BT-Drucksache 18/1015

Versorgungslage, Evidenz und Kosten therapeutischer Verfahren bei Multipler Sklerose

Vom 15. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1015
18. Wahlperiode 15.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Inge Höger,
Katja Kipping, Azize Tank, Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Versorgungslage, Evidenz und Kosten therapeutischer Verfahren bei
Multipler Sklerose

In einer Studie für das Bundesversicherungsamt hat Dr. Gabriele Petersen im
März 2013 berechnet, dass in Deutschland erheblich mehr Menschen mit Mul-
tipler Sklerose (MS) diagnostiziert wurden, als bisher bekannt war. Während
bisher von etwa 130 000 Betroffenen ausgegangen wurde, ermittelt Dr. Gabriele
Petersen aus den Daten der GKV-Versicherten (GKV = Gesetzliche Kranken-
versicherung) für das Jahr 2010 mehr als 190 000 Menschen, bei denen mindes-
tens einmal eine MS-Diagnose angegeben worden war. 70 Prozent der Betrof-
fenen sind Frauen. Auffällig ist zudem, dass die Kennzahlen für die ostdeut-
schen Bundesländer deutlich von denen Westdeutschlands abweichen. Im Wes-
ten erhalten zwischen 300 und 600 von 100 000 Menschen eine MS-Diagnose,
im Osten nur 200. Diese Abweichungen seien „epidemiologisch nicht zu erklä-
ren“, so Dr. Gabriele Petersen (vgl. www.zi.de/cms/fileadmin/images/content/
PDFs_alle/A1_AGENS_Petersen.pdf).
Die früheren MS-Diagnosekriterien nach Poser, die erst eine MS-Diagnose nach
mindestens zwei durchgemachten Krankheitsschüben erlaubten, wurden im Jahr
2001 durch die Kriterien nach McDonald ersetzt und sukzessive dahingehend
revidiert, dass eine MS-Diagnose bereits im ersten Schub und mit der ersten
MRT-Bildgebung ausgesprochen werden kann (www.dmsg.de/multiple-
sklerose-news/index.php?anr=1114&kategorie=forschung).
Es wurde nicht untersucht, ob die vorher gültigen prognostischen Daten auf das
neue Patientenkollektiv der mittels McDonald-Kriterien diagnostizierten Be-
troffenen übertragbar sind.
Multiple Sklerose ist eine schubförmig oder chronisch verlaufende Autoim-
munerkrankung des Zentralen Nervensystems mit vielen unterschiedlichen Er-
scheinungsbildern und Verlaufsformen. Meist wird sie im frühen Erwachsenen-
alter diagnostiziert. Die genauen Ursachen sind noch unbekannt.
Für die schubförmige Verlaufsform der Multiplen Sklerose existierten bis zur
Zulassung von Medikamenten der Wirkstoffgruppe Interferon beta 1a und 1b in
den 90er-Jahren lediglich Möglichkeiten zur Behandlung der Symptome und zur
entzündungshemmenden Kurzzeittherapie mit Kortikosteroiden im akuten Sta-
dium eines Schubs. Inzwischen ist eine ganze Reihe von Medikamenten auf dem
Markt, die eine Reduzierung der Schubfrequenz und damit eine Vermeidung von
fortschreitender Behinderung versprechen. Nach der genannten Studie werden
zwischen 48 Prozent (im Westen) und 50 Prozent (im Osten) der MS-Betroffe-
nen medikamentös behandelt.

Drucksache 18/1015 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Cochrane Collaboration gelangt in einer Auswertung von 44 Studien im Juni
2013 zu der Bewertung, dass „die klinischen Effekte dieser Behandlungen über
zwei Jahre hinaus unsicher sind“ („It is important to consider that the clinical
effects of all these treatments beyond two years are uncertain, a relevant point
for a disease of 30 to 40 years duration.“). Bei verschiedenen Langzeittherapien
konstatiert diese Auswertung eine für die Patientinnen und Patienten kritische
Nutzen-Risiko-Balance (http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.
CD008933.pub2/abstract, abgerufen am 17. April 2014). Trotz der therapeuti-
schen Unsicherheiten und fehlenden Untersuchungen zu Langzeittherapiefolgen
beim Dauereinsatz immuntherapeutischer Medikamente wird Betroffenen all-
gemein die frühzeitige Dauertherapie mit immunmodulierenden oder immun-
suppressiven Medikamenten empfohlen. Die hohe Zahl der Patientinnen und Pa-
tienten, die sich nicht an ärztliche Behandlungsempfehlungen hält (schlechte
Adhärenzdaten), spricht dafür, dass die Betroffenen selbst dagegen vielfach das
Nutzen-Risiko-Verhältnis negativ bewerten (siehe www.ncbi.nlm.nih.gov/
pubmed/?term=Adherence+to+Multiple+Sclerosis+Disease-Modifying+
Therapies+in+Ontario+is+low sowie Arzneiverordnung in der Praxis, Band 40,
Ausgabe 4. Juni 2013, Seite 75; www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/
Archiv/20134.pdf).
Laut Barmer GEK Arzneimittelreport sind Immunmodulatoren bei MS einer der
großen Kostenfaktoren im Arzneimittelbereich. Die Herstellung der Interferon-
präparate war ursprünglich kostenintensiv und führte zu dem hohen Medika-
mentenpreis. Dieses Preisniveau blieb auch für alle folgenden MS-Präparate der
Maßstab, unabhängig von deren Herstellungskosten. Die Medikamente sind also
relativ teuer, das Patientenkollektiv relativ groß und die Lebenserwartung von
MS-Betroffenen mit schubförmigem Verlauf beträgt nach einer kanadischen
Studie aus dem Jahr 2011 nach der Diagnosestellung noch durchschnittlich
50 Jahre (siehe www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21865212).
Bei Jahrestherapiekosten von 20 000 Euro sind also Gesamtumsätze von 1 Mio.
Euro pro Patientin bzw. Patient realistisch. Diese zweifellos vorhandenen wirt-
schaftlichen Anreize könnten auch den Konzern Sanofi dazu bewogen haben,
einen bislang als Krebsmedikament zugelassenen Wirkstoff (Alemtuzumab®)
vom Markt zu nehmen und zum vierzigfachen des bisherigen Preises als MS-
Medikament Lemtrada® neu anzubieten (siehe Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/
260).
Dimethylfumarat (DMF, neben anderen Wirkstoffen in Fumaderm® enthalten)
ist ein verbreiteter Wirkstoff zur Behandlung der Schuppenflechte (Psoriasis).
Der frühere Hersteller Fumapharm hatte nach Medienberichten einen aussichts-
reichen Zulassungsantrag für DMF als Monopräparat (Panaclar®) gegen Psoria-
sis gestellt – schließlich ist der Wirkstoffmix in Fumaderm® eher zufällig
zustande gekommen (www.nzz.ch/aktuell/wirtschaft/nzz_equity/ein-doeschen-
hoffnung-1.18055389). Die Firma versprach sich eine erheblich verbesserte
Verträglichkeit als bei Fumaderm®. Der US-amerikanische Pharmakonzern
Biogen hat Fumapharm im Jahr 2006 gekauft, nachdem es Hinweise gab, dass
DMF auch bei MS wirken könnte. Biogen zog sehr schnell den Zulassungs-
antrag zurück, angeblich „um den klinischen Entwicklungsplan zu optimieren
und Panaclar® so allen Patienten in Europa zugänglich zu machen“ (www.
psoriasis-netz.de/medikamente/fumaersaeure/panaclar-kommt-spaeter.html).
Doch Panaclar® kam nie. Stattdessen kam Tecfidera® auf den Markt, das den
gleichen Wirkstoff DMF enthält, aber ausschließlich zur Anwendung gegen MS
zugelassen ist – und wieder zu einem erheblich höheren Preis, als es für ein
Psoriasis-Mittel möglich gewesen wäre. Das neue Präparat könnte dem Pharma-
konzern Biogen dann auch veranlasst haben, seine Gewinnprognose anzuheben.
Die Umsätze für Tecfidera® werden auf über 3 Mrd. Dollar im Jahr geschätzt
(www.handelsblatt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1015
com/unternehmen/industrie/biotechkonzern-neues-ms-medikament-befluegelt-
biogen/9795626.html).
Für Zulassungen neuer Arzneimittel mit älteren Wirkstoffen entfällt aufgrund ei-
ner Gesetzeslücke die ansonsten bei Neuzulassungen zwingend vorgeschriebene
schnelle Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die tatsächliche Zahl

der MS-Erkrankten in der Bundesrepublik Deutschland?
Kann sie die Zahlen der Studie von Dr. Gabriele Petersen bestätigen (bitte
nach Bundesländern aufgliedern)?

2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Prävalenz (Erkran-
kungsrate im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung) in den verschiedenen
Bundesländern?
Kann die Bundesregierung den in der Petersen-Studie für das Jahr 2010
festgestellten Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland bestätigen?

3. Wie hat sich die Zahl der neu diagnostizierten MS-Betroffenen (Inzidenz)
nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 20 Jahren entwickelt
(bitte nach Bundesländern aufgliedern)?

4. Auf welche Faktoren führt die Bundesregierung den nach den Studien deut-
lichen Anstieg der Erkrankungszahlen in den letzten Jahren zurück?
Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es sich hier nur um einen
scheinbaren Anstieg durch Einführung der vereinfachten Diagnosekriterien
nach McDonald handelt?

5. Welche möglichen Ursachen sieht die Bundesregierung für die regionalen
Unterschiede in der Zahl der MS-Diagnosen, und welche Rückschlüsse
zieht sie daraus?

6. Wie viele Patientinnen und Patienten mit der Diagnose MS erhielten nach
Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren jeweils eine
Dauermedikation (mindestens ein Jahr) mit immunsuppressiven oder im-
munmodulierenden Arzneimitteln (bitte nach Bundesländern aufgliedern)?

7. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen
Jahrestherapiekosten bei den gängigsten MS-Medikamenten (bitte nach
Wirkstoffen aufgliedern)?

8. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Ausgaben der ge-
setzlichen Krankenkassen für diese Medikamente insgesamt in den letzten
zehn Jahren (bitte nach Jahren aufgliedern)?

9. Welche vergleichenden Studien über die Wirksamkeit und Verträglichkeit
der unterschiedlichen immunsuppressiven bzw. immunmodulierenden
Langzeittherapien sind der Bundesregierung bekannt?
Wie bewertet die Bundesregierung die Aussagefähigkeit dieser Studien?

10. Ist der Bundesregierung die Meta-Studie „Immunomodulators and immu-
nosuppressants for multiple sclerosis: a network meta-analysis“ der
Cochrane-Gruppe Multiple Sklerose und seltene Erkrankungen des Zentra-
len Nervensystems vom 6. Juni 2013 bekannt, und welche Rückschlüsse
zieht sie aus den Ergebnissen vor dem Hintergrund, dass nach dieser Studie
offenbar keine Evidenz für ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis der
gängigen MS-Immuntherapeutika über einen Zeitraum von mehr als zwei
Jahren vorliegt?

Drucksache 18/1015 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
11. Gibt es nach Erkenntnis der Bundesregierung Langzeitstudien, in denen der
Nutzen einer Dauermedikation bei MS für die Lebensqualität und das
Wohlbefinden der Betroffenen mit der Situation von nicht medikamentös
behandelten Patientinnen und Patienten mit derselben Verlaufsform vergli-
chen wird?

12. Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Hersteller von Immunsuppressiva
oder anderen Immunmodulatoren zur MS-Behandlung Studien in Auftrag
gegeben haben oder in Auftrag zu geben beabsichtigen, welche die bisher
fehlende Bewertung von Nutzen und Risiken einer Langzeittherapie für die
Betroffenen ermöglichen sollen?
Haben die Zulassungsbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung ent-
sprechende Studien eingefordert?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Hersteller nur ein gerin-
ges Interesse an solchen Studien haben, solange ihre Medikamente auch
ohne Evidenz jahrelang oder jahrzehntelang verordnet werden können?

14. Welche patientenrelevanten Endpunkte müssten nach Auffassung der Bun-
desregierung Studien zum Nutzen verschiedener Therapien bei MS unter-
suchen?
Hat die Bundesregierung erwogen, das Institut für Qualität und Wirtschaft-
lichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit einer vergleichenden Studie
zum Patientennutzen der Langzeittherapie von MS mit unterschiedlichen
Medikamenten zu beauftragen (bitte begründen)?

15. Welche in der MS-Langzeittherapie eingesetzten Wirkstoffe sind nach
Kenntnis der Bundesregierung derzeit noch patent- bzw. unterlagenge-
schützt?
Welche Patente bzw. welcher Unterlagenschutz laufen in den nächsten fünf
Jahren aus?

16. Welche Strategien der Pharmaunternehmen kennt die Bundesregierung, die
die zu erwartenden Umsatzeinbußen durch den Patentablauf kompensieren
sollen?

17. Steht die Preisdifferenz zwischen Fumaderm® und Tecfidera® nach Ansicht
der Bundesregierung in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand für
die Entwicklung des MS-Präparats Tecfidera®?

18. Sieht die Bundesregierung gesetzgeberischen Handlungsbedarf, um Vor-
gänge wie bei Tecfidera® künftig zu unterbinden?

19. Welche gesetzgeberischen Handlungsoptionen sieht die Bundesregierung,
um derartige Vorgänge künftig zu unterbinden?

20. Welche Parallelen sieht die Bundesregierung zum Vorgang Avastin®/Lu-
centis® und zum Vorgang um MabCampath®/Lemtrada®?

21. Welche Rolle spielen nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten für
Forschung und Entwicklung sowie die der Herstellung für die Preisfindung
bei patentgeschützten Arzneimitteln?

22. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass, wie bei Lemtrada®, die frühe
Nutzenbewertung auch für Tecfidera® entfällt?
Falls ja, sieht sie noch immer keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf?

23. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass mit dem Vierzehnten Ge-
setz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (14. SGB V-
ÄndG) (Abschaffung der Nutzenbewertung des Bestandsmarkts mit Wir-
kung ab 1. Januar 2014) die Möglichkeiten zur nachträglichen Überprüfung
des patientenrelevanten (Zusatz-)Nutzens von Tecfidera® sehr stark einge-
schränkt wurden (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1015
24. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass der bis zum 31. Dezem-
ber 2017 geltende Herstellerabschlag vermutlich in dem frei wählbaren
Herstellerabgabepreis von Tecfidera® bereits berücksichtigt wurde und der
erhöhte Abschlag daher für Tecfidera® und andere neue Präparate kaum
Wirkung entfaltet (bitte begründen)?

25. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Aussage vom Januar 2014, dass es sich
beim Vorgang um MabCampath®/Lemtrada® um einen „seltenen Einzel-
fall“ handele (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/260)?

26. Wie wird gewährleistet und überprüft, dass der patientenrelevante Nutzen
in den Preisverhandlungen für neue Arzneimittel tatsächlich entscheidend
ist?

27. Sind der Bundesregierung neben Lemtrada® und Tecfidera® weitere Arz-
neimittel bekannt, die zunächst für eine andere Indikation zugelassen wur-
den und dann zur MS-Therapie neu zugelassen und patentiert wurden?
Befinden sich derzeit entsprechende Arzneimittel im Zulassungsverfahren?

28. Um wie viel höher als beim Präparat Fumaderm® bei Schuppenflechte sind
nach Kenntnis der Bundesregierung die jährlichen Behandlungskosten mit
Tecfidera® bei MS?

29. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass für Dimethylfumarat (= BG-12,
DMF) mit dem Handelsnamen Panaclar® eine Zulassung als Arzneimittel
gegen Psoriasis beantragt wurde (falls ja, bitte die öffentlichen Eckdaten zu
dem Zulassungsverfahren angeben)?

30. Inwiefern wird nach Einschätzung der Bundesregierung mit dem Verzicht
auf eine Zulassung als Arzneimittel zur Psoriasis-Behandlung nach den im
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorliegen-
den Daten den Psoriasis-Patientinnen und Psoriasis-Patienten möglicher-
weise ein therapeutischer Fortschritt vorenthalten?

31. Sieht die Bundesregierung angesichts der Firmenpolitik von Biogen im Fall
Tecfidera® gesetzgeberischen Handlungsbedarf?

32. Wäre der Preis für Tecfidera® nach Kenntnis der Bundesregierung nach
Verhandlung mit dem GKV-Spitzenverband vermutlich niedriger, wenn es
auch zur Behandlung von Psoriasis zugelassen wäre?

33. Inwiefern ist für Tecfidera® eine Anwendung außerhalb der Zulassungsindi-
kation (off-label-use) zur Behandlung von Psoriasis-Patientinnen und Pso-
riasis-Patienten gestattet?

34. Wie hoch wäre der Preis einer durchschnittlichen Jahresdosis DMF, wenn
diese in einer patientenindividuellen Dosierung in magensaftresistenten
Kapseln in der Apotheke oder in Herstellerbetrieben nach § 13 des Arznei-
mittelgesetzes (AMG) hergestellt würde (unter Zugrundelegung des Wirk-
stoffpreises am 20. Mai 2014)?

35. Müssen nach Auffassung der Bundesregierung die gesetzlichen Kranken-
kassen die Kosten für ein derartiges Rezepturarzneimittel übernehmen?

36. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung im Entwurf des 14. SGB-V-
ÄndG 2014 darauf verzichtet, die Gesetzeslücke zu schließen, die es ermög-
licht, dass sich Pharmafirmen durch eine Neuzulassung eines bereits im
Markt befindlichen Wirkstoffs der Nutzenbewertung entziehen?
Plant die Bundesregierung, angesichts des erneuten Vorgangs mit Tecfi-
dera® nun eine gesetzliche Klarstellung?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/1015 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
37. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Werbestrategien der
Pharmaunternehmen in Kliniken und neurologischen Facharztpraxen für
neue und jeweils besonders teure Medikamente?

38. Auf welchem Weg können die Pharmafirmen die Erstellung der Behand-
lungsleitlinien für MS beeinflussen?
Wie viele Mitglieder der entsprechenden Leitlinienkommission der zustän-
digen Fachgesellschaft haben Interessenkonflikte mit der Pharmaindustrie
angegeben?

39. Welche medizinischen Fachgesellschaften und Selbsthilfeorganisationen,
die sich ausschließlich oder teilweise mit der Erkrankung MS befassen, ge-
ben nach Kenntnis der Bundesregierung öffentlich an, dass sie Mittel von
Unternehmen oder Verbänden der Arzneimittel- oder Medizinproduktbran-
che erhalten, etwa in Form von Spenden, Sponsoring, Raummieten oder
Anzeigen in Vereinszeitschriften?

40. Wie viele medizinische Fortbildungsveranstaltungen zu Diagnose und
Therapie von MS wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2013
zertifiziert, und wie viele davon wurden von Pharma- oder Medizintechnik-
unternehmen ganz oder teilweise finanziert (bitte nach Bundesländern auf-
gliedern)?

41. Welche Aufgaben haben nach Kenntnis der Bundesregierung die sogenann-
ten MS-Schwestern, die als Angestellte oder Vertragspartner von Pharma-
unternehmen direkt mit Patientinnen und Patienten arbeiten?
Inwiefern handelt es sich bei deren Dienstleistungen nach Auffassung der
Bundesregierung um eine Werbung für verschreibungspflichtige MS-Medi-
kamente bei Patientinnen und Patienten?
Welche besondere Aus- oder Fortbildung erhalten „MS-Schwestern“ und
wer finanziert diese?
Ist angesichts der finanziellen Abhängigkeit von bestimmten Herstellern zu
erwarten, dass MS-Schwestern Patientinnen und Patienten unabhängig und
ergebnisoffen beraten und ggf. auch zum Abbruch einer stark belastenden
Therapie raten können?

42. Wie werden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Arzneimittelaus-
gaben der GKV in den nächsten fünf Jahren entwickeln?
Welchen Anteil daran werden voraussichtlich neue, patentgeschützte Arz-
neimittel haben?

43. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass die finanzielle Stabilität der ge-
setzlichen Krankenversicherung aufgrund einiger weniger Präparate mit
hohen Preisen (unter anderem Tecfidera®, Lucentis® und andere Bio-
logicals, vergleiche auch etwa Handelsblatt vom 24. April 2014 „Die Angst
vor der 1 000-Dollar-Pille“ über die Einführung des Hepatitispräparats
Sovaldi®) gefährdet ist?
Falls ja, welche Rückschlüsse zieht sie daraus?

Berlin, den 15. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.