BT-Drucksache 18/11551

Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Vom 9. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11551
18. Wahlperiode 09.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Tabea Rößner, Renate Künast, Dr. Konstantin von Notz und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Weiterhin steht die von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigte
Evaluierung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger aus. Die Bundesregie-
rung hat uns immer wieder in ihren Antworten auf unsere Kleinen Anfragen hin
(Bundestagsdrucksachen 18/2172 und 18/7095), zuletzt auch in der Fragestunde
am 15. Februar 2017, vertröstet. Die Evaluation sei nun begonnen, ein Abschluss
würde „unverzüglich, ohne schuldhaftes Verzögern“ erfolgen; weitere Konkre-
tisierungen gab es nicht. Die Ergebnisse der Evaluation wären insbesondere des-
halb bedeutend, da auf europäischer Ebene über die Realisierung eines Leis-
tungsschutzrechts für Presseverlage beraten wird (Artikel 11 Proposal for a Di-
rective of the European Parliament and of the Council on copyright in the Digital
Single Market – COM(2016)593; https://ec.europa.eu/digital-single-market/
en/news/proposal-directive-european-parliament-and-council-copyright-digital-
single-market). Offen ist dementsprechend auch, ob die Evaluierung dem Gut-
achten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom
30. März 2015 folgt, das zu dem Schluss kommt, dass das Leistungsschutzrecht
zwar in Geltung steht, aber ein Verstoß gegen die Richtlinie 98/34/EG möglich
erscheint und in diesem Fall das Gesetz nicht angewendet werden dürfte.
Zu entscheiden sei dies letztlich, so der Wissenschaftliche Dienst, vom
Europäischen Gerichtshof (EuGH) (vgl. www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/
leistungsschutzrecht-beamte-warnten-bundesregierung-vor-blamage-a-104305
3.html). Diese Frage behandelte jüngst auch das Landgericht Berlin in seiner
mündlichen Verhandlung am 7. Februar 2017 in Sachen VG Media gegen
Google Inc. (siehe Pressemitteilung des Landgerichts Berlin: www.berlin.
de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2017/
pressemitteilung.558728.php) und sah selbst deutliche Anhaltspunkte dafür,
dass das Gesetz europarechtswidrig zustande gekommen sei.
Damit ist die Rechtslage des im März 2013 verabschiedeten und weiterhin stark
umstrittenen Leistungsschutzrechtes für Presseverleger immer noch unklar. Die
Gerichtsverfahren haben gerade einen Anfang genommen, der Instanzenzug ist
noch lang und wird vermutlich auch ausgeschöpft werden. Positive Aspekte sind
mangels Zahlungen nicht zu verzeichnen, ganz im Gegenteil zahlen die Presse-
verlage nach Meldungen aufgrund der vielen Gerichtsverfahren noch oben drauf
(https://irights.info/2016/07/08/drei-jahre-leistungsschutzrecht-715-000-euro-
einnahmen-werden-fuer-rechtsstreits-verwendet/27653). Aufgrund der Unsicher-
heiten wird dem Gesetz zudem ausbremsende Wirkung auf innovative Geschäfts-
modelle zugeschrieben.

Drucksache 18/11551 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche und wie viele Personen haben wie viele Stunden an der laut der Bun-
desregierung nun seit letztem Jahr begonnenen Evaluierung gearbeitet, mit
welchem Aufwand und ggf. mit welchem Ergebnis?

2. Welche und wie viele Personen haben wie viele Stunden zu welchen Aspek-
ten des Themas Leistungsschutzrechte für Presseverleger gearbeitet, mit wel-
chem Aufwand und ggf. mit welchem Ergebnis?

3. Wie viele Termine mit welchen Institutionen haben wann im Rahmen der
Evaluation des Leistungsschutzrechts stattgefunden?

4. Welche wissenschaftlichen Dokumente, Gutachten wurden bisher im Rah-
men der Evaluation in Auftrag gegeben, mit welchen Kosten und welchem
Ergebnis?

5. Welche waren jeweils die genauen Fragen für die Evaluation dieses Leis-
tungsschutzrechts, und welche anderen Fragestellungen wurden ggf. erwo-
gen?

6. Verfügt die Bundesregierung über Informationen, welche Berufsgruppen wie
Anwälte, Lobbyisten, Verleger oder Journalisten bisher in welchem Maße
finanziell von dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger profitiert haben,
und deckt sich dies mit den von der Bundesregierung in dieses Vorhaben
gesetzten Erwartungen?

7. Verfügt die Bundesregierung über Informationen über die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit der VG Media und ihre Möglichkeit, einen mehrjährigen
Prozess zur Durchsetzung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger
durchzustehen?

8. Vor dem Hintergrund des bereits angebrochenen letzten Jahres dieser Legis-
latur und der im Koalitionsvertrag für diese Legislatur angekündigten Eva-
luation des Leistungsschutzrechts für Presseverleger: Welchen Zeitpunkt
sieht die Bundesregierung als ausreichend an, die Ergebnisse der Evaluation
der Öffentlichkeit vorzustellen, und wäre nach ihrer Ansicht ggf. auch ein
Tag vor der Bundestagswahl noch ausreichend?
Wie sieht die genaue Zeitplanung zur Evaluierung aus?

9. Wie sieht die Bundesregierung eine mögliche Gefahr einer Staatshaftung bei
Anwendbarkeit eines europarechtswidrig zustande gekommenen Gesetzes,
und welche Maßnahmen wird sie dagegen ergreifen?

10. Sieht es die Bundesregierung als sinnvoll an, die Klärung der Frage einer
Europarechtswidrigkeit des Gesetzes voranzutreiben, etwa die Frage dem
EuGH vorzulegen?

11. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung über Inhalt, Art,
Stand und ggf. Ausgang der Prüfung seitens der Europäischen Kommission
zur Frage einer nötigen Notifizierung des Leistungsschutzrechts für Presse-
verleger?

12. Vor dem Hintergrund des Aufwands und möglicher Kosten einer eigenen
umfangreichen Konsultation auf nationaler Ebene: Sieht es die Bundesregie-
rung nicht als sinnvoll und notwendig an, Ergebnisse oder Teilergebnisse der
eigenen Evaluation mit in die Beratungen für Planungen eines europäischen
Leistungsschutzrechtes zu berücksichtigen, und wenn ja, welche (Teil-)Er-
gebnisse wird sie berücksichtigen?

13. Mit welchem Ziel geht die Bundesregierung in die Beratungen der EU-Rats-
arbeitsgruppen für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger auf europäi-
scher Ebene?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11551

14. Welche Mitarbeiter waren jeweils bei Ratsarbeitsgruppensitzungen und an-

deren, informellen Aktivitäten des Rates an Beratungen für ein Leistungs-
schutzrecht für Presseverleger auf europäischer Ebene oder auf Ebene der
EU-Mitgliedstaaten beteiligt?

15. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung aus der Befragung der Sta-
keholder vor, und welche Schlüsse zieht sie daraus?

16. Vor dem Hintergrund der jüngsten Bedenken des Landgerichts Berlins hin-
sichtlich einer Europarechtswidrigkeit des Gesetzes und gleichlautender
Schlüsse eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen
Bundestages: Wird die Bundesregierung diesen Aspekt genauer beleuchten,
oder hat sie das schon getan und mit welchem Ergebnis?

17. Welche Mitarbeiter waren jeweils in welcher Rolle bei Verhandlungen an-
wesend, bei denen das Leistungsschutzrecht für Presseverleger direkt oder
indirekt Gegenstand war, z. B. vor der Schiedsstelle des Deutschen Patent-
und Markenamts, dem Landgericht Berlin, Leipzig oder dem Bundeskartell-
amt, und welche Aufwendungen sind dabei entstanden?

18. Bitte listen Sie alle Erzeugnisse auf, die nach Ansicht der Bundesregierung
als Presseerzeugnis im Sinne des § 87f Absatz 2 des Urheberrechtsgesetzes
(UrhG) anzusehen sind, die entweder durch Einrichtungen des Bundes selbst
oder mittelbar im Auftrag der Bundesregierung veröffentlicht werden.

19. Bei welchen gerichtlichen wie außergerichtlichen Auseinandersetzungen
über die Durchsetzung von Urheber- und Leistungsschutzrechten hat die
Bundesregierung oder eine Einrichtung des Bundes die Frage nach einem
Schutz eigener Werke durch dieses Leistungsschutzrecht geprüft, prüfen las-
sen oder behauptet?

20. Wann und mit welchem Ergebnis wurden gegenüber der Bundesregierung
oder Einrichtungen des Bundes Leistungsschutzrechte für Presseverleger be-
hauptet oder geltend gemacht?

21. Welche Verträge mit welchem Inhalt und welchen Kosten haben Einrichtun-
gen des Bundes abgeschlossen, die in welcher Form Leistungsschutzrechte
für Presseverleger, ihre Geltendmachung oder Anwendbarkeit berücksichti-
gen, z. B. bei Aufträgen für die Erstellung von Werken, bei der Pressearbeit
oder bei Vorhaben zur Nutzung von Presseerzeugnissen?

22. An welchen Sitzungen, Besprechungen, Veranstaltungen mit Beteiligung
von oder veranstaltet durch die VG Media, den BDZV oder den VDZ haben
Mitarbeiter des Bundes teilgenommen?

23. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung, welche Auswir-
kung die Einführung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger auf die
Beurteilung zum Zustand von Grundfreiheiten hatte?

24. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung, ob Medienunter-
nehmen, die zum Teil oder ganz im Besitz anderer Staaten sind, dieses Leis-
tungsschutzrecht durchsetzen oder auf ihre Durchsetzung verzichten?

25. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung, ob und in welcher
Form die Deutsche Welle von ihrem Leistungsschutzrecht für Presseverleger
Gebrauch macht oder auf ihren Gebrauch verzichtet?

Berlin, den 7. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.