BT-Drucksache 18/10265

Zur Position der Bundesregierung zur Vereinbarkeit der deutschen Unternehmensmitbestimmung mit dem EU-Recht

Vom 4. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10265
18. Wahlperiode 04.11.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, Dr. Diether Dehm,
Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Susanna Karawanskij,
Jutta Krellmann, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Michael Schlecht
und der Fraktion DIE LINKE.

Zur Position der Bundesregierung zur Vereinbarkeit der deutschen
Unternehmensmitbestimmung mit dem EU-Recht

Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) liegt im Rahmen eines soge-
nannten Vorabentscheidungsverfahrens derzeit eine Frage vor, die die EU-
Rechtskonformität der deutschen Arbeitnehmermitbestimmung in den Aufsichts-
räten großer Unternehmen zum Gegenstand hat (C-566/15). Angriffspunkt ist die
Tatsache, dass die deutschen Mitbestimmungsgesetze nur für Beschäftigte gelten,
deren Arbeitsplatz sich in Deutschland befindet. Es ist nach Ansicht der Frage-
steller offensichtlich, dass das Verfahren darauf abzielt, über das EU-Recht mit-
telbar die deutsche Unternehmensmitbestimmung (und in der Folge auch andere
nationale Mitbestimmungsregelungen) auszuhebeln.
Gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Protokolls über die Satzung des EuGH teilte die
Europäische Kommission dem EuGH am 9. Februar 2016 ihre Rechtsauffassung
mit, der zufolge die deutsche Aufsichtsratsmitbestimmung gegen das Primärrecht
der Europäischen Union verstoße. Da der EuGH bei der Beantwortung von Vor-
lagefragen häufig den Eingaben der Europäischen Kommission folgt, ist zu be-
fürchten, dass auch der EuGH zu der Entscheidung kommt, dass die deutsche
Aufsichtsratsmitbestimmung gegen EU-Recht verstößt. Ein solches Urteil wäre
aus Sicht der Fragesteller ein schwerwiegender Übergriff auf ein Kernelement der
deutschen Arbeits- und Sozialordnung.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Teilt die Bundesregierung die juristische Auffassung der Fragesteller, dass

sich die Einschätzung der Europäischen Kommission, die deutsche Arbeit-
nehmermitbestimmung beschränke die durch Artikel 45 des Vertrages über
die Arbeitsweise der Europäischen Union geschützte Freizügigkeit der in
Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer, jenseits des Vertretbaren bewegt?

2. Inwiefern hat die Bundesregierung von ihrem Recht Gebrauch gemacht, mit
einer Stellungnahme im Verfahren ihre Rechtsposition deutlich zu machen
(wenn ja, Stellungnahme bitte im Anhang mitteilen)?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/10265 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Europäische Kommission vor diesem
Hintergrund und angesichts der politischen Bedeutung der Arbeitnehmermit-
bestimmung für die kollektiven Arbeitsbeziehungen in Deutschland aufzu-
fordern, ihre Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem EuGH
förmlich zurückzunehmen, wie dies bereits in anderen Verfahren geschehen
ist?

4. Teilt die Bundesregierung die politische Einschätzung, dass die Feststellung
eines Unionsrechtsverstoßes durch die Mitbestimmung seitens des EuGH bei
den deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen gravierenden
Ansehensverlust des EuGH, der Europäischen Kommission und der Unions-
rechtsordnung insgesamt auslösen würde, vergleichbar den negativen Reak-
tionen auf die Urteilsserie Viking (C-438/05), Laval (C-341/05) und Rüffert
(C-346/06)?

5. Für den Fall, dass der EuGH einen Unionsrechtsverstoß durch die Mitbestim-
mungsgesetze feststellt und auch der Bundesgerichtshof der Auffassung des
vorlegenden Kammergerichts folgt, dass zur Behebung der Rechtskollision
eine unionsrechtskonforme Auslegung ausscheidet (KG Berlin, 14 W 89/15),
welche Vorbereitungen trifft die Bundesregierung, um eine mitbestim-
mungsfreie Periode in deutschen Konzernunternehmen zu vermeiden oder
wenigstens möglichst kurz zu halten?

Berlin, den 4. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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