BT-Drucksache 18/1035

zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Andre Hahn, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/556 - Straffreiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbstanzeige abschaffen

Vom 3. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1035
18. Wahlperiode 03.04.2014

Beschlussempfehlung und Bericht
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. André Hahn,
Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/556 –

Straffreiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbstanzeige abschaffen

A. Problem
Bei Steuerhinterziehung selbst in Millionenhöhe kann der Täter einen gesetzlich
zugesicherten Anspruch auf Straffreiheit geltend machen, falls eine korrekt aus-
geführte Selbstanzeige rechtzeitig abgegeben wurde. Damit haben Täter bei Steu-
erstraftaten eine Sonderstellung inne, die zumeist Einkommensstarken bzw.
Vermögenden zugute kommt.

B. Lösung
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. fordert einen Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung, der die Möglichkeit zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige bei
Steuerhinterziehung gemäß § 371 der Abgabenordnung und das Absehen von der
Strafverfolgung in besonders schweren Fällen von Steuerhinterziehung gemäß
§ 398a der Abgabenordnung abschafft sowie die Voraussetzungen schafft, Baga-
telldelikte künftig als Ordnungswidrigkeit zu behandeln.
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE.

C. Alternativen
Der Antrag nennt keine Alternativen.

D. Finanzielle Auswirkungen
Wurden nicht erörtert.

Drucksache 18/1035 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/556 abzulehnen.

Berlin, den 2. April 2014

Der Finanzausschuss

Ingrid Arndt-Brauer

Vorsitzende

Andreas Schwarz

Berichterstatter

Dr. Axel Troost

Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1035

Bericht der Abgeordneten Andreas Schwarz und Dr. Axel Troost

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/556 in seiner 17. Sitzung am 20. Februar 2014
dem Finanzausschuss zur federführenden Beratung sowie dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. sieht vor, dass der Deutsche Bundestag beschließen soll,
I. festzustellen, dass bei Steuerhinterziehung selbst in Millionenhöhe der Täter einen gesetzlich zugesicher-
ten Anspruch auf Straffreiheit geltend machen kann, falls eine korrekt ausgeführte Selbstanzeige rechtzeitig
abgegeben wurde. Damit haben Täter bei Steuerstraftaten eine Sonderstellung inne, die zumeist Einkom-
mensstarken bzw. Vermögenden zugute kommt;
II. die Bundesregierung aufzufordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Möglichkeit zur Abgabe
einer strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung gemäß § 371 der Abgabenordnung und das
Absehen von der Strafverfolgung in besonders schweren Fällen von Steuerhinterziehung gemäß § 398a der
Abgabenordnung abschafft sowie die Voraussetzungen schafft, Bagatelldelikte künftig als Ordnungswid-
rigkeit zu behandeln.

III. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat den Antrag in seiner 11. Sitzung am 2. April 2014
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung eines der Mitglieder der Fraktion DIE
LINKE. Ablehnung.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Finanzausschuss hat den Antrag auf Drucksache 18/556 in seiner 6. Sitzung am 2. April 2014 erstmalig
und abschließend beraten.
Der Finanzausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/556.
Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD betonten, der vorliegende Antrag der Fraktion DIE
LINKE. habe sich vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Finanzministerkonferenz vom 27. März 2014
erledigt. Der mehrheitliche politische Wille von Bund und Ländern sehe aus guten Gründen ein Festhalten
am Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige vor.
Die durch die Bundesregierung geplanten Verschärfungen der Regeln für eine Selbstanzeige seien zu be-
grüßen. Man müsse allerdings die Balance wahren, so dass die Zahl der Selbstanzeigen nicht zurückgehen
würde. Selbstanzeigen seien bereits seit der Verschärfung durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämp-
fung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz – SchwarzGBekG vom
28. April 2011) kein Steuergestaltungsinstrument mehr.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. verkenne den Nutzen der Selbstanzeige und trage zu mehr Verdros-
senheit der Steuerzahler gegenüber den Finanzbehörden und der Politik bei.
Die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung sei nur im Zusammenhang mit der Frage des Entdeckungsrisikos
richtig zu bewerten. Da das Entdeckungsrisiko insgesamt gering sei, würde ein Verzicht auf die strafbefrei-
ende Selbstanzeige dazu führen, dass viele Fälle von Steuerhinterziehung unentdeckt bleiben würden. Au-
ßerdem trete die Strafbefreiung nur ein, wenn der Steuerhinterzieher die damit verbundenen Mitwirkungs-
pflichten erfülle bzw. eine komplette Offenlegung vornehme. Bei einer strafrechtlichen Verfolgung bestün-
den keine Mitwirkungspflichten und damit würden sich die Chancen verringern, Fälle von Steuerhinterzie-

Drucksache 18/1035 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

hung umfassend aufzuklären. Solange die Steuerbehörden nicht genug Personal hätten, um alle Fälle von
Steuerhinterziehung zu entdecken und die notwendigen Prüfungen regelmäßig durchzuführen, sei es richtig,
am Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige festzuhalten. Eine Abschaffung würde die Aufdeckungs-
quote deutlich verringern. Die jahrzehntelange Erfahrung und Praxis von Finanzbehörden und Steuerbera-
tern müssten bei der Bewertung des Instruments der strafbefreienden Selbstanzeige berücksichtigt werden.
Unabhängig davon sei es sinnvoll, dass auch zukünftig weiter CDs mit Steuerdaten angekauft würden, um
das Entdeckungsrisiko zu erhöhen.
Bei den Anmeldesteuern müsse grundsätzlich ein Verdacht auf Steuerhinterziehung möglich bleiben. Ein
Ausschluss der Bewertung als Steuerhinterziehung sei auch bei den Anmeldesteuern nicht richtig. Man
könne nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass lediglich eine fehlerhafte Anmeldung vorliegen würde.
Die nun von der Bundesregierung vorgesehenen Änderungen bei der Selbstanzeige müssten im Zusammen-
hang mit anderen Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung gesehen werden. In dem Koalitionsvertrag seien
insbesondere auch der OECD-Aktionsplan gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen (BEPS-
Projekt) und damit verbundene Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung und Steuervermeidung aufge-
nommen worden.
Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD erinnerten daran, dass die Verfolgung von Steuerhinter-
ziehung in den Kompetenzbereich der Bundesländer falle. Die Finanzverwaltung und deren Ausstattung
seien Ländersache. Es bestünden daher Anreize, durch ein unterdurchschnittliches Niveau der Verfolgung
von Steuerhinterziehung die Attraktivität eines Standorts auf Kosten der anderen Bundesländer zu erhöhen.
Dieser Anreiz bestehe insbesondere deshalb, weil unterdurchschnittliche Steuereinnahmen durch den Län-
derfinanzausgleich ausgeglichen würden bzw. weil zusätzliche Anstrengungen bei der Steuererhebung zwar
zu Mehrkosten bei den Behörden führen, die Mehreinnahmen zum größten Teil aber in den Länderfinanz-
ausgleich abfließen würden.
Die Fraktion DIE LINKE. verwies auf den Antrag des Landes Brandenburg bei der Finanzministerkonfe-
renz am 27. März 2014. Dieser hätte die Befürchtung ausgeräumt, dass ein Wegfall der strafbefreienden
Selbstanzeige zu einer strafrechtlichen Relevanz von steuerlichen Bagatelldelikten führen würde. Nach
geltendem Recht könnten Anmeldefehler bei der Umsatz- oder der Lohnsteuer durch Korrekturmeldungen
behoben werden, ohne dass dafür eine Selbstanzeige notwendig sei. Damit Steuerhinterziehung strafrecht-
lich relevant sei, müsse kriminelle Energie vorliegen, nämlich eine bewusste Fehlmeldung. Zwar habe der
Vorstoß des Landes Brandenburg auf der Finanzministerkonferenz keine Zustimmung gefunden, aber es sei
wichtig, dass die Diskussion der Thematik angestoßen worden sei.
Die Fraktion DIE LINKE. erinnerte daran, dass der jüngste Anstieg bei den Selbstanzeigen daher rühre,
dass das Entdeckungsrisiko unter anderem wegen des Ankaufs von CDs mit Steuerdaten gestiegen sei. In-
sofern stelle sich die Frage, ob dadurch ausgelöste Selbstanzeigen überhaupt noch als „freiwillig“ einzustu-
fen wären. Ziel der Fraktion DIE LINKE. sei, die Verfügbarkeit von flächendeckenden Kontrollmitteilun-
gen zu erreichen. Dann würden das Instrument der Selbstanzeige und auch der Ankauf von CDs mit Steuer-
daten überflüssig. So könnte Einkommen aus Kapitalerträgen genauso besteuert werden wie andere Ein-
kommensarten auch. Der Druck müsse in diesem Bereich erhöht werden. Die derzeitige Rechtslage biete
den Anreiz, Steuerhinterziehung zu versuchen und sich bei Anzeichen für eine Entdeckung mit Hilfe der
Selbstanzeige der Strafe zu entziehen. Die derzeitigen Vorschläge der Großen Koalition für eine Verschär-
fung der Regeln einer Selbstanzeige würden zu einer größeren Zurückhaltung bei Selbstanzeigen führen,
weil diese verteuert würden. Dies widerspreche der eigenen Logik der Befürworter einer Beibehaltung der
Möglichkeit zur Selbstanzeige.
Im derzeitigen System könne bewusste, mit krimineller Energie durchgeführte Steuerhinterziehung straffrei
bleiben. Man sehe an aktuellen Fällen, dass die mediale Darstellung strafrechtlicher Konsequenzen von
Steuerhinterziehung eine hohe Abschreckungswirkung entfalte, die bei einer Straffreiheit ausbleibe. Die
Bevölkerung teile diese Sicht auf die Sanktionierung von Steuerhinterziehung. Es könne nicht sein, dass
zumeist vermögende Steuerhinterzieher gänzlich straffrei blieben, wenn sie das Instrument der Selbstanzei-
ge einsetzen würden. Es sei klar, dass einfache Fehlmeldungen nicht kriminalisiert werden dürften, aber
bewusste Steuerhinterziehung müsse strafrechtlich verfolgt werden können.
Die Fraktion DIE LINKE. unterstrich, eine Reform des Länderfinanzausgleichs müsste auch die Anreiz-
wirkungen bei der Steuererhebung und bei der Aufdeckung von Steuerhinterziehung mit berücksichtigen.
Da die Einrichtung einer Bundessteuerverwaltung im bestehenden System des deutschen Föderalismus
nicht möglich sei, müssten zumindest die Kosten zusätzlicher Steuerermittler beim Länderfinanzausgleich

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1035

berücksichtigt werden. Es könne nicht sein, dass einzelne Länder die Kosten einer verbesserten Steuererhe-
bung tragen müssten und deren Erträge dann zum Großteil in den Länderfinanzausgleich fließen würden.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, es sei zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung ent-
scheidend, das Entdeckungsrisiko hoch zu halten. Neben dem Ankauf von CDs mit Steuerdaten müsse lang-
fristig die Aufdeckung von Steuerhinterziehung auch durch andere Maßnahmen zur Erhöhung des Entde-
ckungsrisikos verbessert werden. Der Anstieg der Selbstanzeigen in den letzten Jahren gehe eindeutig auf
den Ankauf von CDs mit Steuerdaten zurück. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehne den Antrag
der Fraktion DIE LINKE. ab, weil er allein bei der Strafverschärfung ansetze. Eine Verschärfung des Straf-
rechts sei keine konsistente linke Politik, selbst wenn damit eine Abschreckungswirkung verbunden sei. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordere hingegen keine höheren Strafen, sondern Maßnahmen zur
Erhöhung des Entdeckungsrisikos. Dazu gehöre als wichtiger Schritt eine bessere Ausstattung der Finanz-
behörden mit Personal und technischen Ressourcen, um bessere Ermittlungsergebnisse erzielen zu können.

Berlin, den 2. April 2014

Andreas Schwarz

Berichterstatter

Dr. Axel Troost

Berichterstatter

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