BT-Drucksache 18/10526

gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/9522, 18/9954, 18/10102 Nr. 16, 18/10523 - Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG)

Vom 30. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10526

18. Wahlperiode 30.11.2016

Bericht

des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)
gemäß § 96 der Geschäftsordnung

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
─ Drucksachen 18/9522, 18/9954, 18/10102 Nr. 16, 18/10523 ─

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung

von Menschen mit Behinderungen
(Bundesteilhabegesetz – BTHG)

Bericht der Abgeordneten Ekin Deligöz, Eckhardt Rehberg, Ewald
Schurer und Dr. Gesine Lötzsch

Mit dem Gesetzentwurf ist beabsichtigt, die Empfehlungen aus den „Abschließen-
den Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands“ aufzugreifen und
die Behindertenpolitik in Deutschland im Einklang mit der UN-BRK weiterzuent-
wickeln. Gleichzeitig werden Vorgaben des Koalitionsvertrages für die 18. Legisla-
turperiode auch im Lichte der Diskussionen in der Arbeitsgruppe Bundesteilhabege-
setz umgesetzt, die u. a. vorsehen, die Lebenssituation von Menschen mit Behinde-
rungen im Sinne von mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung zu verbessern und
die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln.

Die Stellungnahmen von Verbänden und Ländern haben die Koalitionsfraktionen
veranlasst, zu wesentlichen Punkten des Gesetzentwurfs noch Änderungsanträge zu
stellen, über die der Bundestag in seiner 2./3. Lesung abschließend befinden wird:

 Leistungszugang in die Eingliederungshilfe
 Schnittstelle Eingliederungshilfe/Pflege
 Regelung zum Thema „Poolen“
 Stärkung des Wunsch- und Wahlrechts
 Sicherstellung eines auskömmlichen Geldbetrags bei den Leistungen zum Le-

bensunterhalt
 Altersgrenzen in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen
 Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen
 Die gesetzlich vorgesehene Umsetzungsunterstützung wird um eine Modellphase

vor dem Inkrafttreten der Reform in der Eingliederungshilfe und eine begleitende
Finanzuntersuchung zu den Ausgaben in der Eingliederungshilfe erweitert wer-
den.

Für den letzten Punkt (Modellphase und begleitende wissenschaftliche Untersuchun-
gen) sind zusätzliche Mittel im Umfang von insgesamt 20 Mio. Euro (davon 2017:
2,5 Mio. Euro, 2018 bis 2020: je 5 Mio. Euro und 2021: 2,5 Mio. Euro) erforderlich.

Drucksache 18/10526 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Davon wurden die 2,5 Mio. Euro für das Jahr 2017 bereits in den Bundeshaushalt
eingestellt.

Darüber hinaus hat sich der Koalitionsausschuss am 24. November 2016 auf zusätz-
liche Maßnahmen im Umfang von weiteren 124 Mio. Euro für 2017 verständigt
(2018: 126,0; 2019: 127,0; 2020: 129,0 Mio. Euro). Die Mehrkosten sollen der Bund
und die Länder jeweils zur Hälfte tragen. Der Anteil des Bundes für 2017 i. H. v.
62,0 Mio. Euro wurde im Bundeshaushalt 2017 nicht etatisiert.

Mit den Leistungsverbesserungen wird der wichtigen Forderung der Behinderten-
verbände Rechnung getragen, mit dem BTHG auch solche Menschen finanziell bes-
serzustellen, die aufgrund schwerer Mehrfachbehinderungen nicht auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Aus diesen Mitteln soll deshalb Folgendes
finanziert werden:

 Erhöhung des Arbeitsförderungsgeldes für Werkstattbeschäftigte:

Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen erhalten zusätzlich zum
Werkstattentgelt das „Arbeitsförderungsgeld“. Mit dem BTHG sollen Werkstatt-
beschäftigte finanziell bessergestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, soll
das Arbeitsförderungsgeld von derzeit monatlich 26 Euro auf 52 Euro erhöht
werden. Die Mehrausgaben betragen insgesamt rund 84 Mio. Euro im Jahr.

 Erhöhung des Vermögensschonbetrages in der Sozialhilfe:

Mit dem BTHG sollen auch Menschen finanziell bessergestellt werden, die kei-
ner Erwerbstätigkeit nachgehen können und Leistungen der Sozialhilfe erhalten.
Hierzu wird das geschonte Barvermögen von derzeit 2.600 Euro auf 5.000 Euro
angehoben. Die Mehrausgaben betragen insgesamt ca. 40 Mio. Euro pro Jahr.
Dies erfolgt jedoch nicht mit dem BTHG, sondern durch Änderung der Verord-
nung zur Durchführung des § 90 Absatz 2 Nummer 9 des SGB XII.

Die finanziellen Auswirkungen des Gesetzentwurfs unter Berücksichtigung der vom
federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales beschlossenen Änderungen auf
die öffentlichen Haushalte stellen sich wie folgt dar:

Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Die Haushaltsausgaben für den Bund sowie die Länder und Gemeinden sind in der
nachfolgenden Tabelle dargestellt:

Finanzielle Auswirkungen Bundesteilhabegesetz in Millionen Euro
(+ Belastung, - Entlastung)

2017 2018 2019 2020

Bund

Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung ¹ + 8,0 + 58 + 58 + 58

Teilhabeverfahrensbericht BAR ¹ + 1,3 + 1,0 + 1,0 + 1,0

Untersuchung und Umsetzungsunterstützung

des Bundesteilhabegesetzes
+ 2,2 + 3,0 + 3,0 + 3,0

Präventive Modellvorhaben SGB II + 10,0 + 100,0 + 100,0 + 100,0

Präventive Modellvorhaben SGB VI + 10,0 + 100,0 + 100,0 + 100,0

Zusätzliche Ausgaben der Grundsicherung im

Alter und bei Erwerbsminderung (GruSi) ²

(umfasst auch die Erhöhung des Freibetrages

für Werkstattbeschäftigte)

+ 50,0 + 51,0 + 51,0 + 431,0

Erhöhung Vermögensschonbetrag im

4. Kapitel SGB XII (GruSi)
+ 30,0 + 30,0 + 33,0 + 33,0

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10526

2017 2018 2019 2020

Erstattung Anteil am Barbetrag im 3. Kapitel

SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt)
+ 108,0 + 112,0 + 114,5 + 33,5

davon für:

Mehrbedarfe Mittagessen in Werkstätten (+ 76,0) (+ 79,0) (+ 82,0) (0)

Erhöhung des Arbeitsförderungsgeldes (+ 32,0) (+ 33,0) (+ 32,5) (+ 33,5)

Gesamt Bund + 219,5 + 455,0 + 460,5 + 759,5

Länder/Gemeinden ³

Verbesserungen bei der Anrechnung von

Einkommen und Vermögen in der

Eingliederungshilfe 2, 4
+ 91,0 + 95,0 + 99,0 + 355,0

Einführung Budget für Arbeit und andere

Leistungsanbieter in der Eingliederungshilfe
0 + 33,0 + 67,0 + 100,0

Verbesserungen bei den Leistungen zur

Teilhabe an Bildung in der Eingliederungshilfe
0 0 0 + 3,0

Trennung der Fachleistungen der

Eingliederungshilfe von den Leistungen zum

Lebensunterhalt ²

0 0 0 - 378,0

Einführung trägerübergreifendes

Teilhabeplanverfahren ¹
+ 10,0 + 50,0 + 50,0 + 50,0

Effizienzrendite in der Eingliederungshilfe

durch bessere Steuerung
0 0 0 - 100,0

Einführung von Frauenbeauftragten in WfbM

und Erhöhung der Zahl der Mitglieder der

Werkstatträte in WfbM mit mehr als 700

Beschäftigten ¹

+ 5,0 + 20,0 + 20,0 + 20,0

Erhöhung Vermögensschonbetrag im 3. Kapi-

tel SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt)
+ 10,0 + 10,0 + 11,0 + 11,0

Erhöhung Arbeitsförderungsgeld + 84,0 + 86,0 + 87,0 + 89,0

Erstattung des Bundes im 3. Kapitel SGB XII

(Anteil am Barbetrag)
- 108,0 - 112,0 - 114,5 - 33,5

davon für:

Mehrbedarfe Mittagessen in Werkstätten (- 76,0) (- 79,0) (- 82,0) (0)

Erhöhung des Arbeitsförderungsgeldes (- 32,0) (- 33,0) (- 32,5) (- 33,5)

Gesamt Länder/Gemeinden + 92,0 + 182,0 + 219,5 + 116,5

¹ Hier nachrichtlich, da grundsätzlich dem Erfüllungsaufwand zuzuordnen.

² Es wird von einer jährlichen Ausgabensteigerung um 4,17 Prozent ausgegangen. Dies ent-

spricht dem durchschnittlichen Wachstum der Ausgaben für die Eingliederungshilfe in den

Jahren 2010 bis 2014.

³ Auf eine nach Ländern und Kommunen getrennte Darstellung wurde verzichtet, da in der Ein-

gliederungshilfe sowohl die Kostentragung als auch die Zuständigkeiten in den jeweiligen

Bundesländern durch Landesrecht unterschiedlich geregelt sind.
4 Da es zu der Einkommens- und Vermögensverteilung der betroffenen behinderten Menschen

wenig belastbare Daten gibt und die möglichen Verhaltensreaktionen der Betroffenen nur

schwer eingeschätzt werden können, wird bei den Schätzungen zur Einkommens- und Ver-

mögensanrechnung ein Risikoaufschlag von 20 Prozent vorgenommen.

Drucksache 18/10526 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Erfüllungsaufwand

Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger werden jährlich um rund 349.000 Stunden
vom Erfüllungsaufwand entlastet.

Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft entstehen jährliche Belastungen in Höhe von insgesamt
67,740 Mio. Euro. Bürokratiekosten aus Informationspflichten entstehen nicht. Mit
diesem Gesetz wird ein internationaler Vertrag, die UN-Behindertenrechtskonven-
tion, umgesetzt. Damit ist das Gesetz von der „One in, one out“-Regel ausgenom-
men.

Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Die Verwaltung wird jährlich mit 118,722 Mio. Euro (netto) (davon
43,012 Mio. Euro für Länder/Gemeinden) Erfüllungsaufwand belastet. Etwaiger
Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln im Bundeshaushalt soll finanziell und stel-
lenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden. Es entsteht ein einmaliger
Umstellungsaufwand in Höhe von 24,300 Mio. Euro (davon 15,000 Mio. Euro für
Länder/Gemeinden).

Weitere Kosten

Keine.

Der Haushaltsausschuss hält den Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für mit der Haus-
haltslage des Bundes vereinbar.

Die Finanzplanung des Bundes für die Folgejahre ist entsprechend fortzuschreiben.

Dieser Bericht beruht auf der vom federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales
vorgelegten Beschlussempfehlung.

Berlin, den 30. November 2016

Der Haushaltsausschuss

Dr. Gesine Lötzsch Ekin Deligöz Eckhardt Rehberg
Vorsitzende und Berichterstatterin Berichterstatter
Berichterstatterin

Ewald Schurer
Berichterstatter

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.