BT-Drucksache 18/10772

Militärische Drohnen in deutschen Lufträumen und ihre Steuerung über Relaisstationen

Vom 20. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10772
18. Wahlperiode 20.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Frank Tempel, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Ulla Jelpke,
Katrin Kunert, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Martina Renner,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Birgit Wöllert und der Fraktion DIE LINKE.

Militärische Drohnen in deutschen Lufträumen und ihre Steuerung über
Relaisstationen

Seit dem Jahr 2013 ist bekannt, dass die US-Armee in der Oberpfalz Trainings-
flüge mit drei verschiedenen Drohnen-Typen durchführt (Bundestagsdrucksache
18/48). Zuständig ist das „Joint Multinational Training Command“ (JMTC) in
Vilseck. Die benötigten Aufstiegsgenehmigungen wurden vom Bundesministe-
rium der Verteidigung (BMVg) erteilt (Bundestagsdrucksache 18/533). Zustän-
dig ist das Amt für Flugsicherung der Bundeswehr und die Deutsche Flugsiche-
rung GmbH (DFS). Eigentlich dürfen die Drohnen die US-Basen in Bayern nicht
verlassen, sondern lediglich über dem Gelände aufsteigen. Im Jahr 2014 haben
die US-Militärs eine erweiterte Zulassung beantragt, um in Korridoren zwischen
den Basen Grafenwöhr und Hohenfels zu verkehren. Sie könnten in diesen
Übungsräumen ED-R 136A und ED-R 137 über 4 000 Meter aufsteigen und mit
bis zu 200 Kilometern pro Stunde fliegen.
Die durch die US-Streitkräfte betriebenen unbemannten Luftfahrzeuge können
sowohl außerhalb der Sichtweite (Beyond Visual Line Of Sight) als auch nach
Sicht gesteuert werden (Bundestagsdrucksache 18/4944). Die Steuerungsart
hängt vom entsprechenden Übungsprofil ab. Am 30. November 2016 gab das
Auswärtige Amt erstmals zu, dass US-Standorte in Deutschland am tödlichen
Drohnenkrieg der US-Armee beteiligt sind (Plenarprotokoll 18/205, S. 20452 f).
Das betrifft nicht nur die (inzwischen ausgebaute) dortige Relaisstation, sondern
weitere Fähigkeiten zur Planung, Überwachung und Auswertung von Luftopera-
tionen.
Auch Drohnen der Bundeswehr müssten zukünftig Relaisstationen nutzen. So
sollen Aufklärungsdaten und womöglich auch Steuerungssignale der drei Aufklä-
rungsdrohnen „Heron 1“ in Mali nicht nur in Bodenstationen vor Ort, sondern
auch in Deutschland verarbeitet werden (Mitteilung des Presse- und Informati-
onsstabs im BMVg vom 31. Oktober 2016). Unklar ist, welche Kommunikations-
verbindungen (etwa per Richtfunkverbindung oder Satellitenanbindung) hierfür
errichtet würden.

Drucksache 18/10772 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Drohnen welcher Typen hat nach Kenntnis der Bundesregierung
das US-Militär derzeit an welchen Standorten in Deutschland stationiert, und
welcher Aufwuchs ist geplant?
a) Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand des Genehmi-

gungsverfahrens für eine erweiterte Zulassung zum Betrieb von US-Droh-
nen in Korridoren zwischen Basen in der Oberpfalz, etwa zwischen Gra-
fenwöhr und Hohenfels (Bundestagsdrucksachen 18/4944 und 18/5887)?

b) Mit welchem endgültigen Ergebnis wurden die Untersuchungen zu der im
November 2014 in Hohenfels abgestürzten US-Drohne nach Kenntnis der
Bundesregierung abgeschlossen (Bundestagsdrucksachen 18/4944 und
18/5887)?

c) Inwiefern ist die Bundesregierung mittlerweile in der Lage oder willens
in Erfahrung zu bringen, ob die in der Oberpfalz geflogenen US-Drohnen
(insbesondere die abgestürzte „Shadow“) auf Sicht oder „Beyond Visual
Line Of Sight“ (BVLOS) oder von einer US-Basis außerhalb Deutsch-
lands gesteuert werden, diese Steuerung mithin über eine Relaisstation er-
folgen (Bundestagsdrucksache 18/5887)?

d) Inwiefern kann die Bundesregierung zur Beantwortung dieser bereits
mehrmals gestellten Frage nötigen Kenntnisse bei der US-Armee einho-
len?

e) In welchem Umfang hat die Bundeswehr im Jahr 2016 US-Basen für
Flüge ihrer eigenen Drohnen genutzt?

2. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise die Regie-
rung Luxemburgs die US-Relaisstation in Ramstein durch die Zurverfügung-
stellung von Bandbreite unterstützt (Luxemburger Wort vom 12. Dezember
2016, „Das Geschäft mit den Militärdrohnen“)?

3. Welche eigenen Aufträge hat die Bundesregierung im Bereich der Militär-
technologie mit der im Staatsbesitz befindlichen Luxemburger Firma SES-
Government Solutions abgewickelt?

4. Auf welche Weise prüft das Bundesministerium der Verteidigung, ob die
weitere Erprobung des Überwachungssystems ISIS in einer Drohne der
MALE-Klasse oder HALE-Klasse beschleunigt werden kann (Schreiben des
Parlamentarischen Staatssekretärs Markus Grübel an den Vorsitzenden des
Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 22. November
2016)?

5. Welchen Zeitplan zur Wiederinbetriebnahme der HALE-Drohne „Euro
Hawk“ hält die Bundesregierung derzeit für realistisch?

6. Welche Kosten entstehen zur Umrüstung von zwölf Fahrzeugen zur „Mobi-
len Geschützten Fernmeldeaufklärung“ (MoGeFA) zur signalerfassenden
Aufklärung (http://gleft.de/1xR; bitte nur die Ausgaben für die Firma
PLATH angeben), und wo werden die Fahrzeuge stationiert?

http://gleft.de/1xR
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10772
7. Was ist der Bundesregierung über weitere Probleme des Zulassungsprozes-
ses der HALE-Drohnen des NATO-AGS-Programms bekannt, und was ist
damit gemeint, wenn das Bundesministerium der Verteidigung schreibt, die
luftrechtliche Zulassung durch die italienische Zulassungsbehörde befinde
sich „in Bezug auf den vorgesehenen Zeitplan in einer kritischen Phase“?
a) Hinsichtlich welcher inhaltlichen Fragestellungen des Zulassungsprozes-

ses stand bzw. steht die italienische Zulassungsbehörde hierzu „in engem
Kontakt mit dem Hersteller“?

b) Welche „Dokumentationsunterlagen“ wurden seitens des Herstellers
Northrop Grumman verzögert herausgegeben, und welche „Anpassung
von Softwareanteilen“ musste vorgenommen werden?

c) Wer ist für die Lieferung bzw. den Einbau der Verschlüsselungstechnik
zur Steuerung und Datenübertragung der NATO-Drohnen verantwortlich,
und welche Produkte welcher Hersteller werden eingebaut?

8. Was kann die Bundesregierung zu Plänen mitteilen, innerhalb der MALE
RPAS Community, an der neben der Bundeswehr auch Militärs aus Polen,
den Niederlanden, Italiens, Frankreichs, Spaniens und Griechenlands betei-
ligt sind, einen gemeinsamen Demonstrator für Trainings zu entwickeln?

9. Welche neueren Angaben kann die Bundesregierung zu dem Angebot des
Rüstungskonzerns Airbus als Hauptauftragnehmer für die als Übergangslö-
sung zu beschaffenden Kampfdrohnensysteme „Heron TP“ hinsichtlich der
von Airbus vorgesehenen Verteilung der Gesamtkosten (bitte benennen) auf
die Bereiche Luftfahrzeuge, Bodenstationen, Satellitenkapazität zur Daten-
übertragung, Ausbildung und Betrieb im Einsatzland machen (Plenarproto-
koll 18/198, Bundestagsdrucksache 18/10443)?

10. Ab wann will es die Bundeswehr ermöglichen, die Daten der drei Aufklä-
rungsdrohnen „Heron 1“ in Mali nicht nur in Bodenstationen vor Ort, son-
dern auch in Deutschland zu verarbeiten (Mitteilung des Presse- und Infor-
mationsstabs im BMVg vom 31. Oktober 2016)?
a) An welchen Standorten sollen die Daten verarbeitet werden?
b) Über welche Kommunikationsverbindungen (etwa per Richtfunkverbin-

dung oder Satellitenanbindung) würde dies erfolgen, und inwiefern wer-
den hierfür auch Relaisstationen genutzt?

11. Welche Testflüge des früher unter dem Namen „Barracuda“ firmierenden
und nun als „Agile UAV“ bezeichneten Drohnenprojekts der Rüstungskon-
zerne Airbus Defence & Space, Patria und RUAG sowie der finnischen und
schweizerischen Luftwaffe haben im Jahr 2016 stattgefunden, und welche
weiteren sind für 2017 geplant?
a) Welche Techniken und Verfahren wurden bei den Flügen getestet?
b) Was kann die Bundesregierung zu einer Meldung des Projektpartners

RUAG berichten, wonach das System erstmals Kunden zum Kauf ange-
boten worden sei (http://gleft.de/1xg)?

c) Auf welche Weise ist die Wehrtechnische Dienststelle 61 der Bundeswehr
an weiteren Arbeiten zu den Paketen „Airworthiness & Certification,
Concept of Operations, Platform Technology Aspects“ beteiligt?

d) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch Finnland
und die Schweiz als Beteiligte von „Agile UAV” ähnliche Systeme ent-
wickeln wollen?

http://gleft.de/1xg
Drucksache 18/10772 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

12. Welche EU-Forschungsprojekte zur Erprobung der Integration unbemannter

Drohnen in den zivilen, nicht segregierten Luftraum sind der Bundesregie-
rung nach Beantwortung der Bundestagsdrucksache 18/8784 bekannt gewor-
den, und wer führt diese durch?

13. Was ist der Bundesregierung mittlerweile über den Zeitplan der Europäi-
schen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) zum Beginn des
Einsatzes von Drohnen über dem Mittelmeer bekannt (Bundestagsdrucksa-
chen 18/8531 und 18/8784)?
a) Wann soll das Ausschreibungsverfahren beendet sein bzw. ab wann wä-

ren die Drohnen nach gegenwärtigem Stand einsatzbereit?
b) Inwiefern liegen schon Anfragen oder Interessensbekundungen einzelner

Mitgliedstaaten oder „ggf. auch der Europäischen Agentur für die Grenz-
und Küstenwache“ zum Einsatz der Drohnen vor?

14. Auf welchem Wege und mit welchen Kosten beschaffen EU-Agenturen und
Mitgliedstaaten (insbesondere Deutschland) nunmehr Daten der Satelliten-
AIS-Dienste, nachdem diese seit dem 31. August 2016 nicht mehr durch das
von der Europäischen Weltraumorganisation bereitgestellte, kostenlose For-
schungs- und Entwicklungsprogramm bereitgestellt werden (Bundestags-
drucksache 18/8784)?

15. Was ist der Bundesregierung über die Einhaltung des Zeitplans zum operati-
onellen Betrieb der „Weltraumdatenautobahn“ bekannt, der ab Juli 2016 auf-
genommen werden sollte (Bundestagsdrucksache 18/8784)?
a) Wann soll der Aufbau der „Nutzer-Bodenstation in Neustrelitz“ von Air-

bus Defence and Space in Neustrelitz nach Kenntnis der Bundesregierung
fertiggestellt und betriebsbereit sein?

b) Welche Ergebnisse ergaben sich nach der Prüfung der EMSA, inwieweit
die Satellitendaten, welche für EMSA aufgenommen werden, über das
europäische Datenrelaissystem (EDRS) weitergeleitet werden könnten,
und inwieweit das Kontingent, das in dem Zusammenhang für Copernicus
zur Verfügung steht, hierfür genutzt werden könnte?

c) Welche Details sind der Bundesregierung mittlerweile zu einem geplan-
ten Abkommen mit dem European Union Satellite Center (SatCen) be-
kannt, wonach auch dort Dienste der „Weltraumdatenautobahn“ genutzt
werden könnten?

16. Inwiefern hält die Bundesregierung die in der „SESAR Drones Outlook
Study“ vom 23. November 2016 vorgestellten Prognosen für realistisch, wo-
nach in 2050 im Agrarsektor 100 000 Drohnen eingesetzt würden, im Ener-
giesektor 10 000, im Transportgewerbe 100 000 und in Belangen der öffent-
lichen Sicherheit 50 000?

17. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu Plänen der Europäischen
Kommission, nach einem Beschluss des Verkehrssauschusses im EU-Parla-
ment einheitliche Regelungen zur Zulassung von Drohnen festzulegen
(http://orf.at/stories/2366184)?
a) Für welche Gewichtsklassen sollte die Europäische Kommission aus

Sicht der Bundesregierung einen Legislativvorschlag vorlegen?
b) Welche Vorgaben für das „Drohnendesign“, die Markierung sowie Iden-

tifizierung von Drohnen sollte die Europäische Kommission aus Sicht der
Bundesregierung berücksichtigen?

http://orf.at/stories/2366184
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10772

18. Was ist der Bundesregierung über Pläne der Europäischen Flugaufsichtsbe-

hörde (EASA) bekannt, Richtlinien und Empfehlungen für Flugzonen über
Kriegsgebieten bzw. Gebieten mit militärischen Auseinandersetzungen zu
erstellen?

19. Was ist der Bundesregierung über Fortschritte des Vorhabens der Europäi-
schen Kommission, der EASA, der Verteidigungsagentur (EDA) und des
SESAR-Projekts bekannt, Drohnen in das europäische Flugverkehrsmanage-
ment (Aviation and Air Traffic Management) zu integrieren (Pressemittei-
lung EASA vom 8. November 2016, „Partners step up efforts to address the
integration of drones into European airspace”)?
a) Welche einzelnen Vorhaben verfolgt das Projekt im zivilen und militäri-

schen Bereich?
b) Welche weiteren Organisationen sollen dabei eingebunden werden?
c) Wann wollen die Projektbeteiligten entsprechende Ergebnisse, etwa zur

Harmonisierung EU-weiter Regelungen, vorlegen?

Berlin, den 20. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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