BT-Drucksache 18/10450

Einsatz von Uranmunition durch die US-Armee im Syrien-Krieg

Vom 24. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10450
18. Wahlperiode 24.11.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Annette Groth, Andrej Hunko, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Einsatz von Uranmunition durch die US-Armee im Syrien-Krieg

Die Mehrheit des Deutschen Bundestages hat am 10. November 2016 die Betei-
ligung der Bundeswehr am Krieg in Syrien um ein weiteres Jahr verlängert (Bun-
destagsdrucksache 18/9960).
Die US-Regierung hat im Oktober 2016 bestätigt, dass die US-Armee im Novem-
ber 2015 bei mindestens zwei Luftschlägen in Syrien Munition mit abgereicher-
tem Uran verwendet hat. Dies ist lediglich der neuste bekannte Fall in einer lan-
gen Kette von Militäreinsätzen mit Uranmunition, u. a. durch die USA, Großbri-
tannien, Russland, China, die Türkei, Israel, Pakistan, Saudi Arabien, die Verei-
nigten Arabischen Emirate, Ägypten und Kuweit (vgl. Bundestagsdrucksa-
che 18/3407).
Der Einsatz von Uranmunition (DU-Munition, Depleted Uranium = Abgereicher-
tes Uran) kann gravierende langfristige Folgen für die Menschen und die Umwelt
haben. Darauf haben bereits sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im
Jahr 2003 als auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 2001
und 2010 hingewiesen.
Nach dem Einschlag von Uranmunition werden aufgrund der dabei entstehenden
hohen Temperaturen Uran- und Uranoxid-Partikel freigesetzt, die sich weiträu-
mig in der Umgebung verbreiten. Die Partikel werden auf verschiedenen We-
gen – Atmung, Nahrungsaufnahme oder Hautkontakt – vom menschlichen Orga-
nismus aufgenommen und können in der Folge erhebliche Gesundheitsschäden,
die durch Weitervererbung auch noch künftige Generationen betreffen, verursa-
chen. Nach vielen Konflikten, in denen Uranmunition eingesetzt worden ist, wie
z. B. im Golf-Krieg 1991, im ehemaligen Jugoslawien 1995 und 1999, in Afgha-
nistan seit 2001 oder im Irak-Krieg 2003, wurden medizinische Auffälligkeiten
festgestellt, die sich in einen direkten Zusammenhang zur Verwendung von Uran-
munition bringen lassen (wie z. B. ein Anstieg der Krebsraten und der Miss- und
Totgeburten oder Trinkwasserverseuchung). In einigen Fällen wurde diese Kau-
salität auch gerichtlich festgestellt: Ein schottisches Gericht hat mit der Zuerken-
nung einer Kriegsrente für den Golfkriegsveteranen Kenny Duncan im Jahr 2004
die Korrelation zwischen der Verwendung von Uranmunition und besonderen Er-
krankungen anerkannt.
Erst im Mai 2016 hat ein Berufungsgericht in Rom einem italienischen Soldaten,
der zwischen 1998 und 1999 im Rahmen einer Militärmission in Bosnien-Herze-
gowina mit abgereichertem Uran in Kontakt gekommen war, 1,8 Mio. Euro Ent-
schädigung zugesprochen (www.stol.it/Artikel/Politik-im-Ueberblick/Politik/

http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw42-de-isis/475506
http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw42-de-isis/475506
http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw42-de-isis/475506
http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw42-de-isis/475506
http://www.stol.it/Artikel/Politik-im-Ueberblick/Politik/Tod-wegen-Uran-Munition-Italien-verurteilt
Drucksache 18/10450 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Tod-wegen-Uran-Munition-Italien-verurteilt). Das Gericht stellt einen unmiss-
verständlichen Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung des Soldaten und
dessen Kontakt zur Uranmunition her (www.ilsole24ore.com/pdf2010/Editrice/
ILSOLE24ORE/ILSOLE24ORE/Online/_Oggetti_Embedded/Documenti/2016/
05/20/Vacca.pdf).
Neben den bereits bestehenden, verheerenden Problemen, die aus dem syrischen
Krieg resultieren, kommt nun voraussichtlich noch die Verseuchung durch US-
Uranmunition hinzu.
Die internationale Staatengemeinschaft erkennt zunehmend die verhängnisvollen
Auswirkungen von Uranmunition an sowie die damit verbundenen möglichen
Verletzungen des humanitären Völkerrechts, z. B. die Frage der Verhältnismä-
ßigkeit, da aufgrund der Nach- und Nebenwirkungen der Einsatz nicht unbedingt
als „durch militärische Erfordernisse gerechtfertigt“ betrachtet werden kann (Ar-
tikel 50 der Haager Landkriegsordnung). In jedem Falle ist der auch von UNEP
2001 und 2010 anerkannte Vorsorgeansatz („precautionary approach“) zu beach-
ten, wonach eine Waffe erst dann zum Einsatz kommen darf, wenn zweifelsfrei
belegt ist, dass sie keine Langzeitfolgen für die Umwelt und für die Gesundheit
der Zivilbevölkerung hat.
Leider weigert sich die Bundesregierung bislang, sich der Forderung vieler Staa-
ten nach einer internationalen Ächtung von Uranmunition zu beteiligen. Am
1. November 2016 hat sich die Bundesregierung erneut enthalten, als der Erste
Ausschuss zu Abrüstungs- und Fragen der internationalen Sicherheit der UN-Ge-
neralversammlung mehrheitlich eine Resolution beschlossen hat, die den Weg zur
Ächtung von DU ebnen könnte (www.bandepleteduranium.org/en/unga-first-l63-
depleted-uranium-results).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Einsatz von mindes-

tens 5 100 Einheiten von Munition mit abgereichertem Uran durch die US-
Armee im November 2015 in Syrien (www.uranmunition.org/die-usa-
bestaetigen-dass-sie-abgereichertes-uran-in-syrien-verschossen-haben/)?

2. Zu welchem Zeitpunkt und auf welchem Wege hat die Bundesregierung über
den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran durch die US-Armee im
November 2015 in Syrien Kenntnis erhalten?

3. Welche weiteren Einsätze von Munition mit abgereichertem Uran durch die
US-Armee seit 1. Januar 2014 sind der Bundesregierung bekannt (weltweit)?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Einsatz von Munition
mit abgereichertem Uran im Syrien-Krieg sowie im Irak seit 1. Januar 2014,
unabhängig davon, welche Armee oder Miliz sie einsetzt?

5. Welche Rolle hat der Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran durch
die US-Armee im November 2015 in Syrien bei den Gesprächen zwischen
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama im
November 2016 in Berlin gespielt?

6. Inwieweit hat die Bundesregierung in bilateralen Gesprächen, auf NATO-
und UN-Ebene, sowie im Kreise der Teilnehmer-Staaten der „Operation In-
herent Resolve“ den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran durch
die US-Armee im November 2015 in Syrien thematisiert?

http://www.stol.it/Artikel/Politik-im-Ueberblick/Politik/Tod-wegen-Uran-Munition-Italien-verurteilt
http://www.ilsole24ore.com/pdf2010/Editrice/ILSOLE24ORE/ILSOLE24ORE/Online/_Oggetti_Embedded/Documenti/2016/05/20/Vacca.pdf
http://www.ilsole24ore.com/pdf2010/Editrice/ILSOLE24ORE/ILSOLE24ORE/Online/_Oggetti_Embedded/Documenti/2016/05/20/Vacca.pdf
http://www.ilsole24ore.com/pdf2010/Editrice/ILSOLE24ORE/ILSOLE24ORE/Online/_Oggetti_Embedded/Documenti/2016/05/20/Vacca.pdf
http://www.bandepleteduranium.org/en/unga-first-l63-depleted-uranium-results
http://www.bandepleteduranium.org/en/unga-first-l63-depleted-uranium-results
http://www.uranmunition.org/die-usa-bestaetigen-dass-sie-abgereichertes-uran-in-syrien-verschossen-haben/
http://www.uranmunition.org/die-usa-bestaetigen-dass-sie-abgereichertes-uran-in-syrien-verschossen-haben/
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10450
7. Welche Entschädigungsleistungen an die syrische Zivilbevölkerung plant die
US-Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund der zu erwar-
tenden Probleme in den Bereichen Umwelt und Gesundheit (https://nwoob
server.wordpress.com/2009/11/15/huge-rise-in-birth-defects-in-falluja/), und
inwieweit wird sich US-Bündnispartner Deutschland an dieser Entschädi-
gung bzw. an Hilfsmaßnahmen beteiligen?

8. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Soldatinnen und Soldaten der
Bundeswehr im Rahmen ihres Einsatzes in der Türkei und in Syrien („Ope-
ration Inherent Resolve“) mit abgereichertem Uran in Kontakt kommen, be-
reits in Kontakt gekommen sind bzw. noch Kontakt haben werden?

9. Welche Maßnahmen ergreift die Bundeswehr zum Schutz der Bundeswehr-
angehörigen vor abgereichertem Uran im Rahmen von „Operation Inherent
Resolve“?

10. Wie bewertet die Bundesregierung ihr Abstimmungsverhalten im Ersten
Ausschuss zu Abrüstungs- und Fragen der internationalen Sicherheit der
UN-Generalversammlung am 1. November 2016 angesichts des neuerlichen
Bekanntwerdens eines Einsatzes von Uranmunition (www.irinnews.org/
analysis/2016/10/06/exclusive-iraq-war-records-reignite-debate-over-us-use-
depleted-uranium)?

11. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem neuerlichen Be-
kanntwerden eines Einsatzes von Uranmunition für ihre künftige Positionie-
rung zur Ächtung von Munition mit abgereichertem Uran?

Berlin, den 23. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

https://nwoobserver.wordpress.com/2009/11/15/huge-rise-in-birth-defects-in-falluja/
https://nwoobserver.wordpress.com/2009/11/15/huge-rise-in-birth-defects-in-falluja/
http://www.irinnews.org/analysis/2016/10/06/exclusive-iraq-war-records-reignite-debate-over-us-use-depleted-uranium
http://www.irinnews.org/analysis/2016/10/06/exclusive-iraq-war-records-reignite-debate-over-us-use-depleted-uranium
http://www.irinnews.org/analysis/2016/10/06/exclusive-iraq-war-records-reignite-debate-over-us-use-depleted-uranium
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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