BT-Drucksache 18/10767

Tierschutz im Pferdesport

Vom 21. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10767
18. Wahlperiode 21.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Ulla Jelpke,
Harald Petzold (Havelland), Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Tierschutz im Pferdesport

Gemäß § 3 Nummer 1 des Tierschutzgesetzes ist es verboten, einem Tier außer
in Notfällen Leistungen abzuverlangen, denen es wegen seines Zustandes offen-
sichtlich nicht gewachsen ist oder die seine Kräfte übersteigen.
Jedes Jahr kommt es auf deutschen Pferderennbahnen und Parcours zu zahlrei-
chen Unfällen. Dabei erleiden Menschen und Pferde immer wieder schwere und
teils irreparable Verletzungen, die zumeist für die Tiere tödlich enden. Während
die Veranstalterinnen und Veranstalter stets von vereinzelten „Unfällen“ spre-
chen, steht aufgrund der Häufigkeit der Unfallart sowie der Rahmenbedingungen
für viele Tierschützerinnen und Tierschützer fest, dass es sich um eine systema-
tische Überforderung der Pferde handelt, um im Kampf um die Preisgelder mit-
zuhalten. Erst vor kurzer Zeit fanden bei Pferderennen in Leipzig und Krefeld
insgesamt drei Tiere den Tod. Mit schweren Beinfrakturen als Folge verheerender
Stürze, blieb den zuständigen Veterinärinnen und Veterinären vor Ort nichts an-
deres übrig, als die Tiere einzuschläfern, wie die Artikel mit der Überschrift
„Drama im Scheibenholz – 4 000 Besucher trotzen Hitze beim Familienrenntag“
vom 28. August 2016 sowie „Bestürzung über den Tod zweier Pferde“ vom
13. September 2016 belegen (www.lvz.de & www.rp-online.de).
Bei jedem Rennen wird versucht, das Höchstmaß an Leistung aus dem Tier her-
auszuholen. Als Hilfsmittel kommen dabei unterschiedlichste Methoden zum
Einsatz. Eine Art „Gebiss“ im Maul der Tiere beispielsweise bewirkt durch
das Anziehen der Zügel, das Tier zu höheren Leistungen zu treiben (vgl.
www.feinehilfen.com/reiten-mit-gebiss-sinnvoll-oder-tierquaelerei/comment-
page-3/). Als ein weiteres Hilfsmittel stellt bei diversen Pferdesportveranstaltun-
gen die Peitsche eine legitime Unterstützung dar. Rennverbände erlauben je nach
Turnierart bis zu fünf Peitschenschläge, obwohl das Schlagen eines Tieres laut
Tierschutzgesetz verboten ist. Weitere teils verbotene, aber dennoch benutzte
Hilfsmittel sind Ohrenstöpsel, die auf der Zielgeraden herausgezogen werden,
um dem Pferd mit der Lärmkulisse einen „Panikschub“ zu verpassen (vgl.
www.taz.de/Wattrennen-an-der-Nordsee/!5337231;m/). Auch der Einsatz von
sogenannten Zungenbändern ist gestattet. Damit wird verhindert, dass die pani-
schen Tiere ihre Zunge verschlucken oder drauf beißen. Oftmals werden auch
viel zu junge Tiere eingesetzt, bei denen Gelenke und Sehnen noch zu fragil und
nicht gänzlich ausgebildet sind. Insbesondere bei der Vielseitigkeit (vormals
Military) aber auch bei anderen Rennen, kommt es immer wieder zu Rissen
der Hauptschlagader wobei das Pferd in der Folge innerlich verblutet (vgl.
www.taz.de/!5317379/). Ebenso steht die Rollkur (Hyperflexion/LDR-Methode)
in Verdacht den Tieren körperlichen Schaden zuzufügen. Um das Tier besser kon-
trollieren zu können, wird der Kopf der Pferde stark nach unten auf die Brust

http://www.lvz.de/
http://www.rp-online.de/
http://www.feinehilfen.com/reiten-mit-gebiss-sinnvoll-oder-tierquaelerei/comment-page-3/
http://www.feinehilfen.com/reiten-mit-gebiss-sinnvoll-oder-tierquaelerei/comment-page-3/
Drucksache 18/10767 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

festgezogen. Das Blickfeld des Pferdes ist dabei stark eingeschränkt. Für das
Pferd als Fluchttier bedeutet dies puren Stress. Darüber hinaus gilt diese Hal-
tung als äußerst unangenehm und schmerzhaft und kann zu irreparablen körper-
lichen Schäden führen (vgl. www.tierschutz.hessen.de/nutztiere/tierschutz-im-
pferdesport). Nach § 3 Nummer 5 des Tierschutzgesetzes ist es jedoch verboten,
ein Tier auszubilden oder zu trainieren, sofern damit erhebliche Schmerzen,
Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind.
Auch der nicht erlaubte Einsatz leistungssteigernder Medikamente spielt im Pfer-
desport eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Laut Tierschutzgesetz ist auch die
Anwendung von Dopingmitteln an einem Tier bei sportlichen Wettkämpfen und
ähnlichen Veranstaltungen verboten. Darüber hinaus ist es untersagt einem Tier,
an dem Eingriffe und Behandlungen vorgenommen worden sind, die einen leis-
tungsmindernden körperlichen Zustand verdecken, Leistungen abzuverlangen,
denen es wegen seines körperlichen Zustandes nicht gewachsen ist (§ 3 Tier-
schutzgesetz).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die jährliche Anzahl der

professionellen Pferdeturnierveranstaltungen in Deutschland, die einen ge-
werblichen Charakter mit Zuschauern und Preisgeld aufweisen (bitte um
Auflistung nach Pferdesportart im Zeitraum der vergangenen fünf Jahre)?

2. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, wie viele Pferde bei Pferde-
sportveranstaltungen in Deutschland in den letzten fünf Jahren gestorben
sind (bitte nach Turnierart: Galopprennen/Trabrennen/Vielseitigkeit/Spring-
reiten/Distanzreiten auflisten)?

Wenn nein, warum nicht?
3. Liegen der Bundesregierung Informationen über die Anzahl der in den letz-

ten fünf Jahren bei Pferdesportveranstaltungen in Deutschland gestorbenen
Menschen vor (bitte nach Turnierart: Galopprennen/Trabrennen/Vielseitig-
keit/Springreiten/Distanzreiten und Datum inklusive Name der Rennbahn
auflisten)?

Wenn nein, warum nicht?
4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Einsatz von

Peitschen, Zungenbändern sowie die Benutzung sogenannter „scharfer“ Ge-
bisse beim Pferdesport obwohl es laut § 1 des Tierschutzgesetzes verboten
ist, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden und Schäden
zuzufügen, wobei mehrere Hilfsmittel zur Leistungssteigerung im Pferde-
sport jedoch genau das zu verursachen scheinen?

5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im Pferde-
sport angewandten Praxis der Rollkur (Hyperflexion/LDR-Methode) gemäß
Vereinbarkeit mit dem Tierschutzgesetz sowie den Leitlinien für Pferdesport
des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)?

6. Sind Maßnahmen durch die Bundesregierung geplant, um die Rollkur zu-
künftig zu untersagen?

Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?

7. Sind seitens der Bundesregierung Maßnahmen geplant, die zu einem besse-
ren Schutz der Pferde im Rahmen von Sportveranstaltungen führen?

Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10767
8. Ist vor dem Hintergrund, dass die aktuellen Leitlinien für Tierschutz im Pfer-
desport des BMEL von 1992 stammen, eine Erneuerung der Leitlinien vor-
gesehen?

Wenn ja, was sollen diese beinhalten und für wann ist dies geplant?
Wenn nein, warum nicht?

9. Liegen der Bundesregierung Daten über die Anzahl der Fälle von Doping
und Medikamentenmissbrauch im deutschen Pferdesport der vergangenen
fünf Jahre vor (bitte nach Turnierart: Galopprennen/Trabrennen/Vielseitig-
keit/Springreiten/Distanzreiten und Datum inklusive Art des Dopings auflis-
ten)?

Wenn nein, warum nicht?
10. Wie viele Fälle des Medikamentenmissbrauchs bzw. Dopings wurden in den

letzten fünf Jahren durch Pferdesportorganisationen zur Anzeige gebracht
(bitte Häufigkeit nach Pferdesportart auflisten)?

11. Gibt es seitens der Bundesregierung Pläne, das Tierschutzgesetz um eine ver-
pflichtende Dopingkontrolle bei Pferdesportveranstaltungen zu erweitern?

Wenn ja, wann, und in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

12. Wer führt die Dopingkontrollen bei nationalen und internationalen Pferde-
sportveranstaltungen in Deutschland vorab und während des Turniers durch?

13. Gibt es eine neutrale Stelle oder Aufsichtsbehörde, die für die Einhaltung der
Dopingkontrollen im Pferdesport zuständig ist bzw. überwacht?

Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?

14. Wie begründet die Bundesregierung die Regelung, dass Doping bei Tieren
laut § 18 Absatz 1 Nummer 4 des Tierschutzgesetzes lediglich als Ordnungs-
widrigkeit geahndet wird, während Doping beim Menschen einen Straftatbe-
stand erfüllt, und gibt es Pläne, die eine dahingehende Änderung des Tier-
schutzgesetzes vorsehen?
Wenn ja, welche?

Berlin, den 21. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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