BT-Drucksache 18/11680

Freiwillige Kämpferinnen und Kämpfer aus Deutschland gegen den IS

Vom 15. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11680
18. Wahlperiode 15.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Annette Groth, Niema Movassat, Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Freiwillige Kämpferinnen und Kämpfer aus Deutschland gegen den IS

Dem Kampf kurdischer Streitkräfte gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS)
und andere dschihadistische Gruppierungen in Nordsyrien und dem Nordirak ha-
ben sich auch ausländische Freiwillige unter anderem aus Europa und Nordame-
rika angeschlossen. Diese Freiwilligen kämpfen aufseiten der Peschmerga, der
Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sowie verschiedener jesidischer
Milizen im Nordirak sowie der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten
(YPG/YPJ) sowie der Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF) in Nordsyrien
(www.general-anzeiger-bonn.de/news/politik/ausland/Freiwillige-Krieger-gegen-
den-IS-article1513789.html; www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2015/06-13/
045.php; https://isku.blackblogs.org/3747/antifaschistisches-internationales-
bataillon-in-rojava-gegruendet/).
Rund 120 Deutsche hatten sich nach Informationen von „Bild am Sonntag“ bis
Februar 2016 kurdischen Einheiten zum Kampf gegen den IS angeschlossen
(www.bild.de/politik/inland/terrorismus/120-freiwillige-deutsche-gegen-isis-4
4729552.bild.html). Mehrere von ihnen wurden bereits getötet. So fielen in den
Jahren 2015 und 2016 der 21-jährige Kevin Jochim, die 19-jährige Ivana
Hoffmann sowie der 56-jährige frühere Bundeswehrsoldat Günter Helsten, die
sich den Volksbefreiungseinheiten YPG angeschlossen hatten, im Kampf gegen
den IS in Nordsyrien (www.bild.de/politik/ausland/syrien-krise/ex-bundeswehr-
soldat-stirbt-gegen-isis-44685018.bild.html; www.stern.de/politik/ausland/
islamischer-staat--ivana-hoffmann---erste-deutsche-stirbt-im-kampf-gegen-is-
in-syrien-5953412.html; www.welt.de/politik/ausland/article144890479/Kevin-
starb-fuer-Kurdistan.html).
Am 24. November 2016 wurden der Deutsche Anton Leschek und der US-Ame-
rikaner Michael Israel, durch einen nächtlichen Luftangriff türkischer Kampf-
flugzeuge auf ein von den Syrisch-Demokratischen Kräften (SDF) kontrolliertes
Dorf im Westen von Manbidsch getötet. Der aus Bielefeld stammende Anton
Leschek hatte sich im September 2016 nach der Befreiung der Stadt Manbidsch
vom IS dem dortigen Militärrat angeschlossen, um in Nordsyrien „die demokra-
tische Revolution zu unterstützen“ (https://anfenglish.com/kurdistan/mmc-two-in-
ternational-fighters-martyred-in-manbij). Auf die Schriftliche Frage 12 der Abge-
ordneten Ulla Jelpke, welche Schlussfolgerungen sie aus der Tötung eines deut-
schen Staatsbürgers beim Angriff eines NATO-Verbündeten auf die SDF ziehe,
antwortete die Regierung am 8. Dezember, sie setze sich „für ein koordiniertes
und abgestimmtes Vorgehen in Nordsyrien im Rahmen der Anti-IS-Koalition
ein“ (Bundestagsdrucksache 18/10695).

Drucksache 18/11680 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

In einem dem Innenausschuss des Bundestages vorgelegten „Bericht des Bundes-
ministeriums des Innern zu gegenwärtigen Erkenntnissen zur Fortführung des
Vereinsverbots der PKK“ vom 16. Oktober 2014 heißt es, dass die PKK „zuneh-
mend erfolgreich in dem Bemühen“ sei, „Kämpfer für Syrien“ also für den Kampf
gegen den terroristischen Islamischen Staat zu rekrutieren. Das „Gefährdungspo-
tential, das von dieser Personengruppe ausgeht“, sei quantitativ zwar geringer,
qualitativ aber nicht anders zu bewerten als das der djihadistischen Syrien-Kämp-
fer“, meinte das Bundesministerium des Innern (BMI). Auf Bundestagsdrucksa-
che 18/3702 erklärte die Bundesregierung, „Rekrutierungen und andere Unter-
stützungsleistungen für den bewaffneten Kampf terroristischer Gruppen zu miss-
billigen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verhindern. […] Das Gefähr-
dungspotential an der Waffe und Sprengstoffen ausgebildeter terroristischer
Kämpfer ist in allen Fällen vergleichbar. Unterschiede ergeben sich in der Frage
der Motivation und der Zielrichtung derartiger Kämpfer.“

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Personen aus Deutschland (bitte jeweils angeben, ob es sich um

deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger handelt bzw. über welchen
Aufenthaltsstatus die Personen verfügten) haben sich nach Kenntnis der
Bundesregierung dem bewaffneten Kampf gegen den Islamischen Staat in
Syrien und dem Irak angeschlossen und welchen Gruppierungen im Einzel-
nen sind diese Personen beigetreten (z. B. Peschmerga, YPG/YPJ, Internati-
onales Freiheitsbataillon, SDF, PKK-Guerilla, Widerstandseinheiten Shingal
YBS, Verteidigungskräfte Shingals HPS, schiitische Gruppierungen der
el-Schabi-Milizen/Volksmobilmachung im Irak u. a.)?

2. Wie viele deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die sich dem bewaff-
neten Widerstand gegen den IS angeschlossen haben, wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung wann und wo bei Kampfhandlungen in Syrien und dem
Irak getötet oder erlagen später ihren Verwundungen?
a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung jeweils über die Hinter-

gründe der Tötung (bitte möglichst detailliert auflisten, welche Gruppie-
rungen, Streitkräfte oder Terrorgruppen an welchem Gefecht nach Kennt-
nis der Bundesregierung beteiligt waren)?

b) Inwieweit, auf welchem Wege und mit welchem Erfolg hat sich die Bun-
desregierung in jedem dieser Fälle um eine Aufklärung der genauen To-
desumstände bemüht (bitte möglichst detailliert ausführen)?

c) Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in allen Fällen in Deutsch-
land Ermittlungsverfahren wegen der Tötung deutscher Staatsbürgerinnen
und Staatsbürger im Ausland eingeleitet?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, in welchen Fällen und warum nicht?

d) Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung bezüglich der Tötung von
Anton Leschek in Folge eines türkischen Luftangriffs ein Ermittlungsver-
fahren eingeleitet?
Wenn ja, gegen wen wird konkret ermittelt?

3. Hat die Bundesregierung den Tod von Anton Leschek infolge eines türki-
schen Luftangriffs auf ein syrisches Dorf am 24. November 2016 gegenüber
türkischen Regierungsstellen oder Behörden thematisiert?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11680
4. Hat die Bundesregierung nachgeprüft, ob definitiv keine Aufklärungsergeb-
nisse von Tornados der Bundeswehr, die mit dem Freigabevermerk „For
Counter-Daesh Operation only“ an die Anti-IS-Koalition weitergegeben
wurden, von der türkischen Luftwaffe bei ihrem Angriff auf SDF-Stellungen
bei Manbidsch genutzt wurden?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

5. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um sich,
wie sie in ihrer Antwort auf die Schriftliche Frage 12 im Dezember 2016 zu
den Schlussfolgerungen aus Anton Lescheks Tod infolge eines türkischen
Luftangriffs erklärte, „für ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen in
Nordsyrien im Rahmen der Anti-IS-Koalition“ einzusetzen (Antwort der
Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 12 der Abgeordneten Ulla Jelpke
auf Bundestagsdrucksache 18/10695)?

6. Inwieweit und in welchen Fällen und aus welchen Gründen erachtet die Bun-
desregierung eine Beteiligung deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger
oder in Deutschland aufenthaltsberichtigter Personen an Gruppierungen, die
in Syrien und dem Irak bewaffnet gegen den IS kämpfen, für unerwünscht,
unzulässig oder strafbar?

7. Stellen die bewaffneten Auseinandersetzungen im Kontext des Kampfes ge-
gen den IS nach Auffassung der Bundesregierung einen internationalen oder
nicht-internationalen bewaffneten Konflikt dar, und wenn ja, inwiefern und
in welchen konkreten Fällen machen sich deutsche Staatsbürgerinnen und
Staatsbürger strafbar, wenn sie sich einer im Kampf gegen den IS stehenden
bewaffneten Streitmacht anschließen?

8. Inwiefern, in welchen konkreten Fällen und auf welcher rechtlichen Grund-
lage hält die Bundesregierung Ausreiseverbote gegen Personen, die sich mut-
maßlich humanitären Projekten und zivilen Initiativen der gegen den IS in
Nordsyrien oder dem Nordirak kämpfenden Gruppierungen anschließen
wollen, für zulässig?

9. Inwiefern, in welchen konkreten Fällen und auf welcher rechtlichen Grund-
lage hält die Bundesregierung Ausreiseverbote gegen Personen, die sich mut-
maßlich dem bewaffneten Widerstand gegen den IS in Nordsyrien oder dem
Nordirak anschließen wollen, für zulässig?

10. In wie vielen und welchen Fällen wurden wann und auf welcher rechtlichen
Grundlage nach Kenntnis der Bundesregierung Ausreiseverbote gegen Per-
sonen verhängt, die im Verdacht standen, sich bewaffneten Gruppierungen
in Syrien oder dem Irak anzuschließen (bitte Namen der Gruppierungen an-
geben oder wenn dies nicht möglich ist, ob der Betroffene sich dem IS, an-
deren Dschihadisten oder einer gegen den IS und andere Dschihadisten
kämpfenden kurdischen, jesidischen oder schiitischen Gruppierung bzw. Re-
gierungskräften anschließen wollte)?

11. Inwieweit hält die Bundesregierung an ihrer Einschätzung aus einem dem
Innenausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegten „Bericht des Bun-
desministeriums des Innern zu gegenwärtigen Erkenntnissen zur Fortführung
des Vereinsverbots der PKK“ vom 16. Oktober 2014 getroffenen Einschät-
zung fest, dass die PKK „zunehmend erfolgreich in dem Bemühen“ sei,
„Kämpfer für Syrien“ also für den Kampf gegen den terroristischen Islami-
schen Staat zu rekrutieren und das „Gefährdungspotential, das von dieser
Personengruppe ausgeht“, quantitativ zwar geringer, qualitativ aber nicht an-
ders zu bewerten sei als das der djihadistischen Syrien-Kämpfer?

Drucksache 18/11680 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

12. Wie viele Personen, die sich in Syrien und dem Irak dem Kampf gegen den

IS angeschlossen hatten, sind zwischenzeitlich nach Kenntnis der Bundesre-
gierung wieder nach Deutschland zurückgekehrt (bitte hier und in den Un-
terfragen jeweils angeben, welcher Gruppierung diese Personen sich ange-
schlossen hatten und ob es sich um deutsche Staatsbürgerinnen und Staats-
bürger handelt)?
a) Wie viele Personen, die sich dem Kampf gegen den IS angeschlossen hat-

ten und anschließend nach Deutschland zurückgekehrt sind, werden nach
Kenntnis der Bundesregierung von Polizeibehörden der Länder als „Ge-
fährder“ oder „relevante Personen“ eingestuft?

b) Welche konkreten Vorfälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen
ehemalige Anti-IS-Kämpferinnen und -kämpfer nach ihrer Rückkehr
nachweislich in einschlägige Straf- oder Gewalttaten in Deutschland ver-
wickelt waren?

c) Wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung von deutschen Ermitt-
lungsbehörden Ermittlungen gegen Anti-IS-Kämpferinnen und -kämpfer
aufgrund möglicher Straftaten in Syrien und dem Irak aufgenommen, und
wenn ja, in wie vielen und welchen Fällen und mit welchem Ergebnis?

d) Wurden nach Kenntnissen der Bundesregierung von deutschen Ermitt-
lungsbehörden Ermittlungen gegen Anti-IS-Kämpferinnen und -kämpfer
wegen möglicher einschlägiger Straftaten nach ihrer Rückkehr nach
Deutschland aufgenommen, und wenn ja, in wie vielen und welchen Fäl-
len und mit welchem Ergebnis?

e) Wie viele Anti-IS-Kämpferinnen und -kämpfer wurden bei ihrer Rück-
kehr nach Deutschland aus welchen Gründen fest- oder in Untersuchungs-
haft genommen?

f) Inwieweit sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass ehemalige Kämp-
ferinnen und Kämpfer gegen den IS Anschläge in Deutschland begehen
könnten, und woraus speist sich gegebenenfalls diese Einschätzung?

g) Wie viele Ansprachen des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder der
Landesämter gab es nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammen-
hang mit Anti-IS Kämpfern seit Anfang 2012 (bitte nach Gruppierung und
Quartalen aufschlüsseln)?

Berlin, den 10. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.