BT-Drucksache 18/1062

Deutsch-montenegrinische Beziehungen angesichts der rechtstaatlichen Verhältnisse in Montenegro

Vom 3. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1062
18. Wahlperiode 03.04.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko,
Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsch-montenegrinische Beziehungen angesichts der rechtsstaatlichen
Verhältnisse in Montenegro

Im Juni 2006 wurde der ehemalige Gliedstaat Jugoslawiens Montenegro un-
abhängig. Bereits im Jahr 1999 hatte die damalige jugoslawische Teilrepublik
einseitig die Deutsche Mark als offizielle Währung eingeführt und mit der Ein-
führung des Euros in Deutschland ab dem Jahr 2002 auch den Euro. Im Dezem-
ber 2009 initiierte die NATO einen so genannten Membership Action Plan,
welcher den Beitritt des Landes in das Nordatlantikbündnis für das Jahr 2014
vorbereiten soll. Im Herbst dieses Jahres soll Montenegro in die NATO aufge-
nommen werden, forderten bereits Regierungsvertreter aus Slowenien, Kroatien
und Bulgarien (www.sloveniatimes.com/slovenia-wishes-nato-membership-
invitation-for-montenegro-in-2014). Montenegrinische Soldaten sind bereits in
NATO- und EU-Missionen (EU = Europäische Union) integriert und dienen
schon seit dem Jahr 2010 im Rahmen von ISAF (International Security Assis-
tance Force) unter deutschem Kommando in Nordafghanistan. Im Sommer 2012
starteten die montenegrinischen EU-Beitrittsverhandlungen. Sowohl die monte-
negrinischen NATO- als auch die EU-Ambitionen unterstütze Deutschland in
vollem Umfang, erklärte der damalige deutsche Bundesminister des Auswärt-
igen, Dr. Guido Westerwelle (www.b92.net/eng/news/region-article.php?yyyy=
2012&mm=09&dd=26&nav _id=82367).
Bereits seit über einem Jahrzehnt werden Vorwürfe gegen den langjährigen
montenegrinischen Präsidenten (1998 bis 2002) und Premier (1991 bis 1998,
2003 bis 2006, 2008 bis 2010 sowie erneut seit dem Jahr 2012) Milo Đukanović
erhoben, er sei in größerem Umfang in den Schmuggel mit Zigaretten involviert
gewesen. Telefonprotokolle der italienischen Ermittlungsbehörden hätten bei-
spielsweise gemeinsame Gespräche von Milo Đukanović mit italienischen
Mafiabossen enthalten (www.theguardian.com/world/2003/jul/11/smoking.
internationalcrime). Die italienischen Behörden stellten jedoch die Ermittlungen
gegen Milo Đukanović im Jahr 2009 ein (www.france24.com/en/20101221-
milo-djukanovic-steps-down-montenegro-prime-minister-luksic-premier/).
Journalisten der „BBC“ und des „Organised Crime and Corruption Reporting
Project“ (OCCRP) fanden im Jahr 2012 heraus, dass die „Prva banka Crne
Gore“ (Erste Bank Montenegros) – die unter der Kontrolle der Familie
Đukanović steht – hauptsächlich Geld von der montenegrinischen Exekutive
einlagert und andererseits hauptsächlich von der Familie des Premierministers
sowie Bekannten der Familie – unter anderem gesuchten Drogenschmugglern –
für Kredite genutzt wird. Vertreter der Nichtregierungsorganisation „MANS“,
einem lokalen Partner von Transparency International, erklärten gegenüber der

Drucksache 18/1062 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
„BBC“, dass die Regierung und andere Teile der Exekutive mit der organisierten
Kriminalität verbandelt sind (www.bbc.co.uk/news/world-europe-18237811).
Im Oktober 2013 erklärten die montenegrinischen Behörden das Kombinat Alu-
minijuma Podgorica (KAP), den größten Arbeitgeber des Landes für bankrott.
Die Regierung, die bereits vorher knapp 30 Prozent des Unternehmens kontrol-
lierte, übernahm die vollständige Kontrolle des größten montenegrinischen In-
dustrieunternehmens. Die zypriotische Firma Central European Aluminum
Company (CEAC) hingegen wurde aus der Konzernleitung herausgedrängt und
strengt nun Schiedsgerichtsverfahren gegen Montenegro an. Beschwerden von
niederländischen und zypriotischen Unternehmensvertretern über die Rechts-
staatlichkeit in Montenegro werden vermehrt erhoben (www.euractiv.de/
erweiterung-und-nachbarn/artikel/groe-probleme-mit-dem-kleinen-montenegro-
008364 sowie www.reuters.com/article/2013/12/03/montenegro-ceac-
idUSL5N 0JI2W H20131203).
Auch im Pressewesen äußern Experten erhebliche Zweifel an der Rechtsstaat-
lichkeit des Balkanlandes. Ende Dezember 2012 verübten Unbekannte einen
Anschlag auf die regierungskritische montenegrinische Tageszeitung „Vijesti“
(Nachrichten). Erst im August desselben Jahres war eine Bombe vor dem Haus
eines „Vijesti“-Journalisten explodiert. Anschläge auf Autos von regierungskri-
tischen Journalisten kommen regelmäßig vor. Untersuchungen staatlicherseits
haben in den bisherigen Fällen stets nichts ergeben (diepresse.com/home/kultur/
medien/1511944/Montenegro_Kein-gutes-Pflaster-fur-regierungskritische-
Journalisten).
Gegen Demonstranten in Podgorica, die gegen die in Montenegro weit ver-
breitete Korruption, das ökonomische Missmanagement und die hohe Arbeits-
losigkeit auf die Straße gegangen waren, gingen Polizisten mit Blendgranaten
und Tränengas vor (www.aljazeera.com/news/europe/2014/02/nine-policemen-
injured-at-montenegro-protests-201421522340507147.html).
Über all diese Kritik scheinen die verschiedenen deutschen Bundesregierungen
seit dem Jahr 2005 erhaben zu sein. Bereits im Jahr 2007 entsandte die damalige
Bundesregierung einen militärischen Berater für zwei Jahre nach Montenegro
(Bundestagsdrucksache 16/6701). Als im Juni 2012 die montenegrinischen EU-
Beitrittsverhandlungen starteten, begrüßte der damalige Staatsminister im Aus-
wärtigen Amt, Michael Link, diesen Schritt des Rates für Allgemeine An-
gelegenheiten der Europäischen Union (Pressemitteilung des Auswärtigen
Amts vom 26. Juni 2012). Anlässlich eines Montenegro-Besuches des damali-
gen Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Dirk Niebel, im August 2013 bezeichnete dieser Deutschland als engagier-
ten Partner im EU-Beitrittsprozess von Montenegro. Montenegro sei ein ver-
lässlicher und engagierter Partner Deutschlands (www.podgorica.diplo.de
„Neue Ufer. Bundesminister Dirk Niebel für eine Weiterentwicklung der
deutsch-montenegrinischen Zusammenarbeit“).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie schätzt die Bundesregierung die rechtsstaatliche Situation in Monte-

negro ein?
2. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung von den Schmuggelvorwürfen ge-

gen den derzeitigen montenegrinischen Premier?
3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Verbindungen

des montenegrinischen Premiers zur organisierten Kriminalität?
4. Welche Ermittlungsverfahren laufen nach Kenntnis der Bundesregierung

derzeit in Deutschland gegen den montenegrinischen Premier wegen des Ver-
dachts auf Tabakschmuggel?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1062
Welche weiteren Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Ver-
bindungen der Familie Đukanović mit der organisierten Kriminalität?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die genaueren Um-
stände der Insolvenz des Kombinats KAP?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Anschläge auf op-
positionelle Medien in Montenegro?

7. Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zur einseitigen Nutzung des
Euros als Fremdwährung in Montenegro ein?

8. Wann und in welchem Umfang haben Mitarbeiter der Deutschen Gesell-
schaft für Technische Zusammenarbeit GmbH (GTZ) /der Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) die montenegrinische Zen-
tralbank beraten?

9. Wann und wo haben Ausbilder der Bundespolizei, des Bundeskriminal-
amtes (BKA) sowie nach Kenntnis der Bundesregierung der Polizeien der
Länder Angehörige der montenegrinischen Strafverfolgungsbehörden aus-
gebildet?

10. Wie viele Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr hielten sich im Rah-
men ihres Dienstes seit dem Jahr 1998 ohne ein Mandat des Deutschen
Bundestages in Montenegro auf?

11. Wie viele Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr waren und sind derzeit
als Militärattachés oder in vergleichbaren Positionen in der deutschen Aus-
landsvertretung eingesetzt?

12. Hielten sich seit dem Jahr 2006 militärische Berater der Bundeswehr im
Rahmen ihres Dienstes in Montenegro auf?
Wenn ja, von wann bis wann, mit welchen Aufgabenbereich und bei wel-
chen Dienststellen (bitte entsprechend der Jahre auflisten)?

13. Halten sich dauerhaft Berater der Bundeswehr in Montenegro auf?
14. In welchem Umfang stellte die Bundeswehr in den Jahren 2006 bis 2013 der

montenegrinischen Armee Rüstungsgüter zur Verfügung?
15. Hielten sich seit dem Jahr 2006 Berater der Bundespolizei, des BKA oder

nach Kenntnis der Bundesregierung der Polizeien der Länder im Rahmen
ihres Dienstes in Montenegro auf?
Wenn ja, von wann bis wann, mit welchen Aufgabenbereich und bei wel-
chen Dienststellen (bitte entsprechend der Jahre auflisten)?

16. Ist der Bundesregierung bekannt, ob bei den Protesten Mitte Februar 2014
in Podgorica CS-Gas oder CR-Gas eingesetzt wurde?

Berlin, den 3. April 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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