BT-Drucksache 18/11343

Beihilfe und gesetzliche Krankenversicherung

Vom 16. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11343
18. Wahlperiode 16.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Weinberg, Kathrin Vogler,
Sabine Zimmermann (Zwickau), Eva Bulling-Schröter, Dr. André Hahn,
Katja Kipping, Jan Korte, Katrin Kunert, Kersten Steinke, Azize Tank,
Birgit Wöllert, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Beihilfe und gesetzliche Krankenversicherung

Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, (nichtaktive) Soldatinnen
und Soldaten sowie einige weitere Personengruppen und deren Familienmitglie-
der erhalten im Krankheitsfall einen Zuschuss zur medizinischen Versorgung, die
sogenannte Beihilfe.
Gleichzeitig sind sie verpflichtet, zumindest für den Teil der nicht durch die Bei-
hilfe abgedeckten Kosten eine Krankenversicherung abzuschließen. Diese Ver-
pflichtung können sie über eine private Beihilfeergänzungsversicherung erfüllen
oder sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichern.
Sollten sich Beihilfeberechtigte für eine freiwillige Versicherung in der GKV ent-
scheiden, wird die Beihilfe aber nur in den sehr begrenzten Fällen gezahlt, in de-
nen die GKV die Kosten nicht übernimmt. Oder kurz: Eine Mitgliedschaft in der
privaten Krankenversicherung bietet sich für Beihilfeberechtigte an und wird sei-
tens des Gesetzgebers und Dienstherrn unterstützt, eine Mitgliedschaft in der
GKV hingegen nicht. In Hessen gibt es eine Sonderregelung, die auch GKV-Ver-
sicherten Beihilfe gewährt.
Daher ist es für die meisten Beihilfeberechtigten ungleich günstiger, sich privat
zu versichern – gerade in jungen Jahren, in denen diese Entscheidung getroffen
wird. Anders sähe das aus, wenn der Dienstherr den Arbeitgeberanteil in der GKV
übernehmen müsste. Eine Untersuchung des Instituts IGES im Auftrag der Ber-
telsmann-Stiftung (www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/
GrauePublikationen/Studie_VV_KrankenversPflicht_Beamte_Selbststaendige_
Teilbericht-Beamte_final.pdf) zeigt aktuell, dass die Beihilfeberechtigten bei einer
echten Wechselmöglichkeit in die GKV mit Arbeitgeberanteil im Durchschnitt
Beiträge sparen könnten. Noch größer wären die Einsparungen bei den Dienst-
herren, dem Bund, den Ländern, den Kommunen und anderen. Auch könnte der
Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung sinken.
Probleme ergeben sich für Beihilfeberechtigte derzeit vor allem dann, wenn sie
Vorerkrankungen haben und daher eine Aufnahme in die private Krankenversi-
cherung (PKV) nur nach Gesundheitsprüfung mit Prämienzuschlägen oder Leis-
tungsausschlüssen möglich ist. Zwar bieten einige PKV-Unternehmen eine Auf-
nahmegarantie für Beihilfeberechtigte mit einem in der Höhe begrenzten Risiko-
zuschlag im Rahmen der Öffnungsklausel für Beamtinnen und Beamte an. Wer
sich über diesen Weg nicht versichern kann oder die hohen Risikozuschläge nicht
zahlen kann, dem bleibt letzten Endes nur der Weg in die GKV. Der Arbeitgeber-

http://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_VV_KrankenversPflicht_Beamte_Selbststaendige_Teilbericht-Beamte_final.pdf
http://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_VV_KrankenversPflicht_Beamte_Selbststaendige_Teilbericht-Beamte_final.pdf
http://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Studie_VV_KrankenversPflicht_Beamte_Selbststaendige_Teilbericht-Beamte_final.pdf
Drucksache 18/11343 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

anteil muss dann allerdings selbst getragen werden, und auch andere Einkom-
mensarten werden nach § 240 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in
der freiwilligen Versicherung beitragspflichtig. In diesen Fällen besteht also eine
Benachteiligung sowohl gegenüber anderen Beihilfeberechtigten in der PKV als
auch gegenüber in der GKV Versicherungspflichtigen.
Letztlich wäre als Abhilfe dafür die Änderung der entsprechenden Beamtenge-
setze und Beihilferegelungen notwendig. Die Bundesregierung trägt direkte Ver-
antwortung freilich nur für diejenigen, für die die Beihilferegelungen des Bundes
gelten.
Änderungen im Beihilferecht greifen nicht in private Krankenversicherungsver-
träge ein. Zwar können sie den Wunsch nach Änderung dieser Verträge auf Seiten
der Versicherten auslösen, allerdings tangieren sie nach Auffassung der Frage-
steller bestehende Versicherungsverträge nur insoweit, als in den Verträgen Klau-
seln zur Anpassung der Tarife bei Beihilfeänderungen vereinbart wurden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Beihilfeberechtigte (ohne freie Heilfürsorge) gibt es nach Kenntnis

der Bundesregierung jeweils in Bund und Ländern?
Wie hoch sind die Beihilfeausgaben jeweils (bitte absolut und pro Kopf an-
geben)?

2. Wie viele Beihilfeberechtigte (ohne freie Heilfürsorge) gibt es nach Kenntnis
der Bundesregierung jeweils in den Kommunen, in der Sozialversicherung
und bei anderen Dienstherren?
Wie hoch sind die Beihilfeausgaben jeweils (bitte absolut und pro Kopf an-
geben)?

3. Wie hat sich die Zahl der Beihilfeberechtigten nach den Antworten zu den
Fragen 1 und 2 in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

4. Wie viele Beihilfeberechtigte haben nach Kenntnis der Bundesregierung ei-
nen Beihilfeanspruch, weil sie als Ehegatte oder Kind eines Beihilfeberech-
tigten berücksichtigungsfähig sind (bitte getrennt nach Ehegatten und Kin-
dern angeben)?

5. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Versorgungs-
empfängerinnen und Versorgungsempfänger in den vergangenen zehn Jah-
ren entwickelt (bitte getrennt für Bund, die einzelnen Länder und sonstige
angeben)?

6. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Beiträge in den Bei-
hilfeergänzungstarifen durchschnittlich, und wie haben sie sich in den ver-
gangenen zehn Jahren entwickelt (wenn möglich, bitte getrennt nach Alters-
gruppen angeben)?

7. Sieht die Bundesregierung für die Gruppe der verwitweten und geschiedenen
Beamtengattinnen und Beamtengatten besondere Belastungen, und welcher
Art sind diese (bitte auch die Gruppe derer berücksichtigen, die zum Zeit-
punkt von Scheidung oder Tod der Beamtin bzw. des Beamten 55 Jahre und
älter sind)?

8. Inwiefern haben nach Kenntnis der Bundesregierung verwitwete und ge-
schiedene Beamtengattinnen und Beamtengatten einen Beihilfeanspruch
(bitte getrennt für Bund, die einzelnen Länder und sonstige angeben)?
Wie verändert sich dieser ggf. nach der Scheidung und dem Tod des bzw.
der Beihilfeberechtigen?

9. Welche Auswirkungen hat dies auf die Versicherungsprämien?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11343

10. Wie steht die Bundesregierung zu Forderungen, Beihilfeberechtigten den Ar-

beitgeberanteil in der GKV zu erstatten?
11. Wie steht die Bundesregierung zu der Möglichkeit in der hessischen Beihil-

feverordnung, wonach gesetzlich versicherten Beihilfeberechtigten Zahlun-
gen in Höhe des entsprechenden Prozentsatzes der Behandlungskosten bis
maximal zur Höhe des Beitrags zustehen?

Ist dies nach Einschätzung der Bundesregierung verfassungskonform?
12. Weshalb gibt es eine vergleichbare Regelung, die die Entlastung gesetzlich

versicherter Beihilfeberechtigter zum Ziel hat, nicht auch in der Bundesbei-
hilfeverordnung?

13. Wäre es nach Auffassung der Bundesregierung mit der Verfassung verein-
bar, in Beihilfeverordnungen vorzusehen, dass wahlweise statt der bisherigen
Form der Beihilfe der Arbeitgeberanteil in der GKV durch den Dienstherren
übernommen wird (falls notwendig, bitte zwischen neuen Beihilfeberechtig-
ten und bestehenden Beihilfeansprüchen unterscheiden)?

14. Schreibt das Alimentationsprinzip die Beihilfe in der Form vor, wie sie heute
existiert, und worin bestehen nach Ansicht der Bundesregierung Grenzen
von Reformmöglichkeiten (falls notwendig, bitte zwischen neuen Beihilfe-
berechtigten und bestehenden Beihilfeansprüchen unterscheiden)?

15. Wäre es nach Ansicht der Bundesregierung rechtlich möglich, für alle zu-
künftigen Beihilfeberechtigten dem Alimentationsprinzip ausschließlich durch
einen Arbeitgeberanteil in der gesetzlichen Krankenversicherung Rechnung
zu tragen (bitte begründen)?

16. Wäre es nach Einschätzung der Bundesregierung rechtlich möglich, die Bei-
hilfeverordnungen so zu ändern, dass für alle auch derzeit Berechtigten aus-
schließlich ein Arbeitgeberanteil gezahlt wird, unabhängig von der Art der
Versicherung und ggf. mit Übergangsfrist (bitte begründen)?

17. Wenn nein, wie weit dürfen Änderungen im Beihilferecht nach Einschätzung
der Bundesregierung gehen, um rechtlich statthaft zu sein – zumal Änderun-
gen in den Beihilfeverordnungen auch bei Änderungen im SGB V, z. B. bei
Zuzahlungsänderungen in der GKV, regelmäßig analog auch im Beihilfe-
recht Niederschlag finden?

18. Wäre die Einführung einer Versicherungspflicht in der GKV analog zu Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmern für alle bislang Beihilfeberechtigten
oder alle künftigen Beihilfeberechtigten und eine diesbezügliche Gleichstel-
lung mit anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach Ansicht der
Bundesregierung rechtlich möglich?

19. Aus welchem sachlichen (nicht rechtlichen) Grund unternimmt die Bundes-
regierung nichts in die Richtung, Beihilfeberechtigte zu einem höheren An-
teil als bisher in die gesetzliche Krankenversicherung einzubeziehen, zumal
dadurch vor dem Hintergrund der Schuldenbremse Einsparungen in den öf-
fentlichen Haushalten möglich wären, der Beitragssatz in der GKV sinken
könnte und auch die Beamtinnen und Beamten in der Summe weniger Bei-
träge/Prämien zahlen müssten?

20. Gewichtet die Bundesregierung in dieser Frage rechtliche Schwierigkeiten
oder die Berufsfreiheit der privaten Versicherungsunternehmen höher als ihr
Bestreben nach einer „schwarzen Null“ oder nach niedrigen Sozialversiche-
rungsbeiträgen?
Weshalb trägt die Bundesregierung nicht zur Lösung dieser rechtlichen
Schwierigkeiten bei?

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21. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass Beihilfeberechtigte, die gesetz-

lich krankenversichert sind, zum Beispiel weil sie Vorerkrankungen haben,
sich aus Überzeugung gesetzlich versichern wollen, viele Kinder haben oder
aus der Wahrnehmung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
heraus eine Gesundheitsprüfung durch private Versicherer ablehnen, durch
die Nichtzahlung von Arbeitgeberbeiträgen in der gesetzlichen Krankenver-
sicherung erhebliche finanzielle Nachteile gegenüber gesetzlich pflichtversi-
cherten Beschäftigten sowie regelhaft gegenüber privatversicherten Beihil-
feberechtigten haben?

Welche Lösungen sieht die Bundesregierung für dieses Problem?
22. Wäre die Existenz der privaten Krankenversicherung (PKV) nach Einschät-

zung der Bundesregierung infrage gestellt, wenn Beamtinnen und Beamten
ein echtes Wahlrecht mit Arbeitgeberbeiträgen gewährt würde?

23. Oder ist die Bundesregierung der Auffassung, dass bei Einführung eines ech-
ten Wahlrechts vielmehr Versichertenselektion zugunsten der PKV stattfin-
den würde?

24. Wenn nur für neue Beihilfeberechtigte eine Pflichtversicherung in der GKV
geschaffen würde, könnte die PKV dann nach Ansicht der Bundesregierung
das auslaufende alternde Versichertenkollektiv dauerhaft zu angemessenen
Konditionen versichern?

Berlin, den 15. Februar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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