BT-Drucksache 18/11482

Zusammenarbeit mit Libyen zur Kontrolle der Landgrenzen

Vom 8. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11482
18. Wahlperiode 08.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Jan Korte, Dr. Alexander S. Neu,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Zusammenarbeit mit Libyen zur Kontrolle der Landgrenzen

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat das Mandat der Unterstützungs-
mission der Vereinten Nationen (UNSMIL) in Libyen mit der Resolution 2323
(2016) am 13. Dezember 2016 um neun Monate verlängert. Sobald möglich will
UNSMIL ihre dauerhafte Präsenz in Tripolis wiederherstellen, derzeit hat aus Eu-
ropa nur Italien seine Botschaft in Tripolis offiziell wieder eröffnet (Bundestags-
drucksache 18/11329). Weitere Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie
die Bundesregierung „beobachten die Lage vor Ort“. Zur Aufgabe von UNSMIL
gehört unter anderem die Konsolidierung der libyschen Einheitsregierung und ih-
rer Unterstützung zur „Stabilisierung von Postkonfliktzonen sowie libyschen
Schlüsselinstitutionen“. Eine dieser Schlüsselinstitutionen ist die Präsidialgarde,
die nach Angaben von UNSMIL bereits 137 Mitglieder in Tripolis im Einsatz hat.
Auch die eigentlich zivile GSVP-Mission EUBAM Libyen soll möglichst bald
wieder in Libyen präsent sein (Bundestagsdrucksache 18/11329). Dazu hat EU-
BAM Libyen eine Lagefeststellung im Bereich Grenzüberwachung durchgeführt
und die hiermit beauftragten Behörden recherchiert und dargestellt. Der Bericht
wurde am 25. Januar 2017 fertig gestellt und dem Rat der Europäischen Union
übergeben. Fast vier Wochen später erklärt Walter J. Lindner, Staatssekretär des
Auswärtigen Amts, keine Kenntnis über den Inhalt zu haben. Drei Tage zuvor
wurde das Papier jedoch auch von der britischen Bürgerrechtsorganisation State-
watch veröffentlicht (http://gleft.de/1CJ). Schon jetzt arbeitet EUBAM Libyen
mit dem von der libyschen Einheitsregierung geschaffenen „National Team for
Security and Border Management“ zusammen und hält unter anderem monatliche
„Workshops“ ab.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele offizielle Grenzübergangsstellen (Luft, Land, See) existieren nach

Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Libyen, und welche davon werden
derzeit von der Einheitsregierung in Tripolis kontrolliert?

2. Welche auf Libyen ausgerichteten Projekte zur Steuerung der Migration über
die Südgrenze und für die regionale Sicherheitszusammenarbeit in der Sa-
helzone betreffend Libyen (insbesondere im Rahmen der G5) werden nach
Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen des EU-Stabilitäts- und Friedens-
instruments unterstützt?

3. Was ist der Bundesregierung über Pläne bekannt, ähnlich wie im EU-Türkei-
Abkommen einen EU-Koordinator für die militärische, polizeiliche und
grenzpolizeiliche Zusammenarbeit in Libyen zu benennen?

Drucksache 18/11482 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Auf welche Weise könnten die Missionen UNSMIL und EUBAM Libyen
aus Sicht der Bundesregierung durch europäische Polizei- und Gendarmerie-
einheiten besser unterstützt werden?
a) Was ist der Bundesregierung über Diskussionen bekannt, das Zentrum

von Europol (Europäisches Polizeiamt) gegen „Migrantenschmuggel“
(ECMS) mit der Schleuserbekämpfung in Libyen zu beauftragen?

b) In welchen gemeinsamen Ermittlungsteams sind europäische Behörden
derzeit in Nachbarländern Libyens mit der Verfolgung des sogenannten
Menschenschmuggels befasst?

c) Was ist der Bundesregierung über Diskussionen bekannt, auch die Euro-
päische Gendarmerietruppe (EUROGENDFOR) in Libyen mit Aufgaben
zu betrauen?

5. Was ist der Bundesregierung über die Arbeitsfähigkeit des Büros von
INTERPOL (internationale Polizeiorganisation) in Libyen bekannt, und bei
welcher Behörde ist dieses angesiedelt?
a) Welche Beziehungen unterhält das Büro derzeit zu INTERPOL?
b) Welche neuen Maßnahmen bzw. Projekte sind in welchen Bereichen ge-

plant?
6. Welche Phänomene „extremistischer Kriminalität” (https://www.bka.de/

EENeT/EN/Structure/structure_node.html) werden in dem vom Bundeskri-
minalamt (BKA) geleiteten Projekt „Politisch motivierte Kriminalität im
Lichte aktueller Migrationsströme – eine länderübergreifende Situationsbe-
schreibung und Entwicklung praktischer Präventionsmaßnahmen“
(PoMigra) beforscht, und welche Aufgaben werden von den weiteren Teil-
nehmenden des im Rahmen des Fonds für die innere Sicherheit (ISF) in der
Förderperiode von 2014 bis 2020 geförderten Projekts außer der Erstellung
nationaler Lageberichte jeweils erbracht (bitte die Aufgaben den Teilneh-
menden zuordnen)?

7. In welchen Funktionen sind Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei bei
dem EU-Polizeiamt Europol in Den Haag tätig (Bundestagsdrucksa-
che 18/11218, Frage 12)?

8. Was ist der Bundesregierung über die Existenz und die Arbeitsfähigkeit li-
byscher Geheimdienste (auch unter der Tobruk-Regierung) bekannt, und zu
welchen der Dienste haben deutsche Behörden Arbeitskontakt?

9. Inwiefern sind die Geheimdienste auch in die Grenzüberwachung eingebun-
den?

10. Was ist der Bundesregierung über Pläne bekannt, für die Finanzierung si-
cherheitspolitischer Maßnahmen in Libyen verstärkt das Europäische Nach-
barschaftsinstrument (ENI), das Friedens- und Stabilitätsinstrument (IcSP),
den ISF „Grenzen und Visa“ und „Polizei“ oder den EU Trust Fund for Af-
rica (EUTF) zu nutzen?

11. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die EU-Missionen
in Mali und Niger durch die Eurosur Fusion Services der Grenzagentur
Frontex unterstützt werden sollen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11482

12. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Europäische

Union eine zweite Stufe der Sicherheitssektorreform in Tunesien unterstüt-
zen will?
a) Was ist der Bundesregierung über Inhalte einer neuen Sicherheitsverein-

barung zwischen Algerien und Tunesien hinsichtlich der Überwachung
libyscher Grenzen bekannt (http://alwasat.ly/ar/news/libya/134875/)?

b) Inwiefern liegen der Bundesregierung, wie von Alwasat Libya berichtet,
ebenfalls Hinweise vor, dass die USA von einem tunesischen Luftwaffen-
stützpunkt mit Drohnen zur Grenzsicherung in Richtung Libyen operieren
und dies vom Präsidenten Tunesiens genehmigt wurde?

13. Welche Hilfe hat die Bundeskanzlerin dem ägyptischen Präsidenten bei der
Sicherung der Grenze zu Libyen zugesagt, und durch welche Maßnahmen
soll verhindert werden, dass eine neue Fluchtroute über Ägypten etabliert
wird (quantara.de vom 6. März 2017, „Von der Kurzsichtigkeit deutscher
Außenpolitik“)?

14. Welche einzelnen Inhalte hat der BKA-Präsident mit dem ägyptischen Bot-
schafter in einem Gespräch über die Themen „Terrorismusbekämpfung und
illegale Migration“ besprochen, und welche Verabredungen wurden getrof-
fen (http://gleft.de/1Dv)?

15. Auf welche Weise will die Europäische Union, wie vom EU-Kommissar Di-
mitris Avramopoulos angekündigt, nach Kenntnis der Bundesregierung ihre
Zusammenarbeit mit Ägypten in den Bereichen Migration und Sicherheit
weiter vertiefen (http://gleft.de/1Dx)?

16. Wie viele Mitglieder hat die Präsidialgarde nach Kenntnis der Bundesregie-
rung derzeit in Tripolis im Einsatz?
a) Welche Regierungen unterstützen die libysche Präsidialgarde mit Ausrüs-

tung oder Ausbildung, und worin bestehen entsprechende Module?
b) Was ist der Bundesregierung über eine geplante Konferenz der Präsidial-

garde bekannt, und welchem Zweck soll diese dienen?
17. Was ist der Bundesregierung über die Stärke und die teilnehmenden Milizen

einer neu gebildeten „Libyan National Guard“ (LNG) bekannt, und wer übt
die Befehlsgewalt über die Truppe aus (Libya Herald vom 11. Februar 2017,
„Washington alarmed at new military formation in Tripoli“)?

18. Welche „Workshops“ hat das von der libyschen Einheitsregierung geschaf-
fene „National Team for Security and Border Management“ mit europäi-
schen Grenzbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung abgehalten (Bun-
destagsdrucksache 18/11329), und welche zivilen oder militärischen Behör-
den nahmen daran teil?

19. Was ist der Bundesregierung über die Teilnehmenden des „Ausschusses EU-
Libyen zum integrierten Management der Landgrenzen“ für den Austausch
über das Grenzmanagement bekannt (Ratsdok. 5684/1/17)?

20. Was ist der Bundesregierung über den Aufbau und Inhalt von „Intelligence
Notifications“ bekannt, die von der Europol-Meldestelle für Internetinhalte
und dem Europol-Zentrum gegen Migrantenschmuggel an die zuständigen
Behörden der Mitgliedstaaten verteilt werden (http://gleft.de/1CY), und zu
welchen Fällen hat sie selbst solche Berichte erhalten?

21. Auf welche Weise könnte die Africa-Frontex Intelligence Community aus
Sicht der Bundesregierung für die Risikoanalyse und kurzfristige Missionen
genutzt werden, um mit deren Unterstützung Migrationsrouten und ihre mög-
lich Verlagerung aufzudecken?

Drucksache 18/11482 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

22. Inwiefern könnten aus Sicht der Bundesregierung auch Regionalprogramme

wie „Euromed Migration IV“ oder „Mediterranean City to City Migration
Profiles“ zu Beratungen über das Thema „Schleusungsbekämpfung in Li-
byen und den angrenzenden Ländern“ genutzt werden?

23. Was ist der Bundesregierung über die Umsetzung von Vorschlägen der Eu-
ropäischen Union bekannt, die libyschen Behörden mit technischer Ausrüs-
tung, Fahrzeugen „und anderen Elementen“ zu versorgen, um die Kontrolle
der libyschen Landgrenze zu den Nachbarstaaten „zu optimieren“ (Ratsdok.
5684/1/17)?

Berlin, den 8. März 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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