BT-Drucksache 18/11841

Stand der Umsetzung des europäischen Migrationsmanagements am Horn von Afrika

Vom 24. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11841
18. Wahlperiode 24.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Andrej Hunko, Annette Groth, Heike Hänsel,
Ulla Jelpke, Jan Korte, Katrin Kunert, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Stand der Umsetzung des europäischen Migrationsmanagements am Horn
von Afrika

Das europäische Migrationsmanagement in Ostafrika nimmt immer konkretere
Formen an. So hat die EU jüngst Verbindungsbeamte für Migration im Sudan und
Äthiopien benannt (COM(2017) 205 final, S. 17). In Khartoum wurde mittler-
weile ein Büro des Regionalvorhabens Better Migration Management (BMM) er-
öffnet, das vom EU-Treuhandfonds für Afrika (EUTF) finanziert und von der
Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH koordi-
niert wird (Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Ausschussdrucksache 18(19)520). Im März 2017 hat zudem ein Kick-Off-Work-
shop des BMM für die Planung von Maßnahmen im Sudan stattgefunden. Bei
einem parlamentarischen Frühstück der GIZ zum Regionalvorhaben hatte die GIZ
im November 2016 versichert, dass als Sachleistungen nur Büromaterial an die
Länder am Horn von Afrika geliefert werde und dass für den Fall, dass die Pro-
jektländer andere Materialwünsche hätten, diese im Lenkungsgremium des
BMM-Vorhabens besprochen und abgesegnet werden müssten.
Das Regionalvorhaben BMM wird seit kurzem von einem weiteren EUTF-Vor-
haben flankiert, dem Regional Operational Centre in support of the Khartoum
Process and AU-Horn of Africa Initiative (ROCK), das im Polizeitrainingszent-
rum von Khartoum angesiedelt wird (http://ec.europa.eu/europeaid/sites/devco/
files/regional-operational-centre_en.pdf, S. 2). Erklärtes Ziel des Projekts ist ein
verstärkter Informationsaustausch zwischen den Ländern des Khartoum-Prozes-
ses in den Bereichen irreguläre Migration und Schmugglernetzwerke. Aufbauend
auf den Erfahrungen des BMM geht es bei ROCK auch um das „zur Verfügung
Stellen von Geräten zur Datensammlung“ (ebenda, S. 7). Laut einem Bericht von
EU-Parlamentariern bezeichneten Diplomaten vor Ort dieses Vorhaben als das
heikelste EU-Projekt im Sudan (GUE/NGL 2016: EU and Italian cooperation
with Sudan on border control: what is at stake?, S. 9). Neben der regionalen Zu-
sammenarbeit soll im Rahmen von ROCK auch die Kooperation mit INTERPOL,
EUROPOL und der Africa Frontex Intelligence Community (AFIC) gestärkt wer-
den. AFIC veröffentlicht jährlich einen Bericht über die Entwicklung der irregu-
lären Migration und der Aktivitäten sogenannter Menschenschmuggler in Afrika.
Die Veröffentlichung des Berichts von 2016, die für Januar 2017 angekündigt
war (http://frontex.europa.eu/news/eu-liaison-officers-met-within-the-framework-
of-the-africa-frontex-intelligence-community-cqKYTf), steht aber noch aus.
Auch andere Vorhaben im Sudan wollen den Grenzschutz stärken, so beispiels-
weise die von mehreren UN-Organisationen sowie der Internationalen Organisa-
tion für Migration (IOM) konzipierte „Strategy to Address Human Trafficking,
Kidnappings and Smuggling of Persons in Sudan“ (www.refworld.org/pdfid/

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581b3ba64.pdf). Im Rahmen dieser Strategie soll auch das 2014 vom Sudan ge-
gründete nationale Komitee zur Bekämpfung von Menschenhandel (National
Committee to Combat Human Trafficking, NCCT) eine wichtige Rolle spielen.
Laut dem bereits genannten Bericht der EU-Parlamentarier hat dieses Komitee
jedoch bisher weder ein Budget, noch einen physischen Arbeitsplatz, geschultes
Personal oder „Safe Houses“ für Opfer von Menschenhandel (GUE/NGL 2016,
S. 12).
Den Berichten mehrerer Medien und Hilfsorganisationen zufolge hat sich die
Situation von Flüchtlingen im Sudan trotz all der genannten Maßnahmen in letz-
ter Zeit massiv verschlechtert. Zum einen sind die staatliche Gewalt gegenüber
Flüchtlingen und deren erzwungene Rückführung in ihre Herkunftsländer ange-
stiegen (www.theguardian.com/global-development/2017/feb/27/eu-urged-to-end-
cooperation-with-sudan-after-refugees-whipped-and-deported), zum anderen hat
auch die Gewalt, die von Schlepperbanden und Menschenhändlern im Sudan aus-
geht, massiv zugenommen (Médicines sans frontières: Dying to Reach Europe:
Eritreans in Search of Safety, insb. S. 24 bis 27).
Nicht nur im Sudan tritt der repressive Charakter des Regimes zurzeit recht offen
zutage. In Äthiopien hat die Regierung im Oktober 2016 den Ausnahmezustand
ausgerufen, durch welchen demokratische Rechte weiter beschnitten werden.
Äthiopien hat seit Dezember 2016 den Vorsitz des sogenannten Khartoum-Pro-
zesses inne – einer Dialogplattform zwischen der EU und den Ländern am Horn
und Afrika in Migrationsfragen –, wo es nach Auskunft der Europäischen Kom-
mission eine aktive und konstruktive Rolle einnimmt (COM(2017) 205 final,
S. 9) Zudem ist Äthiopien eines der Länder, mit denen die EU eine sogenannte
Migrationspartnerschaft abgeschlossen hat. Im Zuge dessen haben jüngst mehrere
hochrangige Treffen zwischen der EU und dem äthiopischen Regime stattgefun-
den (ebenda).
Wichtige Zwischenstation für viele ostafrikanische Flüchtlinge auf ihrem Weg
nach Europa ist Libyen. Dort soll nun die IOM dafür sorgen, dass die Quote von
rückkehrenden oder abzuschiebenden Migranten aus Libyen signifikant erhöht
wird (www.epochtimes.de/politik/welt/iom-will-7000-fluechtlinge-in-libyen-in-
heimatlaender-zurueckbringen-a2061587.html). Am 21. März 2017 haben sich
zudem die Innenminister mehrerer europäischer und afrikanischer Länder
in Rom getroffen, um über die Bewältigung unerwünschter Migration aus afrika-
nischen Ländern zu diskutieren (www.sueddeutsche.de/politik/italien-italien-
erwartet-rekordzahl-von-fluechtlingen-1.3428160). Einen Tag zuvor hatte der
italienische Innenminister zudem angekündigt, zusammen mit der Einheitsregie-
rung Flüchtlingslager in Libyen einrichten zu wollen (http://gleft.de/1En).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wer sind die EU-Verbindungsbeamten für Migration im Sudan und Äthio-

pien, wodurch haben sie sich für diesen Posten qualifiziert, und worin beste-
hen ihre Aufgaben in diesen Ländern?

2. Welche Informationen besitzt die Bundesregierung über das nationale Ko-
mitee zur Bekämpfung von Menschenhandel (NCCT) im Sudan?
a) Aus welchen Mitgliedern setzt sich der NCCT zusammen?
b) Worin besteht genau dessen Aufgabe, und wie kommt es dieser nach?
c) Mit welchen staatlichen Stellen und (internationalen) Organisationen ar-

beitet das NCCT zusammen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11841
d) Wie finanziert sich das NCCT?
e) Arbeiten Deutschland oder die EU mit dem NCCT zusammen bzw. finan-

zieren das Komitee?
Wenn ja, wie, und mit welchen Mitteln?
Wenn nein, warum nicht?

3. Welche Personen arbeiten nach Kenntnis der Bundesregierung im BMM-Re-
gionalbüro in Khartoum, welche Aufgaben nehmen sie war, und wie lange
soll dieses Büro bestehen?

4. Welche Maßnahmen wurden im Rahmen der zweiten Projektkomponente
des BMM (Kapazitätsaufbau) nach Informationen der Bundesregierung bis-
her durchgeführt bzw. sind in Planung (bitte für die einzelnen Länder ge-
trennt anführen)?

5. Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Ergebnisse des Kick-
Off-Workshops im Sudan im März 2017 zur Planung konkreter Maßnahmen
im Rahmen des Regionalvorhabens BMM?

6. Gab es solche Kick-Off-Workshops nach Informationen der Bundesregie-
rung auch in anderen Ländern des Regionalvorhabens BMM, und wenn ja,
was waren deren Ergebnisse (bitte für Länder einzeln anführen)?

7. Welche Materiallieferungen hat es im Rahmen des BMM an die einzelnen
Länder nach Informationen der Bundesregierung bisher gegeben, und welche
sind in Planung (bitte für Länder einzeln angeben, inklusive Zweck der Ma-
terialanschaffung und Kosten)?

8. Wurden nach Informationen der Bundesregierung an das Lenkungsgremium
des BMM bisher Anfragen zu Materiallieferungen, die über Büromaterial
hinausgehen, gestellt?
Wenn ja, welche sind dies, und wie wurden diese Anfragen behandelt?

9. Inwiefern haben sich die Planung und Etablierung von „Safe Houses“, „Re-
ception Centers“ und „Migration Response Centers“ im Rahmen des Regio-
nalvorhabens BMM im Sudan sowie in den anderen Projektländern begon-
nen, wo sollen diese installiert werden, und für welche Flüchtlingsgruppen
sind diese vorgesehen (auch für Binnenflüchtlinge)?

10. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Rah-
men der „Strategy to Address Human Trafficking, Kidnappings and Smugg-
ling of Persons in Sudan“ seit 2013 im Bereich des Grenzschutzes gesetzt
(bitte um Aufschlüsselung der einzelnen Maßnahmen und des gelieferten
Materials sowie deren Kosten für die einzelnen Jahre seit Beginn der Strate-
gie)?
Inwiefern fließen auch Budgetmittel der EU oder Deutschlands in diese Stra-
tegie?

11. Inwiefern sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen dem
Anstieg der Gewalt gegenüber Flüchtlingen im Sudan durch staatliche Ak-
teure und kriminelle Schleppernetzwerke auf der einen Seite und dem Ver-
such von Deutschland und der EU, Flucht und Migration aus der Region nach
Europa einzudämmen?

12. Falls die Bundesregierung hier keinen Zusammenhang sieht, wie erklärt sie
sich den Gewaltanstieg und den Umstand, dass dieser mit dem gestiegenen
Engagement der EU beim Migrationsmanagement zeitlich korreliert, dann?

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13. Inwiefern besitzt die Bundesregierung Hinweise dazu, dass auch Mitglieder

des sudanesischen Regimes an Schleppernetzwerken beteiligt sind bzw.
diese Schleppernetzwerke mit Mitgliedern des Regimes oder staatlichen Be-
hörden kooperieren?

14. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von europäischen Diplomaten,
dass es sich bei ROCK um das heikelste von der EU-finanzierte „Migrati-
onsmanagement-Projekt“ im Sudan handle?

Wenn nein, warum nicht?
15. Welchen Vorteil hat es nach Meinung der Bundesregierung, dem Regional-

vorhaben BMM mit ROCK ein weiteres EUTF-Projekt an die Seite zu stel-
len, obwohl die Ziele der beiden Projekte sehr ähnlich sind?

16. Die Lieferung welcher Sachgüter ist nach Kenntnis der Bundesregierung im
Rahmen von ROCK an welche Staaten prinzipiell vorstellbar?

17. Seit wann existiert nach Kenntnis der Bundesregierung das Polizeitrainings-
zentrum in Khartoum, und von wem wird es betrieben?

18. Seit wann nutzen die EU bzw. die Bundesregierung das Polizeitrainingszent-
rum in Khartoum für die Durchführung von Projekten im Rahmen des Mig-
rationsmanagements?

19. Welche Maßnahmen wurden dort in diesem Bereich bisher durchgeführt
(bitte um Liste der konkreten Maßnahmen, des jeweiligen Datums, der be-
teiligten Staaten und Akteure sowie der übergeordneten Projekte, in deren
Rahmen die Maßnahmen stattfanden)?
Welche weiteren Maßnahmen sind dort bisher geplant (bitte ebenfalls um
Liste mit denselben Angaben)?

20. Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung Inhalt und Ergebnisse fol-
gender Treffen zwischen Spitzenpolitikern der EU und Äthiopiens (vgl.
COM(2017) 205 final, S. 9) in den letzten Monaten:
a) EU-Entwicklungskommisar Neven Mimica mit Premierminister

Hailemariam Desalegn im Januar 2017,
b) Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini

mit Außenminister Dr. Workneh Gabeyehu im Februar 2017 am Rande
der Sicherheitskonferenz,

c) Besuch von Minister Gabeyehu in Brüssel im März,
d) Besuch von Mogherini in Äthiopien im März 2017?

21. Worin besteht nach Kenntnis der Bundesregierung die „aktive und konstruk-
tive Rolle“, die das äthiopische Regime im Rahmen des Khartoum-Prozesses
und als dessen Vorsitzender einnimmt?

22. Hat der Umstand, dass in Äthiopien seit Oktober 2016 der Ausnahmezustand
gilt, Folgen für die Zusammenarbeit der EU und Deutschlands mit dem äthi-
opischen Regime bei Flucht- und Migrationsfragen?

Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?

23. Warum wurde der AFIC-Bericht für 2016 nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bisher noch nicht veröffentlicht?

24. Was sind nach Informationen der Bundesregierung die wesentlichen Ergeb-
nisse des AFIC-Berichts für 2016, und welche Handlungsempfehlungen wer-
den dort gegeben?

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25. Was ist der Bundesregierung über Pläne des IOM bekannt, Personal in Li-

byen und den angrenzenden Ländern zu stationieren, um die Quote von rück-
kehrenden oder abzuschiebenden Migranten aus Libyen signifikant zu erhö-
hen?

26. Auf welche Weise (etwa Sach- und Personalmittel, Ausrüstung, diplomati-
sche Bemühungen) werden diese Maßnahmen von der Europäischen Union
oder ihren Mitgliedstaaten unterstützt?

27. Welche Innenminister trafen sich am 21. März 2017 in Rom, um über die
Bewältigung unerwünschter Migration aus afrikanischen Ländern zu disku-
tieren?
a) Welche Themen standen auf der Tagesordnung?
b) Welche Maßnahmen wurden vorgestellt oder beschlossen, um Menschen

aus Afrika daran zu hindern, „sich durch Libyen auf den Weg zu machen“,
wie es Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière zusammenfasste?

c) Was ist der Bundesregierung über die Umsetzung der erneut vorgetrage-
nen Ankündigung des italienischen Innenministers bekannt, zusammen
mit der Einheitsregierung Flüchtlingslager in Libyen einrichten zu wol-
len?

Berlin, den 24. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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