BT-Drucksache 18/11362

Verfahren zur internationalen Herausgabe elektronischer Beweismittel

Vom 21. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11362
18. Wahlperiode 21.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke,
Dr. Alexander S. Neu, Harald Petzold (Havelland), Alexander Ulrich und
der Fraktion DIE LINKE.

Verfahren zur internationalen Herausgabe elektronischer Beweismittel

Aus Gründen der Geheimhaltung will das Bundesministerium des Innern nicht
angeben, bei welchen US-Betreibern von „Cloud-Diensten“ deutsche Behörden
im Zuge von Ermittlungen Direktanfragen für sogenannte elektronische Beweis-
mittel stellen und in welchem Umfang diese Ersuchen beantwortet werden (Bun-
destagsdrucksache 18/10948, Netzpolitik vom 3. Februar 2017, „Ermittlung in
der ‚Cloud‘: Innenministerium will keine Zahlen nennen“). Unklar bleibt, warum
die Bundesregierung die Zahlen nicht öffentlich machen will, die Europäische
Kommission aber derweil ähnliche Statistiken bekannt gibt (Ratsdok. 15072/1/16).
Um an Daten im Ausland zu gelangen, gehen Behörden entweder den offiziellen
Weg der internationalen Rechtshilfe oder klopfen direkt bei den Anbietern an.
Die Bundesregierung wünscht sich reibungslosere Verfahren. Deshalb arbeite
man laut der Bundesregierung gemeinsam mit der Europäischen Union und den
jeweiligen Partnerstaaten an verbesserten Prozessen, um schneller zu Ergebnissen
zu kommen und „die Abläufe im Rahmen der Rechtshilfe zu beschleunigen und
zu optimieren“ (Bundestagsdrucksache 18/10948). Bei der Europäischen Kom-
mission habe die Bundesregierung einen Regelungsvorschlag eingebracht, um die
„Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (EEA) um eine Vorschrift zur
grenzüberschreitenden Sicherung elektronischer Daten ohne technische Hilfe zu
ergänzen“. Diese Vorschrift könnte sich an das in der Europäischen Ermittlungs-
anordnung verankerte, „für die Überwachung von Telekommunikationsverkehr
ohne technische Hilfe vorgesehene Modell einer Notifikation anlehnen“. Kon-
krete Vorschläge der Kommission seien im Sommer 2017 zu erwarten. Für den
Zugriff auf außerhalb der EU liegende Daten sei der Abschluss einer entsprechen-
den internationalen Vereinbarung notwendig. Ob es dazu kommt, sei es durch
einen bilateralen Vertrag zwischen Deutschland und den USA oder eine gesamt-
europäische Lösung, bleibt derzeit offen. Zur Debatte steht auch eine Ausweitung
der Cybercrime-Konvention des Europarates. Der dort zuständige Ausschuss hat
hierzu bereits mit Beratungen begonnen. Die Entwicklung technischer Spezifika-
tionen für Schnittstellen zur Herausgabe elektronischer Beweismittel könnte beim
European Telecom Standards Institute (ETSI) erfolgen.

Drucksache 18/11362 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welche Weise ist der Ausschuss zur Cybercrime-Konvention (Cyber-
crime Convention Committee, T-CY) damit befasst, die Cybercrime-Koven-
tion durch ein Zusatzprotokoll mit Regelungen zur Erleichterung der Rechts-
hilfe zu ergänzen (Bundestagsdrucksache 18/10948, Antwort zu Frage 14),
und wann soll ein Vorschlag dazu vorliegen?

2. Welche Hindernisse bzw. Defizite sieht die Bundesregierung hinsichtlich der
Einrichtung und Nutzung von Schnittstellen zur internationalen Herausgabe
elektronischer Beweismittel bei ihren hierfür zuständigen Behörden?

3. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise das ETSI
mit der Entwicklung technischer Spezifikationen für Schnittstellen zur Her-
ausgabe elektronischer Beweismittel befasst ist?
a) Inwiefern hat das ETSI hierzu bereits Vorschläge vorgelegt, und welchen

Tenor haben diese?
b) Welche einzelnen Daten bzw. Datenströme sind von diesen Spezifikatio-

nen erfasst?
c) Inwiefern enthalten die Vorschläge auch die Möglichkeit von Direktan-

fragen bei den betreffenden Internetanbietern?
d) Welche Behörden und Firmen waren an der Erstellung der Spezifikatio-

nen beteiligt, und welche Beiträge haben Bundesbehörden hierfür er-
bracht?

e) Wann, wo und von wem sollen die Schnittstellen getestet werden?
4. Was ist der Bundesregierung über die weiteren Diskussionen zur Einrichtung

eines Internetportals bekannt, mit dem sich in einem ersten Schritt die Er-
mittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften in der Europäischen Union ver-
netzen (Bundestagsdrucksache 18/10948, Antwort zu Frage 18)?

5. Wann könnte der Prototyp für ein solches Portal betriebsbereit sein?
6. Was ist der Bundesregierung mittlerweile darüber bekannt, für welche Maß-

nahmen die Generaldirektion Justiz und Verbraucherschutz der Europäi-
schen Kommission 1 Mio. Euro bereitstellt, um die rechtlichen Möglichkei-
ten der Rechtshilfe beziehungsweise Direktanfragen zu analysieren, bzw.
wann die Ausschreibung, bei der Projekte zur Erlangung elektronischer Be-
weismittel vorrangig berücksichtigt werden, beendet ist (Bundestagsdruck-
sache 18/10948, Antwort zu den Fragen 11 und 12)?

7. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern im Rahmen des EU-
Internet-Forums bzw. dessen Roundtable-Veranstaltungen weitere private
Sachverständige einbezogen werden?
a) Um welche Veranstaltungen bzw. Akteure handelt es sich dabei?
b) Welche Themen wurden mit den Sachverständigen erörtert?

8. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise die Frage
des Zugangs von Sicherheitsbehörden zu verschlüsselten Inhalten auf EU-
Ebene weiter behandelt wird und welche Arbeitsgruppen hierzu welche Tref-
fen, Workshops oder Konferenzen planen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11362
9. Welche Bundesbehörden waren oder sind an dem EU-Forschungsprojekt
„Evidence“ zur internationalen Herausgabe elektronischer Beweismittel be-
teiligt, und welches Ziel wird dort verfolgt?
a) Mit welchem Ziel beteiligt sich Interpol an dem Forschungsprojekt, und

welche Beiträge erbringt die Polizeiorganisation dort?
b) Welcher Fahrplan zur Umsetzung der Ergebnisse des Projekts ist der Bun-

desregierung bekannt?
10. Inwiefern ist der Bundesregierung über die Angaben auf Bundestagsdruck-

sachen 18/11041 und 18/10591 bekannt, ob und wann das neue „Netzwerk
der Justizbehörden und Experten im Bereich Cyberkriminalität“ (EJCN) ein
erstes Arbeitsprogramm vorlegen will?

11. Was ist der Bundesregierung über Angehörige eines EU-Netzwerkes „Euro-
pean Network of law enforcement specialists on Carrier-Grade Network
Address Translation“ bekannt, und welche Treffen der Gruppe haben bereits
stattgefunden (Pressemitteilung Europol vom 2. Februar 2017)?

12. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, ob sich auch das EU-
Internet-Forum mit dem Problem der Carrier-Grade Network Address Trans-
lation bzw. sich daraus ergebenden Defiziten für Sicherheitsbehörden hin-
sichtlich auf Vorrat gespeicherter Telekommunikationsdaten befassen sollte?

13. Welche weiteren Erläuterungen kann die Bundesregierung zu ihrem bei der
Konferenz „Crossing Borders: Jurisdiction in Cyberspace“ vom 6. bis
8. März 2016 in Amsterdam vorgelegten Vorschlag für eine „Notifikations-
lösung“ machen (Ratsdok. 15072/16, Bundestagsdrucksache 18/10948, Ant-
wort zu Frage 2)?
a) Wo wurde der Vorschlag weiter beraten oder diskutiert?
b) Welche Haltungen vertreten die übrigen EU-Mitgliedstaaten zu dem Vor-

schlag, die Richtlinie 2014/41/EU vom 3. April 2014 über die Europäi-
sche Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL EEA) um eine Vorschrift
zur grenzüberschreitenden Sicherung elektronischer Daten ohne techni-
sche Hilfe zu ergänzen?

c) Wann im Sommer 2017 will die Europäische Kommission ihre Prüfung
zu derzeit möglichen „Formen des unmittelbaren Zugangs zu elektroni-
schen Beweismitteln“ beendet haben?

d) Welche weiteren Ausführungen zur RL EEA sowie darüber hinaus enthält
der „Regelungsvorschlag“, den die Bundesregierung der Europäischen
Kommission hierzu als „Diskussionsbeitrag“ übermittelt hat?

e) Welche weiteren Problemstellungen wurden auf der Konferenz in den
Workshops A „Creating effective MLA processes“ und Workshop C
„Crime from nowhere; legal challenges for unknown locations“ behan-
delt, und welche Lösungen wurden skizziert?

14. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, in welchem Maße Sicherheits-
behörden aus EU-Mitgliedstaaten zur Herausgabe von Telekommunikations-
daten selbst das Internet oder die Telekommunikation in anderen Ländern
(etwa mit Trojanern) überwachen?
a) Hat es nach Kenntnis der Bundesregierung bereits Fälle gegeben, in denen

deutsche Sicherheitsbehörden per „Fernzugriff“ in der Cloud zu ermitteln
haben, auch wenn der physische Ort der Server unbekannt war (Bundes-
tagsdrucksache 18/10948, Antwort zu Frage 16)?

b) Welche nationalen Befugnisnormen und anwendbaren völkerrechtlichen
Verträge lagen dabei bezüglich der „Fernzugriffe“ von Bundesbehörden
zugrunde?

Drucksache 18/11362 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

15. Welche weiteren Details kann die Bundesregierung zu den im Strategie- und

Forschungszentrum Telekommunikation (SFZ TK) durchgeführten Einzel-
projekten INTLI („Internationale Zusammenarbeit in der Telekommunikati-
onsüberwachung“) und SMART („Informationstechnische Überwachung
mobiler Endgeräte“) mitteilen (Plenarprotokoll 18/214, Antwort auf die
Mündliche Frage 8 des Abgeordneten Andrej Hunko)?
a) Welches Ziel wird mit den Projekten verfolgt, und wann sollen Ergebnisse

bzw. Prototypen vorliegen?
b) Wer führt die Projekte an, und wer nimmt (auch beratend) daran teil?
c) In welchen Bundesländern darf die Telekommunikation von Gefährdern

nach Kenntnis der Bundesregierung überwacht werden, in welchen ist die
Quellen-Telekommunikationsüberwachung und in welchen die Online-
Durchsuchung erlaubt?

16. Welche Softwarekomponenten welcher Hersteller werden für die Prognose-
systeme des Bundeskriminalamtes RADAR-iTE („regelbasierte Analyse po-
tentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos – islamisti-
scher Terrorismus“) und RISKANT genutzt (http://gleft.de/1BC)?

17. Auf welche Weise erhielten und erhalten die nach § 100 der Strafprozessord-
nung zum Abhören von Telekommunikation berechtigten Bundesbehörden
herausverlangte Daten von den Handy-Providern (bitte darstellen, bis zu wel-
chem Jahr Datenträger wie Diskette, CD, USB-Stick und/oder Fax sowie
technische Schnittstellen genutzt wurden)?

18. Welche weiteren Details kann die Bundesregierung zu dem deutschen Pro-
jektvorschlag zur Verbesserung des DNA-Datentauschs im Prüm-Verfahren
mitteilen (http://gleft.de/1Bq)?
a) Welche Hard- und Software sollte in dem Vorhaben genutzt oder entwi-

ckelt werden?
b) Inwiefern und mit welchen Teilnehmenden wurde oder wird das Projekt

umgesetzt und weiterverfolgt?
19. Von welchem Hersteller hat das Bundeskriminalamt im zweiten Halbjahr

2016 die Software „Examiner“ für automatisierte Lichtbildvergleiche be-
schafft (Bundestagsdrucksache 18/11041, Antwort zu Frage 7)?
a) Wann und im Rahmen welcher Verfahren soll die Software genutzt wer-

den?
b) Unter welchen Voraussetzungen kann die Software auch Standbilder aus

Bewegtbildern verarbeiten?
c) Unter welchen Voraussetzungen könnte die Software außer dem zentralen

und verbundfähigen Lichtbildbestand von INPOL-Zentral sowie dem
Lichtbildbestand der Abteilung Staatsschutz auch Gesichtsbilder des
Schengener Informationssystems verarbeiten?

20. Welche Bundesministerien und Behörden nehmen nach Kenntnis der Bun-
desregierung am „EU-US-Cyber-Dialog“ teil, der Ende 2017 wieder phy-
sisch zusammenkommen soll (Bundestagsdrucksache 18/10948, Antwort zu
Frage 20)?

http://gleft.de/1BC
http://gleft.de/1Bq
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11362

21. Was ist der Bundesregierung über Ziele, Teilnehmende und Zeitpunkt bevor-

stehender Übungen der EU-Mitgliedstaaten zum Umgang mit einem Cy-
berangriff bekannt?

Berlin, den 21. Februar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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