BT-Drucksache 18/11758

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/11133, 18/11727, 18/11733 - Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen

Vom 29. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11758

18. Wahlperiode 29.03.2017

Änderungsantrag

der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Ulle Schauws, Kerstin Andreae,
Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Katja Dörner, Kai Gehring,
Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink, Renate Künast, Tabea Rößner,
Dr. Julia Verlinden, Beate Walter-Rosenheimer, Elisabeth Scharfenberg,
Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/11133, 18/11727, 18/11733 –

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen

Der Bundestag wolle beschließen:

In Artikel 1 werden die §§ 17 bis 20 durch die folgenden §§ 17 bis 20c ersetzt:

㤠17

Zertifizierung betrieblicher Prüfverfahren, Aufgaben der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes

(1) Betriebliche Prüfverfahren im Sinne dieses Abschnitts sind ausschließlich sol-
che, die die allgemeinen Anforderungen nach § 18 und die besonderen Anforderungen
nach § 19 erfüllen und die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aufgrund
dessen zertifiziert worden sind. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann die
Gültigkeit des Zertifikates befristen.

(2) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes informiert auf ihrer Internetseite
über das Verfahren zur Erlangung des Zertifikats. Sie veröffentlicht auf ihrer Internet-
seite eine Liste der von ihr zertifizierten Verfahren und den Stellen, die diese Verfah-
ren anbieten. Die Angabe enthält auch allgemeine Verfahrensbeschreibungen zu den
zertifizierten Verfahren. Diese Liste wird regelmäßig aktualisiert.

§ 18

Allgemeine Anforderungen an betriebliche Prüfverfahren

Betriebliche Prüfverfahren erfüllen die allgemeinen Anforderungen, wenn sie

1. die Entgeltregelungen und ihre Anwendung auf die Beachtung des Verbotes der
Entgeltbenachteiligung im Sinne des § 3 überprüfen und dazu

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a) die Bestimmungen des § 4 Absatz 1 bis 4 in Bezug auf die Prüfung gleicher
oder gleichwertiger Tätigkeiten anwenden und

b) die Begriffsbestimmungen nach § 5 berücksichtigen,

c) die verschiedenen im Betrieb gezahlten Entgeltbestandteile separat berück-
sichtigen;

2. aus Bestandsaufnahme, Analyse und Ergebnisbericht bestehen,

3. bei der Bearbeitung von Daten

a) valide, statistische Methoden verwenden,

b) die verwendeten Daten nach Geschlecht aufschlüsseln und

c) den Schutz personenbezogener Daten gewährleiten;

4. eine Dokumentation der Abläufe und Ergebnisse des betrieblichen Prüfverfah-
rens nachvollziehbar gewährleisten.

§ 19

Besondere Anforderungen an betriebliche Prüfverfahren

Betriebliche Prüfverfahren erfüllen die besonderen Anforderungen, wenn

1. die Bestandsaufnahme mindestens die Darstellung der aktuell verwendeten Ver-
fahren zur Arbeitsbewertung, die Entgeltregelungen und deren Geltungsbereiche,
die Verfahren zur Vergabe der Entgeltbestandteile sowie deren Wirkungen mit
nach Geschlecht aufgeschlüsselten Angaben erfasst und hierzu insbesondere die
Daten nach § 21 vorsieht,

2. die Analyse mindestens

a) die Auswertung der in der Bestandaufnahme gemachten Angaben im Hin-
blick auf die Beachtung des Verbotes der Entgeltbenachteiligung im Sinne
des § 3 umfasst,

b) eine vertiefende Überprüfung mittels zusätzlicher statistischer Auswertun-
gen ermöglicht sowie

c) Methoden umfasst, die die geeigneten Tätigkeiten oder Tätigkeitsgruppen
im Hinblick auf ihre Gleichwertigkeit identifizieren und überprüfen können;

3. aus der Bestandsaufnahme und der Analyse ein Ergebnisbericht erstellt wird, der
Hinweise zur Durchführung weiterer erforderlicher Maßnahmen sowie, soweit
notwendig, Anhaltspunkte für die Anpassung der Entgeltregelungen enthält.

§ 20

Anwendung und Durchführung betrieblicher Prüfverfahren

(1) Unternehmen mit in der Regel mindestens 500 Beschäftigten haben mit einem
betrieblichen Prüfverfahren im Sinne des § 17 Absatz 1 ihre Entgeltbestandteile
und -bedingungen auf die Beachtung des Verbotes der Entgeltbenachteiligung im
Sinne des § 3 zu überprüfen. Nimmt in einem Konzern das herrschende Unternehmen
auf die Entgeltbedingungen eines, mehrerer oder aller anderen Konzernunternehmen
entscheidenden Einfluss, kann das herrschende Unternehmen das betriebliche Prüfver-
fahren nach Satz 1 für alle Konzernunternehmen durchführen.

(2) Die Pflicht nach Absatz 1 gilt auch für die obersten Bundesbehörden sowie
die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts des Bundes. Sie
haben in das betriebliche Prüfverfahren die Behörden des jeweiligen Geschäftsberei-
ches einzubeziehen.

(3) In die Prüfung sind alle Beschäftigten einzubeziehen, die dem gleichen Ent-
geltsystem unterliegen, unabhängig davon, welche individualrechtlichen, tariflichen
und betrieblichen Rechtsgrundlagen dabei zusammenwirken. Soweit das Unternehmen

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Betriebe in verschiedenen Regionen unterhält, kann die Prüfung regionenbezogen er-
folgen.

(4) Die Prüfung erfolgt alle drei Jahre. Unternehmen, die nach § 3 Absatz 1 des
Tarifvertragsgesetzes tarifgebunden sind, müssen das Prüfverfahren nur alle fünf Jahre
durchführen. Satz 2 gilt auch für die obersten Bundesbehörden sowie die Körperschaf-
ten, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.

(5) Die ordnungsgemäße Überprüfung nach Absatz 1 umfasst

1. die Bestandsaufnahme der betrieblichen Entlohnungspraxis und ihre Analyse,

2. die Erstellung eines Ergebnisberichtes aus Bestandsaufnahme und Analyse,

3. eine nachvollziehbare Dokumentation der Verfahrensschritte und der Ergebnisse
des betrieblichen Prüfverfahrens sowie

4. die betriebsinterne Veröffentlichung des Ergebnisberichtes durch Aushang. Per-
sonenbezogene Daten müssen dabei anonymisiert sein. Die Überprüfung bezieht
sich auf das jeweils letzte abgeschlossene Geschäftsjahr.

(6) Alle anderen Arbeitgeber können in eigener Verantwortung und mit Hilfe be-
trieblicher Prüfverfahren ihre Entgeltbestandteile und -bedingungen auf die Beachtung
des Verbotes der Entgeltbenachteiligung im Sinne des § 3 überprüfen.

§ 20a

Information der Tarifvertragsparteien

Enthält der Ergebnisbericht eines betrieblichen Prüfverfahrens objektive Anhalts-
punkte für Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Bezug auf das Entgelt, die
unmittelbar auf tarifrechtliche Entgeltregelungen zurückzuführen sind, sind die zu-
ständigen Tarifvertragsparteien hierüber unverzüglich zu informieren.

§ 20b

Beseitigung der Entgeltbenachteiligungen, Umsetzungsplan

(1) Weist der Ergebnisbericht eines betrieblichen Prüfverfahrens Benachteiligun-
gen auf Grund des Geschlechts in Bezug auf das Entgelt auf, die auf betriebliche oder
individuelle Entgeltregelungen zurückzuführen sind, sind diese unverzüglich zu besei-
tigen. Bis die Benachteiligungen nach Satz 1 beseitigt sind, hat eine Anpassung an die
günstigere Regelung oder Einstufung zu erfolgen.

(2) Im Übrigen hat der Arbeitgeber einen Umsetzungsplan zu erstellen, der do-
kumentiert, welche Änderungen er auf Grund des Ergebnisberichtes vornehmen wird.
Dies gilt insbesondere bei Änderungen der Verfahren der Arbeitsbewertung, der Ein-
stufung von Tätigkeiten oder der Entgeltregelungen. Der Umsetzungsplan ist betriebs-
intern durch Aushang zu veröffentlichen.

§ 20c

Rechte der Beschäftigten und des Betriebs- oder Personalrates

(1) Die Beschäftigten sind über die Durchführung sowie über die Ergebnisse des
betrieblichen Prüfverfahrens zu informieren.

(2) Der Arbeitgeber hat den Betriebs- oder Personalrat an der Durchführung des
betrieblichen Prüfverfahrens zu beteiligen. Dazu hat er ihn insbesondere über die Pla-
nung des betrieblichen Prüfverfahrens rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Un-
terlagen zu unterrichten, unter anderem über die Auswahl und den Ablauf des betrieb-
lichen Prüfverfahrens. Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebs- oder Personalrat das vor-
gesehene betriebliche Prüfverfahren so rechtzeitig zu beraten, dass Vorschläge und

Drucksache 18/11758 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bedenken des Betriebs- oder Personalrats bei der Planung berücksichtigt werden kön-
nen. Der Betriebs- oder Personalrat ist regelmäßig über den Ablauf des Verfahrens
sowie über die Ergebnisse des betrieblichen Prüfverfahrens zu informieren.

(3) Die Beteiligung des Betriebs- und Personalrats an der Aufstellung und der
Ausführung des Umsetzungsplans nach § 20b Absatz 2 ist nach den Vorgaben des
Betriebsverfassungs- sowie des Bundespersonalvertretungsgesetzes sicherzustellen.
Liegt ein Fall des § 87 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes vor, ist § 87 Absatz 2
des Betriebsverfassungsgesetzes zu beachten. § 71 des Bundespersonalvertretungsge-
setzes findet Anwendung.

(4) Soweit der Arbeitgeber nicht bereits nach § 20 Absatz 1 oder 2 zur Anwen-
dung eines betrieblichen Prüfverfahrens verpflichtet ist, kann der Betriebsrat vom Ar-
beitgeber die Durchführung eines nach § 17 Absatz 1 zertifizierten betrieblichen Prüf-
verfahrens verlangen, wenn

1. ein individuelles Auskunftsverlangen nach § 10 Absatz 1 objektive Anhalts-
punkte auf eine Benachteiligung auf Grund des Geschlechts beim Entgelt ergeben
hat, die über das individuelle Anliegen hinaus Bedeutung haben, oder

2. mehrere voneinander unabhängige individuelle Auskunftsverlangen nach § 10
Absatz 1 objektive Anhaltspunkte auf eine Benachteiligung auf Grund des Ge-
schlechts beim Entgelt ergeben haben.“

Berlin, den 28. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Dieser Änderungsantrag übernimmt weitgehend die Regelungen zu betrieblichen Prüfverfahren und ihrer Zerti-
fizierung, wie sie im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom
9. Dezember 2015 zu finden sind.

Eine bloße gesetzliche Aufforderung zur Durchführung betrieblicher Prüfverfahren ist nicht geeignet, das ange-
strebte Ziel einer größeren Transparenz über geschlechtsspezifische Lohnstrukturen zu erreichen und damit Dis-
kriminierungen entgegenzuwirken. Bereits jetzt stehen erprobte Verfahren zur Verfügung, um die geschlechts-
spezifischen Lohnstrukturen im Betrieb mit relativ geringem Aufwand zu überprüfen.

Unerlässlich ist daher eine Verpflichtung zur Durchführung betrieblicher Verfahren zur Überprüfung und Her-
stellung von Entgeltgleichheit. Auch Regelungen zur Zertifizierung betrieblicher Prüfverfahren, zur Verpflich-
tung von Unternehmen zur Durchführung dieser Prüfverfahren in regelmäßigen zeitlichen Abständen und zur
Beseitigung der festgestellten Entgeltbenachteiligung sollten in den aktuellen Gesetzentwurf aufgenommen wer-
den.

Nur auf der Grundlage von geeigneten und zertifizierten Prüfverfahren auf betrieblicher Ebene kann festgestellt
werden, ob und welche strukturellen Unterschiede bei der Entgeltbemessung zwischen Männern und Frauen be-
stehen.

Verzichtet das Gesetz auf eine derartige Verpflichtung, hinge die Minderung der Lohnlücke ausschließlich von
den – für diese durchaus hochschwelligen – Auskunftsverlangen der weiblichen Beschäftigten und den von ihnen
anschließend ergriffenen Schritten ab. Dies ist angesichts der hohen Lohnlücke in Deutschland und der grundge-
setzlichen Verpflichtung des Staates zur Herstellung von Gleichheit zwischen den Geschlechtern vollkommen
unzureichend.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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