BT-Drucksache 18/1059

Gezielte Tötung deutscher Staatsbürger oder aus Deutschland ausgereister Ausländer durch US-Drohnen sowie die mögliche Verwicklung deutscher Behörden in "gezielte Tötungen"

Vom 3. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1059
18. Wahlperiode 03.04.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Sevim Dağdelen, Christine Buchholz,
Annette Groth, Andrej Hunko, Inge Höger, Katrin Kunert, Niema Movassat,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Gezielte Tötung deutscher Staatsbürger oder aus Deutschland ausgereister
Ausländer durch US-Drohnen sowie die mögliche Verwicklung deutscher
Behörden in „gezielte Tötungen“

In den vergangenen Jahren sind mehrere deutsche Staatsbürger und aus Deutsch-
land ausgereiste Ausländerinnen und Ausländer in Pakistan durch gezielte
Tötungen ums Leben gekommen. Die – nach bisherigem Wissensstand – ersten
Toten waren der deutsche Staatsangehörige B. E. und der in Hamburg aufge-
wachsene S. D. Sie wurden am 4. Oktober 2010 durch einen US-Drohnenangriff
im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet von einem bewaffneten Flugroboter
getötet. Der Konvertit P. N. aus Offenbach starb laut Medienberichten (www.
sueddeutsche.de/politik/waziristan-deutscher-konvertit-bei-drohnenangriff-
getoetet-1.1860781) am 16. Februar 2012 bei einem Drohnenangriff nahe der
Stadt Mir Ali. Am 10. Oktober 2012 soll der Deutsch-Marokkaner A. B. aus
Nordrhein-Westfalen getötet worden sein, S. H. aus Aachen am 9. Dezember
2012. In mindestens eine „gezielte Tötung“ durch US-Drohnen waren laut
Medienberichten auch deutsche Behörden involviert (etwa www.de.reuters.
com/article/topNews/idDEBEE97A00F20130811).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele deutsche Staatsbürger und/oder aus Deutschland ausgereiste Aus-

länderinnen und Ausländer wurden nach Erkenntnissen der Bundesregierung
und den deutschen Sicherheitsbehörden seit dem Jahr 2001 in Pakistan, Af-
ghanistan oder anderen Ländern bei Drohnenangriffen getötet?
a) Wann, wo und unter welchen Umständen starben die Personen?
b) Welche US-Stelle hat nach Kenntnis der Bundesregierung die jeweiligen

Angriffe befohlen?
Welche militärischen und geheimdienstlichen Stellen waren nach Er-
kenntnis der Bundesregierung an der Vorbereitung der Angriffe beteiligt?

c) Welche der getöteten Personen waren nach derzeitigen Erkenntnissen Ziel
der Drohnenangriffe?

d) Sind nach Erkenntnissen der Bundesregierung am 16. Februar 2012 bei
dem Drohnenangriff nahe Mir Ali neben P. N. noch weitere deutsche
Staatsbürger oder aus Deutschland ausgereiste Ausländerinnen oder Aus-
länder getötet worden?

Drucksache 18/1059 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
e) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung mittlerweile über den be-
reits im Jahr 2011 in einzelnen Medien (www.taz.de/!71498/) gemeldeten
Drohnentod des Deutsch-Palästinensers „Abu Omar“ erlangt?

2. Welche (neueren) Mitteilungen kann die Bundesregierung zu Adressaten,
Häufigkeit, Zeitpunkt und genauem Inhalt der Daten, die deutsche Behörden
möglicherweise nach deren Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland
über B. E., S. D., P. N, A. B., S. H. und mögliche weitere bei US-Drohnen-
angriffen getötete deutsche Staatsbürger und/oder aus Deutschland ausge-
reiste Ausländerinnen und Ausländer an US-Behörden weitergegeben haben,
machen?
a) Welche Daten wurden jeweils an US-Behörden übergeben (bei mehreren

Übermittlungen von Informationen bitte eine genaue Auflistung über die
jeweiligen Lieferungen, insbesondere Reisetätigkeiten der Betroffenen
und ihrer Familien, Geldtransfers, Kontaktpersonen, vermutete Tätigkei-
ten, weitere geheimdienstliche Erkenntnisse etc.)?

b) Welche deutschen Behörden haben die Informationen jeweils zur Ver-
fügung gestellt?

c) Welche US-Dienste haben die Informationen erhalten?
d) Welche ausländischen Dienste haben die Informationen, soweit der Bun-

desregierung bekannt, ebenfalls erhalten?
3. Wie viele GSM-Mobilfunknummern haben deutsche Behörden seit dem

24. November 2010 an ausländische Behörden weitergegeben?
a) Welche deutschen Behörden haben die Informationen jeweils zur Ver-

fügung gestellt?
b) Welche ausländischen Dienste haben die Informationen erhalten?
c) Wie viele der Nummern haben US-Dienste erhalten?

4. Wie viele Satellitentelefonnummern haben deutsche Behörden seit dem Jahr
2010 an ausländische Behörden weitergegeben (bitte nach Jahren aufschlüs-
seln)?
a) Welche deutschen Behörden haben die Informationen jeweils zur Ver-

fügung gestellt?
b) Welche ausländischen Dienste haben die Informationen erhalten?
c) Wie viele der Nummern haben US-Dienste erhalten?

5. Wie viele deutsche Staatsbürger oder bis dahin in Deutschland wohnhafte
Ausländer und Ausländerinnen, die von den deutschen Behörden als „Ge-
fährder“ eingestuft werden, sind zwischen den Jahren 2010 und 2014 (bitte
nach einzelnen Jahren und Ländern aufschlüsseln) nach Kenntnis der Bun-
desregierung nach Somalia, Afghanistan, Pakistan, Syrien und/oder Jemen
ausgereist?
a) Über wie viele Ausreisen deutscher Staatsbürger oder bis dahin in

Deutschland wohnhafter Ausländerinnen und Ausländer mit vermutetem
Reiseziel Afghanistan und/oder Pakistan haben deutsche Behörden
zwischen den Jahren 2010 und 2014 (bitte nach einzelnen Jahren auf-
schlüsseln) US-Behörden informiert?

b) Welche deutschen Behörden haben die Informationen jeweils zur Ver-
fügung gestellt?

c) Welche ausländischen Dienste haben die Informationen erhalten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1059
6. Vor dem Hintergrund, dass die „Süddeutsche Zeitung“ und „der Norddeut-
sche Rundfunk“ im Jahr 2013 (www.sueddeutsche.de/politik/spionage-in-
deutschland-verfassungsschutz-beliefert-nsa-1.1770672) über die Zusam-
menarbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) mit dem US-Ge-
heimdienst National Security Agency (NSA) berichtet haben und die Rede
von 864 Datensätzen war, die allein im Jahr 2012 vom BfV an die NSA über-
mittelt wurden, wie viele Datensätze wurden seit dem Jahr 2010 vom BfV an
die NSA und/oder andere US-Dienste übermittelt (bitte nach Jahren und
Dienst aufschlüsseln)?
a) Wie viele der 864 Datensätze aus dem Jahr 2012 enthielten Informationen

über deutsche Staatsbürger und/oder in Deutschland lebende Ausländer
und Ausländerinnen?

b) Wie viele der in den Jahren 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 übermittel-
ten Datensätze enthielten Informationen über deutsche Staatsbürger und/
oder in Deutschland lebende Ausländer und Ausländerinnen?

c) Wie viele der in den Jahren 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 übermittel-
ten Datensätze enthielten Informationen über die Ausreise und/oder den
Aufenthaltsort deutscher Staatsbürger und/oder in Deutschland lebende
Ausländer und Ausländerinnen?

7. Vor dem Hintergrund, dass die „Süddeutsche Zeitung“ und der „Norddeut-
sche Rundfunk“ Ende des Jahres 2013 in der Serie „Geheimer Krieg“ aus-
führlich über Deutschlands Rolle im US-Drohnenkrieg berichtet haben,
a) ist die Bundesregierung diesen Hinweisen nachgegangen, und wenn ja, in

welcher Form und mit welchem Ergebnis;
b) haben die zuständigen Gremien um Zugang zu den laut Medienberichten

in Drohnenangriffe verwickelten Einrichtungen – etwa das AOC in Ram-
stein – gebeten, und wenn ja, wurde dieser gewährt, und wenn ja, wann
und welchen Personen;

c) welche Aufgabe erfüllt nach Erkenntnissen der Bundesregierung das so-
genannte Distributed Ground System in Ramstein;

d) welche Aufgaben erfüllt nach Erkenntnissen der Bundesregierung die
NSA-Einheit „Geolocation Cell“;

e) welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine Technik der US-
Dienste, die es ermöglicht, auch ausgeschaltete Handys aufzuspüren;

f) welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über amerikanische Flug-
körper, die sich als Funkzellen ausgeben können (https://firstlook.org/
theintercept/article/2014/02/10/the-nsas-secret-role/), und wie genau ist
die Ortung von Handys mit dieser Technik möglich?

Berlin, den 2. April 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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