BT-Drucksache 18/11358

Ertüchtigung von Partnerstaaten

Vom 16. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11358
18. Wahlperiode 16.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Annette Groth, Inge Höger,
Andrej Hunko, Katrin Kunert, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Ertüchtigung von Partnerstaaten

Die sogenannte Ertüchtigung von Partnerstaaten wurde bereits vor Jahren von
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel als Möglichkeit benannt, Länder zu befähi-
gen, selbst Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen, statt von au-
ßen militärisch unterstützen oder intervenieren zu „müssen“. Diese Ertüchtigung
diente dann in einigen Fällen als Rechtfertigung, um Exportgenehmigungen für
Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter zu erteilen. Im Jahr 2016 wurde erst-
mals ein eigener Titel (687 03 in Einzelplan 60) über 100 Mio. Euro in den Bun-
deshaushalt für die „Ertüchtigung von Partnerstaaten“ eingestellt, aus dem nun
direkt Projekte in und Material für ausgewählte Partnerstaaten finanziert werden.
Als sogenannte Schwerpunktländer ausgewählt wurden im Jahr 2016 Tunesien,
Irak, Mali, Jordanien und Nigeria.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Aus welchen Gründen wurde erstmals im Jahr 2016 Titel 687 03 „Ertüchti-

gung von Partnerstaaten“ in Einzelplan 60 in den Bundeshaushalt eingestellt,
und welche Rolle spielte dabei die Tatsache, dass laut Lissabon-Vertrag die
Finanzierung von „Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspoliti-
schen Bezügen“ aus dem EU-Haushalt für die Gemeinsame Außen- und Si-
cherheitspolitik (GASP) (Artikel 41 Absatz 2 des EU-Vertrags) ausgeschlos-
sen sind und auch die ODA-Kriterien (ODA – öffentliche Entwicklungsleis-
tungen) in der EU-Entwicklungszusammenarbeit eine militärische Ausrüs-
tung grundsätzlich ausschließen?

2. Mit welcher Begründung schlägt die Bundesregierung vor, nach dem Jahr
„2020 ein gesondertes EU-Finanzierungsinstrument für den militärischen
Kapazitätsaufbau“ aufzubauen („Eckpunkte für einen Marshall-Plan mit Af-
rika“, S. 20), und nach welchen Kriterien sollen diese Mittel durch wen und
an welche Partnerländer und -organisationen vergeben werden?

3. Welche Staaten und in diesen ansässigen Regionalorganisationen und Ver-
bündeten wurden im Rahmen der „Ertüchtigung von Partnerstaaten“ als Part-
nerstaaten, Partnerorganisationen und Schwerpunktländer ausgewählt, und
welche „strategischen Interessen“ Deutschlands waren jeweils für die Aus-
wahl ausschlaggebend?

4. Welche Rolle spielte dabei die menschenrechtliche Situation in den auszu-
wählenden Ländern, besonders die Beachtung der Kinderrechte vor dem
Hintergrund, dass in Irak, Mali und Nigeria offiziell Minderjährige in der
Polizei und verbündeten Milizen eingesetzt werden?

Drucksache 18/11358 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
5. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Deutschland im Rahmen der „Er-
tüchtigung von Partnerstaaten“ seine Außenbeziehungen so ausgestaltet,
dass der Schutz von Kindern gefördert wird (Artikel 7 des 2. Fakultativpro-
tokolls zur Kinderrechtskonvention)?

6. Wie und von wem wurden der für das jeweilige Land erforderliche Bedarf
und die daraus folgenden Maßnahmen im Rahmen der „Ertüchtigung von
Partnerstaaten“ ermittelt (bitte nach Land aufschlüsseln)?

7. Welche Projekte wurden im Jahr 2016 aus dem Haushaltstitel 687 03 in Ein-
zelplan 60 in welcher Höhe und mit welcher Laufzeit finanziert (bitte nach
Land und jeweils unter Angabe des/der Kooperationspartner/-partners im
Land, der Projektbezeichnung, der Höhe der Aufwendungen und Beschrei-
bung der Projekte aufschlüsseln und Güter, die mit diesen Mitteln erworben
werden sollen bzw. können, nennen)?

8. Inwiefern dienen die aus dem Haushaltstitel 687 03 in Einzelplan 60 finan-
zierten Projekte „mittelbar und/oder unmittelbar der Erhöhung der Sicherheit
Deutschlands“ (bitte nach Land aufschlüsseln)?

9. Wurden im Jahr 2016 aus dem Haushaltstitel 687 03 in Einzelplan 60 sons-
tige Rüstungsgüter und/oder Kriegswaffen von Seiten der Bundesregierung
in Deutschland beschafft, die dann in/an die Partnerstaaten/-organisationen
geliefert wurden (bitte nach Land und als Endempfänger angegebene/ange-
gebenes Behörde, Ministerium, Organisation etc., Güterbeschreibung, Wert
und Hersteller auflisten)?

10. Wurden im Jahr 2016 aus dem Haushaltstitel 687 03 in Einzelplan 60 Rüs-
tungsgüter und/oder Kriegswaffen von Seiten der Bundesregierung „lokal“
beschafft, die dann in/an die Partnerstaaten/-organisationen übergeben wur-
den (bitte nach Land, Land, in dem die Beschaffung stattgefunden hat, als
Endempfänger angegebene/angegebenes Behörde, Ministerium, Organisa-
tion etc., Güterbeschreibung, Wert und Hersteller auflisten)?

11. Welchen Partnerstaaten/-organisationen wurden im Jahr 2016 welche Mittel
aus dem Haushaltstitel 687 03 in Einzelplan 60 zur eigenständigen Beschaf-
fung von Material, Fahrzeugen, Rüstungsgütern und Kriegswaffen etc. zur
Verfügung gestellt (bitte nach Land und Geldmittel erhaltende/erhaltendes
Organisation, Ministerium etc. und Höhe der Geldmittel auflisten)?

12. Die Ausfuhr welcher Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter wurden im
Jahr 2016 im Rahmen der „Ertüchtigung von Partnerstaaten“ genehmigt, und
welche Ausfuhren sind bisher tatsächlich erfolgt (bitte nach Land und als
Endempfänger angegebene/angegebenes Behörde, Ministerium, Organisa-
tion etc., Güterbeschreibung, Wert und Hersteller auflisten)?

13. Wurde den Partnerstaaten Material der Bundeswehr geliefert, und wenn ja,
handelte es sich dabei um Material, das ausgesondert und anschließend neu
beschafft wurde oder das anschließend und dauerhaft nicht neu beschafft
wurde (bitte nach Land und als Endempfänger angegebene/angegebenes Be-
hörde, Ministerium, Organisation etc., Güterbeschreibung und Wert auflis-
ten)?

14. Sofern die Ausfuhr von konventionellen Rüstungsgütern und/oder Kriegs-
waffen in die Partnerstaaten genehmigt wurde, in welcher Weise werden
diese im jährlichen Rüstungsexportbericht aufgeführt und gegebenenfalls ge-
sondert gekennzeichnet?

15. Sofern Rüstungsgüter als Bundeswehrmaterial ausgeführt wurden oder wer-
den, in welcher Weise werden diese im jährlichen Rüstungsexportbericht un-
ter „Bundeswehrausfuhren“ aufgeführt und gegebenenfalls gesondert ge-
kennzeichnet?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11358

16. Wurden im Rahmen der „Ertüchtigung von Partnerstaaten“ auch Leistungen

erbracht, die monetär nicht bemessen wurden bzw. nicht zu bemessen sind,
und wenn ja, welche waren bzw. sind das (bitte nach Land, als Endempfänger
angegebene/angegebenes Behörde, Ministerium, Organisation etc. und Gü-
terbeschreibung auflisten)?

17. Fanden im Rahmen der „Ertüchtigung von Partnerstaaten“ auch Ausbil-
dungs-, Beratungs- oder Trainingsmaßnahmen statt, und wenn ja, wer
führt/führte diese durch (bitte nach Land und an Maßnahmen teilnehmender
Organisationseinheit etc., Bezeichnung, Zweck und Dauer der Maßnahmen
auflisten)?

18. Welche der Partnerländer, die im Jahr 2016 direkt oder indirekt Mittel aus
dem Haushaltstitel erhalten sollen, sind oder waren Empfänger sog. Länder-
abgaben und/oder nehmen oder nahmen an dem Ausstattungshilfeprogramm
der Bundesregierung teil (bitte nach Land, Jahr und Gütern der Länderabgabe
und Bezeichnung des Ausstattungshilfeprogramms auflisten)?

19. Werden die „Ertüchtigungsprojekte“ in den einzelnen Ländern evaluiert, und
wenn ja, von wem, und werden die Ergebnisse dem Deutschen Bundestag
zugänglich gemacht?

20. Plant die Bundesregierung „Vor-Ort-Kontrollen“ über den Verbleib des ge-
lieferten Materials, und werden die Ergebnisse dem Deutschen Bundestag
zugänglich gemacht?

21. Durch wen erfolgt/erfolgte die Ertüchtigung laut der von der Bundesregie-
rung vorgelegten Projektliste für die im Jahr 2016 geplante oder bereits er-
folgte „Beschaffung von elektronischen Überwachungsanlagen zur Siche-
rung der tunesisch-libyschen Grenze“, was sind die genauen Spezifika dieser
Anlagen, wer ist/sind der/die Hersteller, und wurde oder wird das tunesische
Personal an den Anlagen ausgebildet, und wenn ja, wer genau wird daran
ausgebildet, und von wem?

22. Durch wen erfolgt/erfolgte die Ertüchtigung laut der von der Bundesregie-
rung vorgelegten Projektliste für die im Jahr 2016 geplante oder bereits er-
folgte „Beschaffung von Bodenradarsystemen zur Gewinnung von bodenge-
stützten Aufklärungsergebnissen“ für Nigeria, was sind die genauen Spezi-
fika dieser Anlagen, wer ist/sind der/die Hersteller, und wurde oder wird das
nigerianische Personal an den Anlagen ausgebildet, und wenn ja, wer genau
wird daran ausgebildet, und von wem?

23. Wie langfristig sind die Projekte im Rahmen der Ertüchtigung angelegt, bzw.
plant die Bundesregierung eine langfristige Kooperation mit den Partnerstaa-
ten im Verbund mit anderen Ländern der Europäischen Union, um die Qua-
lität der Maßnahmen aufrechtzuerhalten, z. B. indem Multiplikatoren ausge-
bildet und regelmäßige Austausch- bzw. Ausbildungsprogramme stattfinden
(bitte nach Land, Dauer der angestrebten Zusammenarbeit mit den Partner-
staaten, geplanten Anschlussprojekten etc. auflisten)?

24. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass das gelieferte Material an die
Partnerstaaten im Rahmen der Ertüchtigung für den jeweils vorgesehenen
Zweck verwendet wird?

Drucksache 18/11358 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

25. Welche Staaten wurden für das Jahr 2017 als Partnerstaaten/-organisationen,

Verbündete und Schwerpunktländer im Rahmen der „Ertüchtigung von Part-
nerstaaten“ ausgewählt, und welche Projekte sind geplant (bitte nach Land,
Partnerorganisation, Projektbezeichnung, Höhe der Aufwendungen und Gü-
terbeschreibung auflisten)?

Berlin, den 15. Februar 2017

Dr. Sarah Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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