BT-Drucksache 18/10951

Stärkung strukturschwacher Regionen in Deutschland

Vom 18. Januar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10951
18. Wahlperiode 18.01.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Markus Tressel, Britta Haßelmann, Christian Kühn (Tübingen),
Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Matthias Gastel und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stärkung strukturschwacher Regionen in Deutschland

Die hohen Wahlergebnisse rechtspopulistischer Parteien in den ländlich gepräg-
ten Bundesländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben zu einer
öffentlichen Debatte über sogenannte abgehängte Regionen in Deutschland ge-
führt. In der Diskussion wird ein Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen
Strukturschwäche, starken Abwanderung oder hohen Arbeitslosigkeitsquote die-
ser Regionen und dem populistischen Wahlverhalten gesehen. Die unterschiedli-
chen Lebensverhältnisse in städtischen Ballungszentren und ländlichen Regionen
werden für das divergierende Wahlverhalten der jeweiligen Bevölkerung verant-
wortlich gemacht. Eine ähnliche Debatte wird seit der Präsidentschaftswahl auch
in den USA oder seit dem Brexit-Referendum auch in Großbritannien geführt.
Diese Debatte gilt es zum einen zu versachlichen, zum anderen gilt es aber auch,
die Erkenntnisse der Diskussion zu nutzen und neue Instrumente der Regionalpo-
litik zu etablieren, mit welchen zielgerichtet auf eine Herstellung gleichwertiger
Lebensverhältnisse für alle Bevölkerungsteile hingewirkt werden kann.
Für eine genauere Betrachtung der sogenannten abgehängten Regionen bietet der
Raumordnungsbericht des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung
(BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) einen deutsch-
landweiten Maßstab, der ungleichwertige Lebensverhältnisse in den Regionen er-
fasst. Eine Region gilt dann als ungleichwertig, wenn sie im Vergleich zum Bun-
desdurchschnitt stark unterdurchschnittliche Lebensverhältnisse aufweist. Die re-
gionalen Lebensverhältnisse werden dabei in den Kategorien Demografie, Wirt-
schaft, Arbeitsmarkt, Wohlstand, Infrastruktur und Wohnungsmarkt untersucht.
Sofern Landkreise oder kreisfreie Städte in mehreren dieser Kategorien stark un-
terdurchschnittlich abschneiden, sieht das BBSR die Gleichwertigkeit gravierend
gefährdet. Aus den untersuchten Kategorien ergeben sich konkrete Handlungs-
aufträge an die Politik, um vor Ort neue Perspektiven zu schaffen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Aus welchen Indikatoren setzen sich die Einzeldimensionen regionaler Le-

bensverhältnisse (Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Demografie, Wohlstand, Infra-
struktur und Wohnungsmarkt) zusammen (bitte als tabellarische Darstel-
lung)?

2. Welche Kreise und kreisfreien Städte weisen stark unterdurchschnittliche
und unterdurchschnittliche regionale Lebensverhältnisse auf (bitte pro Bun-
desland aufsteigend angeben, bitte auch bei den folgenden Fragen auf die
aktuellsten Zahlen zurückgreifen)?

Drucksache 18/10951 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welche Kreise und kreisfreien Städte sind aufgrund ihrer Strukturschwäche
an der Schwelle zur Unterdurchschnittlichkeit und ebenfalls bedroht, unter-
durchschnittliche Lebensverhältnisse aufzuweisen?

4. Wie viele Menschen in Deutschland leben insgesamt unter stark unterdurch-
schnittlichen und unterdurchschnittlichen regionalen Lebensverhältnissen
(bitte nach Bundesland aufschlüsseln)?
Welche Regionen aus Frage 2 sind besonders bevölkerungsstark beziehungs-
weise bevölkerungsschwach?

5. Welche Kreise und kreisfreien Städte weisen in den Einzeldimensionen
(Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Demografie, Wohlstand, Infrastruktur sowie
Wohnungsmarkt) stark unterdurchschnittliche und unterdurchschnittliche
Werte auf (bitte pro Bundesland aufsteigend je Einzeldimension angeben)?

6. Besteht eine signifikante Korrelation bestimmter Einzeldimensionen zu in
der Gesamtdimension stark unterdurchschnittlichen und unterdurchschnittli-
chen regionalen Lebensverhältnissen?
Um welche Einzeldimensionen handelt es sich (bitte mit Begründung, zu-
sammenfassende Darstellung ist ausreichend)?

7. Inwiefern bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung Korrelationen zwi-
schen den regionalen Lebensverhältnissen und der Anzahl von Nichtwähle-
rinnen und Nichtwählern bzw. den Wahlergebnissen rechtspopulistischer
Parteien?

8. Wie haben sich die regionalen Lebensverhältnisse in den Regionen aus
Frage 2 seit 1995 entwickelt (zusammenfassende Darstellung ist ausrei-
chend)?

9. Wie zufrieden sind die Menschen in den Regionen aus Frage 2 mit den eige-
nen regionalen Lebensverhältnissen?

Wie hat sich diese Zufriedenheit seit 1995 entwickelt?
Wie hat sich die Zufriedenheit der Menschen mit den regionalen Lebensver-
hältnissen durchschnittlich in Deutschland seit 1995 entwickelt (bitte nach
Bundesländern aufschlüsseln)?

10. Wie hat sich die regionale Ungleichheit seit 1995 insgesamt entwickelt (bitte
nach Bundesländern aufschlüsseln)?
In welchen Einzeldimensionen und ihren jeweiligen Indikatoren hat die Dis-
parität ab- beziehungsweise zugenommen (bitte nach Bundesländern auf-
schlüsseln)?

11. Welche Aussagen lassen sich in Bezug auf die Fragen 2 bis 8 für die Unter-
schiede von Ost und West, Nord und Süd sowie Stadt und Land treffen?

12. Wann wird ein neuer Raumordnungsbericht veröffentlicht?
In welcher Hinsicht wird die Erhebung regionaler Lebensverhältnisse über-
arbeitet (beispielsweise in der Raumebene der Untersuchung, den Einzeldi-
mensionen und ihren Indikatoren, in der Bezugnahme auf den Bundesdurch-
schnitt etc.)?
In welcher Hinsicht sollen Möglichkeiten zur Teilhabe für den Menschen,
der Grad der Digitalisierung in den Regionen oder auch die Finanzspiel-
räume der Kommunen stärker berücksichtigt werden?
Wenn sie nicht stärker Berücksichtigung finden sollen, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10951

13. Welche weiteren jüngeren Studien und Erhebungen im Hinblick auf die re-

gionalen Lebensverhältnisse sind der Bundesregierung bekannt beziehungs-
weise von ihr in Auftrag gegeben, und wann werden oder wurden sie veröf-
fentlicht?

14. Wie haben sich die materielle Hilfsbedürftigkeit und die Armut in den Regi-
onen aus Frage 2 seit 1995 entwickelt?

15. Welchen Handlungsauftrag leitet die Bundesregierung aus den Erkenntnis-
sen zur Entwicklung regionaler Lebensverhältnisse zur Herstellung gleich-
wertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet ab, beispielsweise in der
Raumordnungs- und Förderpolitik, der Arbeitsmarkt-, Sozial-, Städtebau-,
Digital-, Demokratie- oder Familienpolitik?

16. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Gleichwertigkeit der Le-
bensverhältnisse für die Demokratie und die demokratische Repräsentation
der Bürgerinnen und Bürger aus diesen Regionen bei?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Wirksamkeit bestehender Steuerungs-
instrumente des Bundes (wie der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und
Küstenschutz – GAK –, Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regiona-
len Wirtschaftsstruktur“ – GRW – und Städtebauförderung, des Breitband-
ausbaus) für die Regionen aus Frage 2?

18. Rufen die Regionen aus Frage 2 in gleicher Weise die Fördermittel des Bun-
des ab wie Regionen mit weniger Strukturproblemen?
Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung die Unterschiede?

19. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung über die bestehen-
den Förderinstrumentarien (GRW, GAK, Städtebauförderung, Breitbandaus-
bau) hinaus, um gezielt Regionen aus Frage 2 zu unterstützen?

Berlin, den 17. Januar 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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