BT-Drucksache 18/11688

Strukturen des Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen

Vom 15. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11688
18. Wahlperiode 15.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Christine Buchholz, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Strukturen des Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum der
Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen

Im September 2015 gab die Bundesministerin der Verteidigung, Ursula von der
Leyen die Einrichtung eines Aufbaustabes für den Bereich Cyber/IT in der Bun-
deswehr bekannt. Im entsprechenden Tagesbefehl vom 17. September 2015 heißt
es: „Die Bundeswehr hat bereits gute Fähigkeiten im Cyber-Raum und in der In-
formationstechnologie (IT) – diese sind aber organisatorisch verstreut“. Ziel des
Aufbaustabes unter Verantwortung der Staatssekretärin Suder und Leitung des
Beauftragten für die Strategische Steuerung Rüstung sei es, einen eigenen, dem
Bundesministerium „unmittelbar nachgeordneten“ Organisationsbereich zu
schaffen, der diese Fähigkeiten zusammenfasst und bündelt (Bundesverteidi-
gungsministerin Dr. Ursula von der Leyen: Tagesbefehl vom 17. September
2015). Im April legte dieser Aufbaustab seine „Empfehlungen zur Neuorganisa-
tion von Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Aufgaben im Cyber- und In-
formationsraum sowie ergänzende Maßnahmen zur Umsetzung der Strategischen
Leitlinie Cyber-Verteidigung“ vor. Darin empfiehlt er „die Einrichtung einer Ab-
teilung Cyber/IT (CIT) im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) zum 1.
Oktober 2016 (Grundbefähigung)“ und die „Aufstellung eines militärischen Or-
ganisationsbereichs für den Cyber- und Informationsraum mit einer Inspekteurin
bzw. einem Inspekteur an der Spitze zum 1. April 2017 (Erstbefähigung)“. Tat-
sächlich wurde im Oktober 2016 die Ministeriumsabteilung Cyber- und Informa-
tionstechnik (CIT) in Berlin in Dienst gestellt und der Leiter des Aufbaustabes,
Luftwaffen-Generalmajor Ludwig Leinhos, als zukünftiger Inspekteur des Kom-
mandos Cyber- und Informationsraum (CIRK) bestimmt, das auf der Bonner
Hardthöhe stationiert werden soll und mit etwa 230 Dienstposten die Führung von
13 700 Kräften übernehmen soll. Mit eigenem Inspekteur ist dieser Organisati-
onsbereich CIRK den bisherigen Teilstreitkräften nahezu gleichgestellt und hat
einen vergleichbaren Umfang wie die Marine.
Der Organisationsbereich CIRK wird sich weitgehend aus bereits bestehenden
Einheiten zusammensetzen, von denen viele in Nordrhein-Westfalen stationiert
sind. Dazu gehören das ebenfalls auf der Bonner Hardthöhe stationierte Füh-
rungsunterstützungskommando (zukünftig Kommando Informationstechnik der
Bundeswehr, KdoITBw) sowie die diesem nachgeordneten Einheiten Betriebs-
zentrum IT-System der Bundeswehr (BtrbZ IT-SysBw) in Rheinbach und das
Zentrum für Informationstechnik der Bundeswehr in Euskirchen. Das ebenfalls
direkt dem Kommando Cyber- und Informationsraum unterstehende Kommando
Strategische Aufklärung in Gelsdorf liegt im Landkreis Ahrweiler, Rheinland-

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Pfalz, direkt an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Das ihm unterstehende Zen-
trum Geoinformationswesen der Bundeswehr (Euskirchen) und das (zukünftige)
Zentrum Cyberoperationen (Rheinbach) liegen wiederum in NRW, das Zentrum
Operative Kommunikation (Mayen) und die Auswertezentrale Elektronische
Kampfführung (Daun) im benachbarten Rheinland-Pfalz (http://cyber-peace.org/
2016/04/27/auswertung_aufbaustab_cirk/). Auch mehrere Dienstposten des Bun-
desamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in
Koblenz sollen zukünftig dem Kommando Cyber- und Informationsraum unter-
stellt werden.
Dem Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum wird auch die unterneh-
merische Steuerung der Bundeswehr Informationstechnik GmbH (BWI) als In-
house-Gesellschaft übertragen. Diese hat ihren Sitz wiederum in Meckenheim,
NRW, beschäftigt etwa 2 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unterhält drei
Rechenzentren, 25 Servicecenter, vier User-Help-Desks und drei Betriebskompe-
tenzzentren, viele davon wiederum in NRW. Für die Forschung im Bereich Cy-
ber- und Informationsraum sind die Fraunhofer-Institute für Hochfrequenzphysik
und Radartechnik (FHR) sowie für Kommunikation, Informationsverarbeitung
und Ergonomie (FKIE) auf dem Wachtberg bei Bonn von zentraler Bedeutung
für die Bundeswehr. Beide haben in der Vergangenheit umfangreich Grundfinan-
zierung und Drittmittel aus dem Verteidigungshaushalt erhalten und teilweise in
enger Kooperation mit dem Institut für Informatik der Universität Bonn Projekte
aus dem Bereich Cyber- und Informationsraum bearbeitet. Zumindest in der Ver-
gangenheit waren die Institute auf dem Wachtberg auch an das Intranet der Bun-
deswehr angeschlossen (www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/7703-07.pdf).
Das Weißbuch des Bundesverteidigungsministeriums von 2016 erklärt im Cyber-
und Informationsraum einen Bedarf „defensiver und offensiver Hochwertfähig-
keiten, die es kontinuierlich zu beüben und weiterzuentwickeln gilt“ (S. 93).
Gleichwohl fehlt es dem Weißbuch an brauchbaren Definitionen, welche Grenzen
des Cyber- und Informationsraumes als Aufgabenbereich militärischen Handelns
festsetzen. Wörtlich heißt es, „der Cyber- und Informationsraum“ habe sich „zu
einem internationalen und strategischen Handlungsraum entwickelt, der so gut
wie grenzenlos ist“ (S. 37). „Cybersicherheit und -verteidigung“ seien „eine ge-
samtstaatliche Aufgabe, die gemeinsam zu bewältigen ist. Dazu gehört auch der
gemeinsame Schutz der kritischen Infrastrukturen“ (S.38). Entsprechend werden
„Verteidigungsaspekte der gesamtstaatlichen Cybersicherheit“ und „Beiträge
zum gesamtstaatlichen Lagebild im Cyber- und Informationsraum“ als „durch-
gängig wahrzunehmende Aufgaben“ (S. 93) der Bundeswehr definiert, ohne das
eine Abgrenzung von zivilen Aspekten der Cybersicherheit erfolgt und eine klare
Trennung der Aufgaben zwischen dem Organisationsbereich Cyber- und Infor-
mationsraum der Bundeswehr und zivilen Institutionen wie dem – ebenfalls in
Bonn ansässigen – Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erkenn-
bar wären. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Weißbuch die
„Nutzung der digitalen Kommunikation zur Beeinflussung der öffentlichen Mei-
nung – angefangen mit der unerkannten, gezielten Steuerung von Diskussionen
in sozialen Netzwerken bis hin zur Manipulation von Informationen auf Nach-
richtenportalen“ in unmittelbarem Zusammenhang mit Cyberangriffen nennt und
„als Element hybrider Kriegführung“ bezeichnet (S. 37).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Dienststellen an welchen Standorten werden zukünftig dem Orga-

nisationsbereich Cyber- und Informationsraum zugeordnet und dem Kom-
mando Cyber- und Informationsraum unterstellt (bitte nach Bundesland,
Standort und bisheriger Einheit auflisten)?

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2. Worin bestehen im Einzelnen die Aufgaben des Zentrums Cyberoperationen
der Bundeswehr in Rheinbach, und wie begründet die Bundesregierung de-
ren Eingliederung in den Organisationsbereich Cyber- und Informations-
raum?

3. Worin bestehen im Einzelnen die Aufgaben des Zentrums Abbildende Auf-
klärung in Grafschaft-Gelsdorf, und worin bestehen die Bezüge zum Orga-
nisationsbereich Cyber- und Informationsraum?

4. Worin bestehen im Einzelnen die Aufgaben des Zentrums Operative Kom-
munikation in Mayen, und worin bestehen die Bezüge zum Organisationsbe-
reich Cyber- und Informationsraum?

5. Worin bestehen im Einzelnen die Aufgaben des Zentrums für Geoinformati-
onswesen in Euskirchen, und worin bestehen die Bezüge zum Organisations-
bereich Cyber- und Informationsraum?

6. Worin bestehen im Einzelnen die Aufgaben des Zentrums Cybersicherheit in
Euskirchen, und worin bestehen die Bezüge zum Organisationsbereich Cy-
ber- und Informationsraum?

7. Worin bestehen im Einzelnen die Aufgaben des Betriebszentrums IT-Sys-
teme der Bundeswehr in Rheinbach, und worin bestehen die Bezüge zum
Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum?

8. Worin bestehen im Einzelnen die Aufgaben der Auswertungszentrale elekt-
ronische Kampfführung der Bundeswehr in Daun, und worin bestehen die
Bezüge zum Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum?

9. Welche Einheiten zur elektronischen Kampfführung an welchen Standorten
werden zukünftig dem Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum
zugeordnet und dem Kommando Cyber- und Informationsraum unterstellt,
und worin bestehen im Einzelnen ihre Aufgaben?

10. Welche Rolle spielt die Elektronische Kampfführung nach Auffassung der
Bundesregierung innerhalb des Cyber- und Informationsraumes, und worin
besteht nach ihrer Auffassung der Unterschied zwischen den Aufgaben der
Elektronischen Kampfführung und den allgemeinen Aufgaben des Organi-
sationsbereichs Cyber- und Informationsraum?

11. Welche IT-Bataillone der Bundeswehr werden zukünftig an welchen Stand-
orten dem Kommando Cyber- und Informationsraum unterstellt, und worin
bestehen im Einzelnen ihre Aufgaben?

12. Welche Beträge erhielten die Fraunhofer-Institute FHR und FKIE (und ihre
Vorgängerinstitutionen innerhalb der FGAN) in den vergangenen zehn Jah-
ren seitens der Bundesregierung
a) als Beitrag zur Grundfinanzierung und
b) als Drittmittel zur Bearbeitung konkreter Forschungsvorhaben
(bitte nach Jahr, Institut und Projekt auflisten)?

13. Welche der vom Bundesministerium der Verteidigung (teil-)finanzierten
Projekte der Fraunhofer-Institute FHR und FKIE betreffen u. a. die Aktivi-
täten der Bundeswehr im Cyber- und Informationsraum?

14. An welchen der vom Bundesverteidigungsministerium (teil-)finanzierten
Projekte waren Angehörige
a) der Bundeswehr,
b) der Universität Bonn,
c) der BWI GmbH
beteiligt?

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15. Besteht weiterhin eine Anbindung der Fraunhofer-Institute FKIE und/oder

FHR an das Intranet der Bundeswehr, und kann die Bundesregierung aus-
schließen, dass zukünftig kontinuierliche Beiträge zur Sicherheit der IT-Sys-
teme der Bundeswehr von den Fraunhofer-Instituten geleistet werden?

16. Über welche Standorte mit wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und
welcher technischen Infrastruktur verfügt die BWI GmbH nach Kenntnis der
Bundesregierung, und was sind im Einzelnen deren Aufgaben (bitte nach
Bundesländern und Standorten auflisten)?

17. Welche dieser Standorte der BWI GmbH umfassen auch militärische Dienst-
stellen (bitte nach Standort, Anzahl der Dienststellen und zugehöriger Ein-
heit auflisten)?

18. Worin besteht die unternehmerische Leitung der BWI GmbH durch das
Kommando Cyber- und Informationsraum, und welche Befugnisse haben die
militärischen Vorgesetzten gegenüber den zivilen Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter?

19. Wie definiert die Bundesregierung hybride Kriegführung und ist die Beteili-
gung ziviler Angestellter einer in Besitz des Bundes befindlichen GmbH an
der Cyberverteidigung aus ihrer Sicht selbst als Tendenz zur Hybridisierung
der Verteidigung zu bewerten?

20. Anhand welcher Kriterien werden innerhalb der „gesamtstaatlichen Cyber-
sicherheit“ jene „Verteidigungsaspekte“ identifiziert, deren Bewältigung
„durchgängig wahrzunehmende Aufgabe“ der Bundeswehr sind, und wie er-
folgt die praktische Aufgabenteilung zwischen der Bundeswehr und zivilen
Behörden bei der Gewährleistung von Cybersicherheit?

21. Welche Einheiten und Standorte, die dem Kommando Cyber- und Informa-
tionsraum unterstehen, werden in die Erstellung eines gesamtstaatlichen La-
gebilds im Cyber- und Informationsraum einbezogen, und welche Stelle ist
letztlich für die Erstellung und Übermittlung des militärischen Beitrags
hierzu verantwortlich?

22. Welche Einheiten und Standorte, die dem Kommando Cyber- und Informa-
tionsraum unterstehen, sind als durchgängig wahrzunehmende Aufgabe an
der Gewährleistung gesamtstaatlicher Cybersicherheit beteiligt, und welche
Einheiten und Standorte sind allein für den Schutz der Infrastrukturen der
Bundeswehr zuständig?

23. Gibt es Einschränkungen für Einheiten und Standorte, die dem Kommando
Cyber- und Informationsraum unterstehen, wonach diese nur tätig werden
dürfen, sofern ein Angriff durch einen staatlichen Gegner erfolgt und/oder
explizit auf Infrastrukturen der Bundeswehr zielt?

24. Zählt es zu den durchgängig wahrzunehmenden Aufgaben von Dienststellen,
die dem Kommando Cyber- und Informationsraum unterstehen, die Nutzung
der digitalen Kommunikation zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung
dahingehend zu überwachen, ob es sich hierbei um ein Element hybrider
Kriegführung handelt oder handeln könnte?

25. Nach welchen Kriterien wird die Beeinflussung der öffentlichen Meinung als
Element hybrider Kriegsführung oder Angriff auf den Cyber- und Informa-
tionsraum bewertet, und welche Gegenmaßnahmen sieht das Kommando
Cyber- und Informationsraum für diese Fälle vor?

Berlin, den 14. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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