BT-Drucksache 18/11676

Maßnahmen des EU-Internet-Forums zur Kontrolle des Internets und verschlüsselter Telekommunikation

Vom 21. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11676
18. Wahlperiode 21.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke,
Jan Korte, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Maßnahmen des EU-Internet-Forums zur Kontrolle des Internets und
verschlüsselter Telekommunikation

Als erster Industriepartner hat Facebook damit begonnen, jeden Upload von
Bilddaten auf „gewalttätige terroristische Inhalte“ zu analysieren. Sind die
Fotos oder Videos in einer gemeinsam mit anderen Internetfirmen geführten
Datenbank als „terroristisch“ oder „extremistisch“ markiert, wird der Upload au-
tomatisch verhindert. Die Inbetriebnahme des als „Prototyp“ bezeichneten
Uploadfilters erfolgte anlässlich eines Besuchs des EU-Innenkommissars
Dimitris Avramopoulos am Freitag bei Facebook, Twitter und Youtube (Presse-
mitteilung der Europäischen Kommission vom 10. März 2017, „EU Internet
Forum: progress on removal of terrorist content online“). Die drei Firmen hatten
ihre Mitarbeit im sogenannten EU-Internet-Forum erklärt. Dort sollen die Inter-
netunternehmen dazu gedrängt werden, das Internet stärker zu kontrollieren.
Es ist unklar, wo die Datenbank mit Hashwerten der zu entfernenden Internetin-
halte geführt wird. Vermutlich werden dort auch IP-Adressen der für den Upload
benutzten Kommunikationsgeräte gespeichert. Die Personendaten könnten von
den Internetfirmen oder Polizeibehörden dazu benutzt werden, andere Accounts
der gleichen Nutzerinnen und Nutzer aufzuspüren.
Neben der Entfernung von Inhalten werden im EU-Internet-Forum weitere Maß-
nahmen im Bereich der Cybersicherheit und der Herausgabe elektronischer Be-
weismittel beschlossen. Seit der Gründung des Forums im Dezember 2015 steht
der Zugang von Ermittlungsbehörden zu verschlüsselter Telekommunikation auf
der Agenda. Anfangs hatte sich die Europäische Kommission laut dem Bundes-
ministerium des Innern hierzu zurückgehalten. Beim Treffen letzte Woche wurde
das Thema „Verschlüsselung“ laut einer Pressemitteilung der Europäischen
Kommission jedoch behandelt. Mit von der Partie war der EU-Koordinator für
die Terrorismusbekämpfung, Gilles de Kerchove, der seit zwei Jahren in mehre-
ren Papieren auf die Mitarbeit der Firmen bei der Entschlüsselung drängt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. An welchen Treffen des EU-Internet-Forums (auch Unterarbeitsgruppen) ha-

ben der Ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europä-
ischen Union bzw. dessen Stab im Jahr 2017 teilgenommen?

2. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise und mit
welchem Werkzeug Facebook oder andere Anbieter Sozialer Netzwerke da-
mit begannen, jeden Upload von Bilddaten auf „gewalttätige terroristische
Inhalte“ zu analysieren?

Drucksache 18/11676 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Wann wollen welche weiteren Internetanbieter nach Kenntnis der Bundesre-
gierung ebenfalls mit der Einführung des Uploadfilters beginnen?

4. Wo wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Datenbank des Uploadfil-
ters mit Hashwerten der zu entfernenden Internetinhalte geführt?

5. Inwiefern werden in der Datenbank nach Kenntnis der Bundesregierung auch
IP-Adressen der für den Upload benutzten Kommunikationsgeräte gespei-
chert?

6. Welche Firmen oder Behörden haben nach Kenntnis der Bundesregierung
Zugriff auf diese personenbezogenen Daten?

7. Wie viele Onlineinhalte sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in
der Europol-Auswertedatei „Check the Web“ gespeichert (bitte sowohl ge-
speicherte Dateien als auch die Gesamtzahl der Einträge angeben)?

8. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, mit welchen Firmen und An-
gehörigen der US-Regierung sich der EU-Innenkommissar Dimitris
Avramopoulos und der EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung,
Gilles de Kerchove, sowie die zuständigen Minister des derzeitigen und
künftigen Ratsvorsitzes bei ihrer jüngsten Reise „im Nachgang zu dem EU-
Internet Forum“ in den Vereinigten Staaten getroffen haben (Pressemittei-
lung Europäische Kommission vom 10. März 2017, „EU Internet Forum:
progress on removal of terrorist content online“)?

9. Was ist der Bundesregierung über anvisierte Maßnahmen des EU-Innenkom-
missars und des EU-Koordinators für die Terrorismusbekämpfung sowie der
von ihnen besuchten Unternehmen im Bereich der Cybersicherheit und der
Herausgabe elektronischer Beweismittel bekannt?

10. Welche sonstigen „Bereiche für die weitere Zusammenarbeit“ wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung bei den Treffen identifiziert?

11. Bezüglich welcher Aspekte wurde nach Kenntnis der Bundesregierung bei
den Unterredungen des EU-Innenkommissars und des EU-Koordinators für
die Terrorismusbekämpfung mit den von ihnen besuchten Unternehmen auch
der Zugang von Ermittlungsbehörden zu verschlüsselter Telekommunikation
behandelt?
a) Welche Maßnahmen wurden hierzu erörtert und/oder beschlossen?
b) In welchen Ratsarbeitsgruppen oder sonstigen EU-Gremien wurden die

deutsch-französischen Papiere gegen uneingeschränkte Verschlüsselung
der Telekommunikation vom Sommer 2016 weiter behandelt oder beraten
(netzpolitik.org vom 23. August 2016, „Innenminister fordern Hintertüren
gegen Verschlüsselung – in der französischen Version der gemeinsamen
Erklärung“)?

c) Inwiefern trifft es zu, dass das Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz einen Vorschlag für eine Ergänzung des § 100a der Straf-
prozessordnung (StPO) erarbeitet, um diesen als Rechtsgrundlage für das
Eindringen in Nutzeraccounts der Messenger Whatsapp oder Telegram
nutzen zu können (Süddeutsche Zeitung vom 13. März 2017, „Geheime
Mitleser“)?

12. Was ist der Bundesregierung über den Fortgang des Reflexionsprozesses der
Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten sowie den relevan-
ten Agenturen bekannt, den zuständigen Verfolgungsbehörden den leichte-
ren Zugang zu verschlüsselter Kommunikation zu ermöglichen
(http://gleft.de/1DY)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11676

13. Inwiefern wird nach Kenntnis der Bundesregierung auch das Problem der

Carrier-Grade Network Address Translation und die damit verbundene
schwierige Zuordnung externer IPv4-Adressen (Bundestagsdrucksache
18/10948, Frage 17) auf der Ebene des EU-Internet-Forums erörtert?

14. Worin besteht nach Kenntnis der Bundesregierung das von der Europäischen
Kommission gestartete „EU Civil Society Empowerment Programme“
(CSEP), und wie wird es finanziert?

15. Auf welche Weise werden sich welche Internetunternehmen nach Kenntnis
der Bundesregierung am CSEP beteiligen?
a) Welche Ergebnisse zeitigte eine Auftaktveranstaltung des CSEP mit In-

ternetfirmen und „Marketingexperten“ am 15. und 16. März 2017, nach
der Kampagnen gestartet werden sollten?

b) Auf welche Weise bzw. durch welche Maßnahmen könnte aus Sicht der
Bundesregierung das Internet mit „positiven Narrativen“ gefüllt werden?

16. Wo sollen die CSEP-Trainings nach Kenntnis der Bundesregierung in
Deutschland stattfinden, wer nimmt daran teil, und welche Zielsetzung wird
verfolgt (http://gleft.de/1Ef)?

17. Was ist der Bundesregierung über den Fortgang des „e-evidence expert pro-
cess” bekannt, und welche Initiativen oder Maßnahmen werden dort zurzeit
behandelt (Ratsdokument 10007/16)?
a) Welche Initiativen hat die Bundesregierung im Rahmen des Prozesses er-

griffen, und welche Maßnahmen hat sie vorgeschlagen?
b) Inwiefern wurde das Papier des Bundesministeriums des Innern weiterbe-

handelt, in dem vorgeschlagen wird die Europäische Ermittlungsanord-
nung in Strafsachen um eine Vorschrift zur „grenzüberschreitenden Si-
cherung elektronischer Daten ohne technische Hilfe“ zu ergänzen, und in-
wiefern sollte dies aus Sicht der Bundesregierung mit ohne eine Notifika-
tion erfolgen?

18. Wann will die Europäische Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung
ihre Prüfung beendet haben, inwiefern die Betreiber von Cloud-Diensten in
den USA unter den Geltungsbereich der Europäischen Ermittlungsanord-
nung fallen könnten, wenn diese ihre Dienste in der Europäischen Union an-
bieten?

19. Welche Fortschritte sind der Bundesregierung zu der allgemeinen Debatte
der Cybercrime-Konvention des Europarats zu der Frage bekannt, auch im
Rahmen der Vereinten Nationen eine Cybercrime-Konvention zu erarbeiten
(Bundestagsdrucksache 18/10591)?

20. Auf welche Weise ist das einjährige, von der Europäischen Kommission fi-
nanzierte „European Strategic Communication Network“ (ESCN) nach
Kenntnis der Bundesregierung damit befasst, Mitgliedstaaten „anlassbezo-
gen bei der strategischen Kommunikation im Rahmen der Bekämpfung des
gewaltbereiten Extremismus“ zu beraten, und welche Stellen werden dabei
adressiert (Bundestagsdrucksache 18/10591?

21. Auf welche Weise wollen Behörden der Bundesregierung (etwa die Bundes-
zentrale für politische Bildung oder das Bundeskriminalamt) ihre Zusam-
menarbeit im „Syria Strategic Communication Advisory Team“ (SSCAT)
bzw. dessen Nachfolger The European Strategic Communications Network
(ESCN) fortsetzen (Bundestagsdrucksache 18/10591)?

Drucksache 18/11676 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

22. Inwiefern sieht auch die Bundesregierung, wie von den Agenturen Europol

und Eurojust im Ratsdokument 7021/17 gefordert, den Bedarf nach einer
EU-weiten legislativen Regelung zur gemeinsamen Verwertung von einzel-
nen Regierungen erlangter Beweismittel („sharing of evidence“) oder der
Durchführung gemeinsamer Ermittlungen im Internet („Online investigati-
ons“)?

Berlin, den 20. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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