitrag erhobe-
nen Vorwürfe in Gesprächen mit der türkischen Regierung oder türki-
schen Behörden thematisiert?

d) Inwieweit, wann, und und mit welchem Ergebnis wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung vor dem derzeit laufenden Ermittlungsverfahren ge-
gen DITIB-Imame bereits Ermittlungsverfahren gegen DITIB-Funktionäre
oder Imame wegen Spionageverdachts bzw. Agententätigkeit eingeleitet?

9. Ist der Bundesregierung ein von verschiedenen türkischen Medien veröffent-
lichtes und im türkischen Parlament thematisiertes Schreiben des damaligen
türkischen Innenministers Muammer Güler vom 15. März 2013 an den Gou-
verneur von Hatay und mutmaßlich weitere Gouverneure der an Syrien gren-
zenden Provinzen bekannt, in dem Muammer Güler die Order erteilt, die aus
verschiedenen Ländern stammenden Mudschaheddin – gemeint waren An-
hänger der zu Al Qaida gehörenden Al Nusra Front – vor dem Grenzübertritt
nach Syrien in Gästehäusern der Religionsbehörde Diyanet unterzubringen
und ihnen Trainingsmöglichkeiten zu geben (www.hurriyetdailynews.com/
chp-lawmakers-accuse-turkish-government-of-protecting-isil-and-al-nusra-
militants.aspx?pageID=238&nID=67750&NewsCatID=338)?
a) Hat sich die Bundesregierung darum bemüht, die Authentizität des Schrei-

bens zu überprüfen, und wenn ja, welche Schlussfolgerungen zog sie da-
raus?

b) Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit Beamte der Religionsbehörde
Diyanet dieser Order nachkamen und ausländische Kämpfer terroristi-
scher Vereinigungen wie der Al Nusra Front in Gästehäusern von Diyanet
beherbergt haben?

c) Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob Diyanet-Beamte, die
Kämpfer ausländischer terroristischer Vereinigungen betreut haben, spä-
ter als Religionsbeamte in DITIB-Moscheen eingesetzt wurden?

d) Wie versucht die Bundesregierung gegenüber der türkischen Regierung
sicherzustellen, dass keine Diyanet-Beamte, die vorher für die Betreuung
von Mitgliedern terroristischer Vereinigungen zuständig waren, als Reli-
gionsbeamte nach Deutschland geschickt werden?

Berlin, den 24. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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