BT-Drucksache 18/10670

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 18/10378 - Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes

Vom 14. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10670

18. Wahlperiode 14.12.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD

– Drucksache 18/10378 –

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes

A. Problem

Die Lebenssituation der thalidomidgeschädigten Menschen ist durch die Auswir-
kungen ihrer Behinderung mit Folge- und Spätschäden geprägt. Die Verluste von
Fähigkeiten und Fertigkeiten der älter werdenden Betroffenen haben sich in den
letzten Jahren weiter beschleunigt. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregie-
rung im Juni 2016 ihren Ersten Bericht über die Auswirkungen des Contergan-
stiftungsgesetzes sowie über die gegebenenfalls notwendige Weiterentwicklung
dieser Vorschriften vorgelegt (Drucksache 18/8780). Dabei ging es um die Wir-
kungen der Leistungsverbesserungen, die durch das Dritte Conterganstiftungsän-
derungsgesetz im Jahr 2013 eingeführt wurden. Ein zentraler Punkt der Evalua-
tion war die Effizienz des Verfahrens zur Gewährung von Leistungen für die De-
ckung spezifischer Bedarfe, für die jährlich Bundesmittel in Höhe von höchstens
30 Mio. Euro bereitgestellt werden.

Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD stellen fest, dass in diesem Bereich die
bisherige einzelfallbezogene Prüfung zu problematischen Abgrenzungsfragen ge-
führt habe, und sehen erhebliches Verbesserungspotenzial im Verfahren. Durch
eine Pauschalierung der Leistungen für spezifische Bedarfe solle es zu einer ge-
rechteren und unkomplizierteren Verteilung der Mittel kommen. Bei Fragen der
Haftung der Mitglieder des Stiftungsvorstands und des Stiftungsrats solle dem
Umstand Rechnung getragen werden, dass die Organmitglieder ehrenamtlich tätig
seien.

B. Lösung

– Anstelle von individuell bedarfsdeckenden Leistungen für spezifische Be-
darfe ist eine Gewährung pauschaler Leistungen für spezifische Bedarfe
(Pauschalierung) ohne gesonderten Antrag vorgesehen. Die infolge der Pau-
schalierung frei werdenden Verwaltungskapazitäten sollen zur Beratung der
Betroffenen eingesetzt werden.

Drucksache 18/10670 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– Bestimmungen über die Beschlussfähigkeit des Stiftungsrates sollen dessen
Handlungsfähigkeit sicherstellen.

– Die Haftung der ehrenamtlich tätigen Organmitglieder der Stiftung soll in
Anlehnung an die Haftung der ehrenamtlich tätigen Organmitglieder in Ver-
einen geregelt werden.

– Der Zeitraum zur Vorlage eines Berichts der Bundesregierung über die Aus-
wirkungen des Gesetzes soll von zwei auf vier Jahre erweitert werden. Die
erstmalige Vorlage des Berichts soll nach zwei Jahren erfolgen, wobei dieser
insbesondere auch eine Evaluation über die Struktur der Stiftung beinhalten
soll.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Ablehnung des Gesetzentwurfs.

D. Kosten

Nach den Angaben im Gesetzentwurf entstehen dem Bund keine unmittelbaren
Mehrkosten, da ohnehin bis zu 30 Mio. Euro pro Jahr an zusätzlichen Bundesmit-
teln zur Deckung spezifischer Bedarfe der Betroffenen bereitgestellt werden. Mit-
telbar entstehen Mehrkosten für eine Erhöhung der jährlichen Zuweisungen an
die Stiftung ab 2018 und Folgejahre in Höhe von voraussichtlich 15 Mio. Euro
jährlich, da bislang nicht ausgeschöpfte Bundesmittel für Leistungen für spezifi-
sche Bedarfe zukünftig nicht mehr zur Gegenfinanzierung für die durch Dynami-
sierung zu erwartenden höheren Conterganrenten zur Verfügung stehen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10670

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/10378 mit folgenden Maßgaben, im Übri-
gen unverändert anzunehmen:

1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 3 wird wie folgt gefasst:

‚3. § 6 wird wie folgt geändert:

a) Dem Absatz 4 wird folgender Satz angefügt:

„Mitglieder des Stiftungsrates, die selbst leistungsberechtigt
im Sinne dieses Gesetzes sind, haben Anspruch auf Ersatz ih-
rer notwendigen Assistenzkosten.“

b) Absatz 7 wird wie folgt gefasst:

„(7) Der Stiftungsrat ist beschlussfähig, wenn die Hälfte
der Mitglieder anwesend ist. Ist eine Angelegenheit wegen
Beschlussunfähigkeit zurückgestellt worden und wird der
Stiftungsrat zur Verhandlung über dieselbe Angelegenheit
einberufen, so ist er ohne Rücksicht auf die Zahl der anwe-
senden Mitglieder beschlussfähig. Bei der zweiten Einberu-
fung muss die oder der Vorsitzende ausdrücklich auf diese
Bestimmung hinweisen.“ ‘

b) Nummer 4 wird wie folgt gefasst:

‚4. Dem § 7 Absatz 4 wird folgender Satz angefügt:

„Mitglieder des Stiftungsvorstandes, die selbst leistungsberechtigt
im Sinne dieses Gesetzes sind, haben Anspruch auf Ersatz ihrer
notwendigen Assistenzkosten.“ ‘

c) Nummer 5 wird aufgehoben.

d) Die bisherigen Nummern 6 bis 9 werden die Nummern 5 bis 8.

e) Die bisherige Nummer 10 wird Nummer 9 und wie folgt gefasst:

‚9. § 18 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 wird nach dem Wort „Fünften“ ein Komma und
das Wort „Neunten“ eingefügt.

b) In Absatz 2 Satz 3 wird nach der Angabe „§ 87 Absatz 1“ die
Angabe „und § 88“ eingefügt und werden nach Satz 4 die fol-
genden Sätze eingefügt:

„Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 des Neunten
Buches Sozialgesetzbuch wird ein Beitrag nach § 92 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erhoben. Das gilt
auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Perso-
nen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leis-
tungen nach § 103 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch er-
halten.“ ‘

f) Die bisherige Nummer 11 wird Nummer 10.

Drucksache 18/10670 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

g) Die bisherige Nummer 12 wird Nummer 11 und wie folgt gefasst:

‚11. § 25 wird wie folgt gefasst:

㤠25

Bericht

Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag erstma-
lig nach zwei Jahren einen Bericht über die Auswirkungen dieses
Gesetzes sowie über die gegebenenfalls notwendige Weiterent-
wicklung dieser Vorschriften, soweit möglich unter Nachweis der
Verwendung der Mittel für spezifische Bedarfe durch die Betroffe-
nen, vor. Der Bericht soll insbesondere auch eine Evaluation über
die Struktur der Stiftung beinhalten. Danach erfolgt eine Berichts-
vorlage im Abstand von vier Jahren. Der Bericht darf keine perso-
nenbezogenen Daten enthalten.“ ‘

2. Artikel 2 wird wie folgt gefasst:

„Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Satzes 2 mit Wirkung vom 1. Ja-
nuar 2017 in Kraft. § 18 Absatz 2 Satz 5 und 6 tritt am 1. Januar 2020 in
Kraft.“

Berlin, den 14. Dezember 2016

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Paul Lehrieder
Vorsitzender

Maik Beermann
Berichterstatter

Ursula Schulte
Berichterstatterin

Katrin Werner
Berichterstatterin

Corinna Rüffer
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/10670

Bericht der Abgeordneten Maik Beermann, Ursula Schulte, Katrin Werner und
Corinna Rüffer

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 18/10378 wurde in der 203. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. No-
vember 2016 dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur federführenden Beratung sowie dem
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, dem Haushaltsausschuss, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales
sowie dem Ausschuss für Gesundheit zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In der Begründung des Gesetzentwurfs wird dargelegt, dass im Jahr 2008 die Conterganrenten verdoppelt worden
seien; 2013 seien sie durch das Dritte Änderungsgesetz des Conterganstiftungsgesetzes erneut deutlich erhöht
worden und es seien die neuen Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe eingeführt worden. Dies sei gesche-
hen, um insbesondere die finanziellen Auswirkungen der Spät- und Folgeschäden für die weltweit rund 2.700
nach dem Conterganstiftungsgesetz leistungsberechtigten thalidomidgeschädigten Menschen zu mildern. Mit den
Leistungen sollten alle weiteren Schäden und Bedarfe abgegolten sein. Der Evaluationsbericht nach § 25 des
Conterganstiftungsgesetzes (Drucksache 18/8780) habe Anpassungsbedarf aufgezeigt.

Ziel der Evaluation sei zum einen die Bewertung der Leistungsverbesserungen durch das Dritte Änderungsgesetz
des Conterganstiftungsgesetzes mit einem Schwerpunkt auf der Bewertung der Leistungen zur Deckung spezifi-
scher Bedarfe gewesen. Zum anderen habe man feststellen wollen, ob das derzeitige Verfahren zur Gewährung
dieser Leistungen effizient gestaltet sei.

Die Begutachtungen durch das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg und die Rechtsanwaltskanzlei
Sojura hätten die in der Praxis entstandenen Abgrenzungsprobleme und definitorischen Schwierigkeiten bei der
Bestimmung der spezifischen Bedarfe bestätigt. Dies wirke sich auch auf die Effizienz der Verfahren der Leis-
tungsgewährung und auf eventuelle gerichtliche Verfahren aus. Auf der Grundlage der Gutachten kämen für eine
Fortentwicklung der Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe zugunsten der thalidomidgeschädigten Men-
schen entweder die Beibehaltung des bisherigen Systems der individuellen Bedarfsbeantragung mit gesetzlichen
Präzisierungen und Erweiterungen des bisherigen im Wesentlichen auf medizinische Bedarfe begrenzten Leis-
tungsbegriffs oder ein Systemwechsel hin zu einer Pauschalierung dieser Leistungen in Betracht. Nach Abwägung
dieser beiden Möglichkeiten komme man zu dem Ergebnis, dass die Beibehaltung des bisherigen Systems ver-
bunden mit einer Leistungserweiterung den Verwaltungsaufwand erhöhen würde und eine Vielzahl von Rechts-
problemen und Klageverfahren zur Folge hätte.

Deshalb ist in dem Gesetzentwurf zugunsten einer unkomplizierteren und gerechteren Verteilung der Mittel zur
Deckung spezifischer Bedarfe künftig eine Gewährung pauschaler Leistungen vorgesehen, die grundsätzlich nach
Schadenspunkten zu bemessen sind. Jede leistungsberechtigte Person soll einen jährlichen Sockelbetrag von 4.800
Euro erhalten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Betroffenen und nicht nur der Kreis der antragstellen-
den Personen – etwa ein Drittel aller Leistungsberechtigten – die erforderlichen Leistungen erhalten. Zudem soll
damit die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung der Betroffenen erheblich gestärkt werden.

Außerdem ist eine Verbesserung und Erweiterung der medizinischen Beratungs- und Behandlungsangebote für
die Betroffenen vorgesehen. Neben einer Stärkung der Beratungstätigkeit der Conterganstiftung für behinderte
Menschen sollen im Bundesgebiet entsprechend der regionalen Verteilung der Betroffenen multidisziplinäre me-
dizinische Kompetenzzentren aufgebaut werden. Eine Pauschalierung ermöglicht es angesichts frei werdender
Kapazitäten zudem, dass die in der Geschäftsstelle der Conterganstiftung für behinderte Menschen zur Verfügung

Drucksache 18/10670 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

stehenden Verwaltungskapazitäten künftig mehr als bisher für die Beratung und Unterstützung der Betroffenen
bei der Beantragung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen andere Kostenträger genutzt werden können.

Um eine effiziente Arbeit der Stiftung zu gewährleisten, ist außerdem vorgesehen, die Zuständigkeiten des Stif-
tungsrats abschließend im Gesetz aufzuführen.

Die persönliche Haftung von ehrenamtlichen Organmitgliedern soll auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Ver-
letzungen ihrer organschaftlichen Pflichten beschränkt werden, um deren Bereitschaft zur Übernahme der ehren-
amtlichen Organmitgliedschaft und deren Eigeninitiative zu stärken.

Zur Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit des Stiftungsrats als Aufsichtsorgan der Stiftung soll sichergestellt wer-
den, dass über Angelegenheiten, die mangels Beschlussfähigkeit nicht behandelt werden konnten, in der folgen-
den Sitzung entschieden werden kann, ohne dass mindestens die Mehrheit der Stiftungsratsmitglieder anwesend
ist.

Außerdem enthält der Gesetzentwurf Regelungen, um die bestehenden Befugnisse des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend als Rechtsaufsichtsbehörde klarstellend zu präzisieren.

Schließlich soll die im Gesetz vorgesehene Verpflichtung der Bundesregierung, alle zwei Jahre zu berichten,
grundsätzlich auf vier Jahre erweitert werden. Im Zuge der Gesetzesänderungen sollen einige redaktionelle An-
passungen vorgenommen werden. Insbesondere sollen Mindest- und Höchstbetrag der Conterganrente an die sich
aus der Rentendynamisierung ergebenden Beträge angepasst werden.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetz-
entwurfs auf Drucksache 18/10378 in geänderter Fassung empfohlen. Der Änderungsantrag der Koalitionsfrakti-
onen wurde mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment-
haltung der Fraktion DIE LINKE. angenommen.

Der Haushaltsausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei Stimmenthaltung der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache
18/10378 in geänderter Fassung empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei Stimm-
enthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs auf
Drucksache 18/10378 in geänderter Fassung empfohlen. Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. angenommen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD bei Stimmenthal-
tung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs auf Druck-
sache 18/10378 in geänderter Fassung empfohlen. Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
DIE LINKE. angenommen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

1. Abstimmungsergebnis

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/10670

2. Inhalt der Ausschussberatungen

Im Vorfeld der Einbringung des Gesetzentwurfs hat sich der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
mit der Evaluation des Dritten Änderungsgesetzes des Conterganstiftungsgesetzes befasst und am 19. September
2016 ein nichtöffentliches Fachgespräch zum Ersten Bericht der Bundesregierung über die gegebenenfalls not-
wendige Weiterentwicklung dieser Vorschriften auf Drucksache 18/8780 durchgeführt. In diesem Fachgespräch
wurden folgende Sachverständige gehört: Marlene Rupprecht (Vorsitzende des Stiftungsvorstands der Conter-
ganstiftung), Dr. med. Christina Ding-Greiner (Universität Heidelberg), Udo Herterich, Margit Hudelmaier, An-
dreas Meyer und Werner Wittpoth.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 18/10378 in
seiner 76. Sitzung am 28. November 2016 eine öffentliche Anhörung durchgeführt, in der folgende Sachverstän-
dige gehört wurden: Dr. med. Christina Ding-Greiner (Universität Heidelberg), Margit Hudelmaier, Georg Lö-
wenhauser, Andreas Meyer, Christian Stürmer, Dr. Oliver Tolmein (Kanzlei Menschen und Rechte, Hamburg)
und Prof. Dr. Dr. h.c. Jan Ziekow (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer).

Wegen der Ergebnisse der Anhörung wird auf das Wortprotokoll der Sitzung vom 28. November 2016 verwiesen.

Der Ausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 78. Sitzung am 14. Dezember 2016 abschließend beraten.

Hierzu lag ihm ein Stellungnahmeersuchen des Petitionsausschusses gemäß § 109 Absatz 1 Satz 2 GO-BT zu
zwei Petitionen vor. Mit der einen Petition soll eine Änderung des Conterganstiftungsgesetzes hinsichtlich der
Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe erreicht werden. Das momentane Antragsverfahren habe sich in der
Praxis nicht bewährt, da die Anträge bei Kostenträgern lange dauerten und die gesetzlichen Vorgaben oftmals
nicht eingehalten würden. Die Petentin regt deshalb an, das Conterganstiftungsgesetz dahingehend zu ändern,
dass die spezifischen Bedarfe grundsätzlich vorrangig bei der Conterganstiftung zu beantragen seien und diese
die Abrechnung mit einzelnen Kostenträgern vornehme. Der Petitionsausschuss hat mitgeteilt, dass ihm zu dieser
Thematik noch zwei weitere sachgleiche Eingaben vorlägen.

Mit der anderen Petition beanstandet die Petentin in ihrem konkreten Einzelfall, dass ihr Antrag auf Übernahme
der Kosten für die Fahrt und die erforderliche Übernachtung für den Besuch einer Contergansprechstunde eines
auf die Krankheit spezialisierten Arztes im Rahmen der spezifischen Bedarfe von der Conterganstiftung abgelehnt
worden sei.

Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben zu dem Gesetzentwurf einen Änderungsantrag eingebracht, dessen
Inhalt aus der Beschlussempfehlung ersichtlich ist. Er wurde mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. angenommen.

In der Ausschussberatung führte die Fraktion der CDU/CSU aus, dass man in dem jetzt vorgelegten Änderungs-
antrag viele Punkte aufgegriffen habe, die den Abgeordneten in der öffentlichen Anhörung von den sieben Sach-
verständigen einhellig mit auf den Weg gegeben worden seien. Das wichtigste Ziel der Conterganstiftung, des
Stiftungsrates und der Betroffenenvertreterinnen und -vertreter sei die Pauschalierung bei der Regelung der spe-
zifischen Bedarfe gewesen. Diese sei ebenso auf den Weg gebracht worden wie die Regelung der Haftungsfragen
der ehrenamtlich tätigen Organmitglieder der Stiftung in Anlehnung an die Haftung der ehrenamtlich tätigen Or-
ganmitglieder in Vereinen. Zudem habe man sich in den Beratungen klar dafür ausgesprochen, gesundheitliche
Kompetenzzentren für die Conterganbetroffenen in Deutschland zügig zu installieren. Für Fragen der Stiftungs-
struktur insgesamt und der zukünftigen Ausrichtung der Geschäftsstelle der Stiftung wolle man sich die notwen-
dige Zeit nehmen, diese zu evaluieren, um dann die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Hier müsse vermie-
den werden, voreilig Regelungen zu beschließen, die sich möglicherweise zum Nachteil der Betroffenen auswir-
ken könnten. Die CDU/CSU-Fraktion sei davon überzeugt, dass der Gesetzentwurf in geänderter Fassung breite
Zustimmung im Parlament erfahren könne.

Die Fraktion der SPD stellte fest, dass man sich in vielen Punkten mit der CDU/CSU-Fraktion einig sei. Nach
der Verabschiedung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes sei man zunächst davon
ausgegangen, dass in absehbarer Zeit kein Regelungsbedarf mehr bestehen werde. Allerdings habe der Umstand,
dass die für spezifische Bedarfe bereitgestellten Mittel von jährlich 30 Mio. Euro nicht annähernd ausgeschöpft
worden seien, zu Ärger und Unmut gerade auch bei den Betroffenen geführt, so dass sich bald Handlungsbedarf
abgezeichnet habe.

Drucksache 18/10670 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bei dem jetzt vorgesehenen Vierten Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes begrüße die SPD-Frak-
tion die Entscheidung für einen Sockelbetrag und eine Pauschalierung nach Schadenspunkten bei den spezifischen
Bedarfen, weil dies den Betroffenen ermögliche, ein noch stärker selbstbestimmtes Leben zu führen. Da man sich
entschlossen habe, Strukturveränderungen der Stiftung bei dieser Reform grundsätzlich auszuklammern, gingen
die hierzu im Plenum vorgesehenen Initiativen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ins Leere. Auch die SPD-Fraktion sehe die Notwendigkeit von Veränderungen der Stiftungsstruktur, weil es der-
zeit kein gutes Miteinander in der Stiftung gebe. Zwar erwarte man, dass es aufgrund der Neuregelung der Leis-
tungen der spezifischen Bedarfe künftig weniger Konfliktstoff geben werde, jedoch gebe es auch andere Gründe,
die zu Unfrieden in der Stiftung geführt hätten. Zunächst müsse man den Evaluationsbericht abwarten. Man wolle
keine Veränderung der Stiftungsstruktur gegen den Willen der Betroffenen, sondern man wolle Veränderungen
mit den Betroffenen erreichen. Die Änderung der Haftungsregelung für den ehrenamtlich tätigen Vorstand halte
man bereits zum jetzigen Zeitpunkt für geboten. Ebenso sei es sinnvoll, das Conterganstiftungsgesetz entspre-
chend dem Wunsch der Betroffenen an das neue Bundesteilhabegesetz anzupassen. Insgesamt sei die SPD-Frak-
tion mit dem vorgesehenen Gesetz sehr zufrieden.

Die Fraktion DIE LINKE. wies auf zwei Entschließungsanträge hin, die sie für die abschließende Beratung im
Plenum einbringen wolle. Man nehme mit Befriedigung zur Kenntnis, dass die Koalitionsfraktionen in ihrem
Änderungsantrag auf Änderungen der Stiftungsstruktur zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend verzichteten. Gleich-
wohl werde man sich bei der Abstimmung über den geänderten Gesetzentwurf der Stimme enthalten, weil wich-
tige Punkte wie z. B. die Möglichkeit der Kapitalisierung fehlten. Darüber hinaus müsse man über die Einbezie-
hung von Spät- und Folgeschäden und über eine bessere Regelung für die Hinterbliebenen nachdenken. Die Ab-
sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Stiftungsstruktur neu zu re-
geln, widerspreche dem Ergebnis der öffentlichen Anhörung. Aus der Sicht der Fraktion DIE LINKE. sei es wün-
schenswert, dass die Betroffenen im Stiftungsrat eine Mehrheit hätten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte die besondere Verantwortung des Deutschen Bundestages
im Rahmen der Aufarbeitung des Conterganskandals, insbesondere gegenüber den Contergangeschädigten. Vor
diesem Hintergrund sei es wichtig, in dieser Frage über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg möglichst zu ge-
meinsamen Positionen zu kommen. Das sei im Hinblick auf den vorliegenden Gesetzentwurf nicht gut gelungen
und müsse in Zukunft wieder besser werden.

Über die spezifischen Bedarfe der Contergangeschädigten habe man monatelang gesprochen und sich dabei sehr
schnell auf den Grundsatz verständigt, von der Einzelfallbetrachtung, die einen sehr hohen Verwaltungsaufwand
erfordert und den Vorstand unnötig belastet habe, wegzukommen. Zur Lösung habe man sich auf eine Pauscha-
lierung geeinigt, wobei man über die Möglichkeit einer Kapitalisierung und den erwarteten Verwaltungsaufwand
noch einmal nachdenken müsse. Immerhin stünden 10 Prozent der insgesamt zur Verfügung stehenden 30 Mio.
Euro als zu erwartende Verwaltungsaufwendungen im Raum. Auch über diese Fragen hätte man sich aber aus
Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durchaus verständigen können.

Dann habe allerdings die Bundesregierung einen Gesetzentwurf eingebracht, zu dem die Berichterstatter noch am
selben Tage hätten Stellung beziehen sollen. In diesem Entwurf sei nicht nur das Problem der spezifischen Bedarfe
neu geregelt, sondern auch die Struktur der Stiftung erheblichen Änderungen unterworfen worden, über die zuvor
nicht gesprochen worden sei. Darüber hinaus hätten wichtige Regelungen in Bezug auf das Bundesteilhabegesetz
gefehlt. Letzteres sei nunmehr im Änderungsantrag ergänzt worden. Die Änderung der Stiftungsstruktur dagegen
habe der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhebliche Probleme bereitet, weil die vorgesehenen Regelungen
die Position der Betroffenenvertreter im Stiftungsrat gegenüber dem Vorstand wesentlich geschwächt und die
Position des Ministeriums gestärkt hätten. Alle Sachverständigen hätten die Neuregelungen zur Stiftungsstruktur
als „Schnellschuss“ bewertet. Vor diesem Hintergrund müsse man das Thema Stiftungsstruktur noch einmal ins-
gesamt betrachten, um zu tragfähigen Lösungen zu kommen und die schon lange bestehenden Spannungen inner-
halb der Gremien der Stiftung aufzulösen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüße den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, hätte sich
allerdings gewünscht, ihn früher vorgelegt zu bekommen, um sich die Arbeit an dem für das Plenum vorgesehenen
Entschließungsantrag sparen zu können. Dieser beziehe sich nämlich auf den ursprünglichen Gesetzentwurf. Zur
Frage der Beschlussfähigkeit des Stiftungsrates finde sich jetzt eine Regelung, mit der man nicht zufrieden sei,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/10670

weil sie die Position der Betroffenenvertreter eher schwäche. Stattdessen hätte man, wie von einigen Sachverstän-
digen empfohlen, darüber nachdenken können, den Stiftungsrat durch Aufnahme zusätzlicher unabhängiger Mit-
glieder zu erweitern, um so einen Ausgleich zu finden.

Im Ergebnis werde man dem Änderungsantrag zustimmen, sich bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf aber
der Stimme enthalten.

B. Besonderer Teil

Soweit die Bestimmungen des Gesetzentwurfs unverändert übernommen wurden, wird auf deren Begründung
verwiesen.

Zu den vom Ausschuss vorgenommenen Änderungen ist Folgendes zu bemerken:

Zu Nummer 1

Buchstabe a

Im Hinblick auf § 25, wonach die Struktur der Stiftung evaluiert werden soll, sollen Änderungen der Stiftungs-
struktur zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgen.

In Absatz 4 erfolgt eine Klarstellung, dass Mitglieder des Stiftungsrats, die selbst im Sinne dieses Gesetzes leis-
tungsberechtigt sind, auch Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Assistenzkosten haben.

Der neu gefasste Absatz 7 Satz 1 stellt klar, dass die Beschlussfähigkeit des Stiftungsrats bei allen Wahlen und
Beschlüssen des Stiftungsrats gegeben sein muss. Die Sätze 2 und 3 regeln die Beschlussfähigkeit des Stiftungs-
rats abschließend. Die bisherige Befugnis nach Absatz 8 Satz 2, in der Satzung abweichende Regelungen über die
Beschlussfähigkeit des Stiftungsrats zu treffen, ist damit aufgehoben. Die Änderungen sind erforderlich, um die
Funktionsfähigkeit des Stiftungsrats zu gewährleisten.

Buchstabe b

Im Hinblick auf § 25, wonach die Struktur der Stiftung evaluiert werden soll, sollen Änderungen der Stiftungs-
struktur zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgen.

In Absatz 4 erfolgt eine Klarstellung, dass Mitglieder des Stiftungsvorstands, die selbst im Sinne dieses Gesetzes
leistungsberechtigt sind, auch Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Assistenzkosten haben.

Buchstabe c

Im Hinblick auf § 25, wonach die Struktur der Stiftung evaluiert werden soll, sollen Änderungen der Stiftungs-
struktur zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgen.

Buchstabe d

Änderung der Nummerierung als Folgeänderung zu Buchstabe c.

Buchstabe e

Die Änderung in Absatz 1 folgt aus dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen
mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz).

Die Änderung in Absatz 2 Satz 3 stellt klar, dass weder die Aufbringung des Einkommens über der Einkommens-
grenze noch die Aufbringung des Einkommens unterhalb dieser Grenze verlangt werden kann.

Die Einfügung in Absatz 2 nach Satz 4 ist nach Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) am 1. De-
zember 2016 erforderlich, um eine Schlechterstellung der nach dem Conterganstiftungsgesetz leistungsberechtig-
ten Personen gegenüber der derzeitigen Rechtslage zu vermeiden. Anstelle des bisherigen Einsatzes des Einkom-
mens über der Einkommensgrenze ist mit Inkrafttreten des BTHG künftig ein Beitrag aufzubringen, der sich nach
der finanziellen Situation der Leistungsberechtigten richtet. Da nach diesem Gesetz leistungsberechtigte Personen
kein Vermögen einsetzen müssen, sollen sie auch nicht mit dem künftigen Beitrag belastet werden.

Drucksache 18/10670 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Buchstabe f

Änderung der Nummerierung als Folgeänderung.

Buchstabe g

Der erste Bericht über die Auswirkungen dieses Gesetzes und seine gegebenenfalls notwendige Weiterentwick-
lung soll auch eine Evaluation der Struktur der Stiftung enthalten. Dieser Teil der Evaluation soll wenn möglich
noch bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode erfolgen. Daher soll die Frist von zwei Jahren für den ersten
Bericht beibehalten werden.

Zu Nummer 2

Die Regelungen in § 18 Absatz 2 Satz 5 und 6 treten mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und
Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen am 1. Januar 2020 in Kraft.

Berlin, den 14. Dezember 2016

Maik Beermann
Berichterstatter

Ursula Schulte
Berichterstatterin

Katrin Werner
Berichterstatterin

Corinna Rüffer
Berichterstatterin

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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