BT-Drucksache 18/11355

Rechtsextreme Vorkommnisse in der Bundeswehr im Jahr 2016

Vom 21. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11355
18. Wahlperiode 21.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Sevim Dağdelen, Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger, Andrej Hunko,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Harald Petzold (Havelland) und
der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsextreme Vorkommnisse in der Bundeswehr im Jahr 2016

Unter der Rubrik „Extremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit“ be-
richtet der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages in seinem Jahresbericht
2016 von 63 meldepflichtigen Ereignissen. Das sind sechs mehr als im Vorjahr,
darunter mit einer Ausnahme Propagandadelikte.
Die Fragesteller haben in den Vorjahren mehrfach darauf hingewiesen, dass die
Bundeswehr mitunter zu duldsam mit Rechtsextremisten umgehe. Insbesondere
ist aus ihrer Sicht nicht akzeptabel, dass Soldaten, die mit „Hitlergrüßen“ oder
Nazi-Sprüchen auffallen, mit einfachen Disziplinarbußen davonkommen und
weiterhin Zugang zu Waffen haben. Diese Einschätzung finden sie auch in der
Antwort der Bundesregierung bezüglich rechtsextremer Vorkommnisse des Jah-
res 2015 bestätigt (vgl. Bundestagsdrucksache 18/7892).
Die Fragesteller verweisen exemplarisch auf folgende Vorkommnisse (Bundes-
tagsdrucksache 18/7892, Anlage 1):
Nummer 2: Ein Soldat verbleibt nach „Sieg Heil“-Rufen im Dienst.
Nummer 22: Ein Soldat beleidigt einen Kameraden fremdenfeindlich („Du scheiß
Türke, du scheiß Grieche“). „Des Weiteren kam es zu ‚Sieg Heil Rufen‘“. Gegen
den Soldaten wurde nur eine „einfache Disziplinarmaßnahme“ eingeleitet.
Nummer 29: Ein Soldat wurde auffällig durch Parolen wie „Heil Hitler“, „Heil
unser Führer“, „Sieg Heil Kameraden“. Der Vorfall wurde zwar an die Wehrdis-
ziplinaranwaltschaft und die Staatsanwaltschaft abgegeben, es erfolgten aber we-
der eine vorzeitige Entlassung noch ein Dienstverbot.
Nummer 37: Ein Soldat verbreitete in einer NPD-nahen Facebookgruppe rassis-
tische Parolen, forderte die Todesstrafe für „typisch Ausländer“, bezeichnete
Migrantinnen und Migranten als „hässliche Spacken“ und „Arschlöcher“. Dafür
gab es lediglich eine „disziplinarische Würdigung“.
Nummer 47: Ein Soldat posierte während einer „Betreuungsfahrt“ in der Innen-
stadt von Riga mit dem „Hitlergruß“. Dafür erhielt er lediglich eine Disziplinar-
buße, er hat weiterhin Zugang zu Waffen.
Der letztgenannte Fall zeigt auch, dass der Hinweis der Bundesregierung, es
handle sich bei der Frage, warum ein auffällig gewordener Soldat noch Zugang
zu Waffen habe, um „Einzelfallbetrachtungen und Einzelfallentscheidungen“

Drucksache 18/11355 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

(Antwort zu Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 18/4912) aus Sicht der Fragestel-
ler nicht trägt. Wer den „Hitlergruß“ entbietet, darf von der Bundeswehr nicht
weiterhin an der Waffe ausgebildet werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was genau war Inhalt der im Jahresbericht des Wehrbeauftragten erwähnten

Meldungen über extremistische, antisemitische und fremdenfeindliche Vor-
fälle (bitte jeden Vorfall einzeln darstellen)?
a) Welchen Status hatten die Soldaten?
b) Wann fanden die Vorfälle statt?
c) Wie wurden die Sachverhalte beschrieben?
d) Welche disziplinarischen und strafrechtlichen Maßnahmen wurden gegen

die betroffenen Soldaten eingeleitet?
e) Hatten sie weiterhin Zugang zu Waffen, und wenn ja, warum?
f) Wurden sie weiterhin als Ausbilder eingesetzt?
g) Haben sie weiter als Vorgesetzte Befehle erteilt?
h) Wie lange sind sie nach dem Vorkommnis noch im Dienst verblieben?
i) Wurde die Dienstzeit vorzeitig beendet?
j) Welche der Vorfälle wurden als schwerwiegende schuldhafte Verstöße

gegen die politische Treuepflicht bewertet, und welche Konsequenzen hat
eine solche Einstufung?

2. Welche ergänzenden Angaben kann die Bundesregierung zu jenen Vor-
kommnissen des Berichtsjahrs 2015 machen, die noch nicht abschließend er-
ledigt waren, als die letztjährige diesbezügliche Anfrage (auf Bundestags-
drucksache 18/7892) beantwortet worden war?

3. Wie viele rechtsextremistische Verdachtsfälle werden derzeit vom Militäri-
schen Abschirmdienst (MAD) bearbeitet, und aus welchen Jahren stammen
die Hinweise?

4. Wie viele solcher rechtsextremistischen Verdachtsfälle haben sich im Jahr
2016 bestätigt (bitte angeben, in welchen Jahren die Verdachtsfälle aufge-
nommen worden waren)?

5. Um welche konkreten Betätigungen ging es in den bestätigten Fällen (bitte
den Status der Soldaten angeben und den Zeitraum zwischen Aufnahme des
Verdachtsfalls und Bestätigung)?
a) Welche der erkannten Rechtsextremisten sind vorzeitig entlassen wor-

den?
b) Welche disziplinarischen und strafrechtlichen Maßnahmen wurden gegen

die Soldaten ergriffen?
c) In welchen Fällen hatten die betroffenen Soldaten nach Aufnahme der Er-

mittlungen des MAD bzw. nach der Bestätigung des Verdachtsfalls noch
Zugang zu Waffen, und/oder wurden sie als Ausbilder eingesetzt, oder
konnten sie anderen Soldaten Befehle erteilen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11355
6. Welcher Vorgesetzte (bitte Rang und Standort angeben) hat die Entschei-
dung getroffen, den Soldaten, der in Riga den „Hitlergruß“ zeigte (Num-
mer 47 der Anlage 1 auf Bundestagsdrucksache 18/7892) nur mit einer Dis-
ziplinarbuße zu belegen und ihm weiterhin Zugang zu Waffen zu gewähren,
und wie beurteilt die Bundesregierung diese Entscheidung und die mögliche
Wirkung auf die deutsche und lettische Öffentlichkeit?
Wurde diesem Soldaten angeraten, am alljährlichen Marsch der SS-Vetera-
nen in Riga teilzunehmen?

7. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Soldaten, gegen die der
Vorwurf rechtsextremer Betätigung erhoben wird, zumindest bis zur Klärung
der Vorwürfe den Zugang zu Waffen zu verwehren bzw. die Dienstausübung
zu verbieten, und warum wird insbesondere von letzterer Möglichkeit nicht
häufiger Gebrauch gemacht?

8. Welche weiteren Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Er-
fahrungen mit dem Umgang der Bundeswehr mit Soldaten, die wegen rechts-
extremer Tätigkeiten auffällig werden?

Berlin, den 20. Februar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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