BT-Drucksache 18/11678

Berichte über angeblich russische Desinformationskampagne in Litauen

Vom 15. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11678
18. Wahlperiode 15.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Ulla Jelpke,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der
Fraktion DIE LINKE.

Berichte über angeblich russische Desinformationskampagne in Litauen

Unter der Überschrift „Russland attackiert Bundeswehr mit Fake-News-Kam-
pagne“ berichtete der Journalist Matthias Gebauer am 16. Februar 2017 auf
„SPIEGEL ONLINE“ über durch gezielte E-Mails gestreute Gerüchte, wonach
Soldaten der Bundeswehr bei ihrem Einsatz in Litauen eine Minderjährige verge-
waltigt hätten. Das Magazin bezeichnet die „E-Mails“ als „konzertierte Desinfor-
mationskampagne“, die „offenbar von Russland gesteuert wurde“. Mit „Russland
attackiert Bundeswehr mit Fake-News-Kampagne“ war dies zunächst auch in der
Überschrift zu lesen. In Bezug auf die unklare Faktenlage entschloss sich die Re-
daktion jedoch, den Titel in „NATO vermutet Russland hinter Fake-News-Kam-
pagne gegen Bundeswehr“ zu ändern. Allerdings wird nicht die NATO selbst zi-
tiert, sondern lediglich ungenannte „NATO-Diplomaten“. Laut Matthias Gebauer
erinnert das „Vorgehen der Täter“ in Litauen „frappierend an den ‚Fall Lisa‘ in
Deutschland“. Die Offensive gegen die Bundeswehr sei „gut orchestriert“ gewe-
sen. Die NATO nehme die „Fake-News-Attacke sehr ernst“. Ein zitierter
„NATO-Diplomat“ nennt dies eine „erneute Provokation der Russen“. Auf Nach-
frage schreibt das Bundesministerium der Verteidigung jedoch, überhaupt keine
Kenntnisse zur Urheberschaft der „erwähnten E-Mail“ zu haben (Schriftliche
Frage 43 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundestagsdrucksache 18/11365).
Es ermittelten litauische Behörden.
Laut einer Analyse des Magazins Übermedien hat es entgegen dem Artikel bei
„SPIEGEL ONLINE“ lediglich eine einzige E-Mail an das Büro des litauischen
Parlamentspräsidenten Viktoras Pranckietis gegeben (uebermedien.de vom
28. Februar 2017, „Eine E-Mail in Litauen ließ deutsche Medien Fake-News-
Großalarm auslösen“). Dies habe die Bundeswehr bestätigt. Zahlreiche Medien
übernahmen die faktenarme Gebauer-Meldung über eine Kampagne mit mehre-
ren „E-Mails“ jedoch ungeprüft. Am Rande des zeitgleich in Brüssel tagenden
NATO-Treffens der Verteidigungsminister äußerte sich sogar der Generalsekre-
tär Jens Stoltenberg zum Thema. In vielen Berichten über die Spiegel-Meldung
wurde ein Bild gezeichnet, wonach litauische Medien die Geschichte der Verge-
waltigung aufgegriffen und verbreitet hätten. Dem widerspricht uebermedien.de
und verweist auf die Darstellung eines Osteuropa-Experten, wonach der Vorfall
kein großes Thema im Land gewesen ist.

Drucksache 18/11678 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Schaden hat der von „SPIEGEL ONLINE“ als „konzertierte Des-
informationskampagne“ bezeichnete Versand einer oder mehrerer E-Mails
mit verleumderischem Inhalt aus Sicht der Bundesregierung bezüglich des
Einsatzes der Bundeswehr in Litauen angerichtet?
a) Sofern das Bundesministerium der Verteidigung eine beschädigte Repu-

tation der Bundeswehr feststellt, worauf gründet sich diese Einschätzung?
b) Welche Anstrengungen unternimmt das Bundesministerium der Verteidi-

gung, um eine etwaige beschädigte Reputation wiederherzustellen?
2. Inwiefern kann die Bundesregierung die Darstellung bei „SPIEGEL ONLINE“

bestätigen oder auch nicht bestätigen, wonach es sich um eine „konzertierte
Desinformationskampagne“ gehandelt haben könnte?

3. Inwiefern trifft nach Kenntnis der Bundesregierung die Darstellung von
„SPIEGEL ONLINE“ zu, wonach „das Thema seit dem Auftauchen der E-
Mail und ersten Meldungen der Litauer“ im Einsatzführungskommando ver-
folgt und als ernstzunehmendes Ereignis eingestuft wird?

4. Sofern die Darstellung zutrifft, inwiefern wird der Vorfall weiterhin als ernst-
zunehmendes Ereignis oder gezielte Desinformationskampagne gegen die
deutschen NATO-Truppen betrachtet?

5. Auf welche Weise ist das Bundesministerium der Verteidigung mit der Auf-
arbeitung des von „SPIEGEL ONLINE“ als „konzertierte Desinformations-
kampagne“ bezeichneten Versands einer oder mehrerer E-Mails mit ver-
leumderischem Inhalt befasst?

6. Inwiefern kann das Bundesministerium der Verteidigung die Darstellung von
„SPIEGEL ONLINE“ bestätigen, wonach seine Berichterstattung auf „diver-
sen Hinweisen seiner Quellen“ auch bei der Bundeswehr gründet?

7. Welche Einschätzung hat die Einsatzführung der Bundeswehr in Litauen zu
der Frage, ob die Geschichte einer Vergewaltigung durch Bundeswehrsolda-
ten tatsächlich ein großes Thema im Land gewesen ist?

8. Über wie viele „gezielte E-Mails“ mit verleumderischem Inhalt an welche
Adressaten wurden das Bundesministerium der Verteidigung oder die Bun-
deswehr zu welchem Zeitpunkt unterrichtet?

9. Über welche Hinweise verfügen das Bundesministerium der Verteidigung
oder die NATO zur Frage, ob der Versand einer oder mehrerer E-Mails, wie
von „SPIEGEL ONLINE“ berichtet, „von Russland gesteuert wurde“?

10. Sofern die Bundesregierung hierzu über keine Kenntnisse verfügt, wie be-
wertet sie die entsprechende Aussage der im Artikel erwähnten „NATO-
Diplomaten“?

11. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern das NATO-Kom-
petenzzentrum für strategische Kommunikation (COE Stratcom) in Riga mit
dem Vorfall befasst war oder ist?

12. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern das Strategische
Kommunikationsteam Ost des Europäischen Auswärtigen Dienstes mit dem
Vorfall befasst war oder ist?

13. Inwiefern hat das Bundesministerium der Verteidigung mittlerweile Kennt-
nisse über erste Ergebnisse von Ermittlungen der litauischen Behörden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11678

14. Was ist dem Bundesministerium der Verteidigung mittlerweile über die Ver-

fasser einer oder mehrerer E-Mails mit verleumderischen Inhalt bekannt?

Berlin, den 14. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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