BT-Drucksache 18/10127

Erweiterung der Ostseepipeline Nord Stream 2

Vom 21. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10127
18. Wahlperiode 21.10.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Bärbel Höhn,
Dr. Julia Verlinden, Jürgen Trittin, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen),
Steffi Lemke, Peter Meiwald und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erweiterung der Ostseepipeline Nord Stream 2

Im Jahr 2015 hat der russische Energieversorger Gazprom gemeinsam mit E.on,
Shell, Engie, OMV und BASF/Wintershall den Ausbau der Nord-Stream-Pipeline
vereinbart, mit der zusätzliches Erdgas aus Russland nach Deutschland geliefert
werden soll. Konkret soll die Kapazität der bestehenden Pipeline bis 2019 um
55 Milliarden Kubikmeter verdoppelt werden, wenngleich die ersten beiden
Stränge bisher nicht ausgelastet sind.
Nach Bedenken der polnischen Kartellbehörde verließen die europäischen Unter-
nehmen das Konsortium, der russische Staatskonzern ist mittlerweile alleiniger
Projektträger. Zudem wurde bekannt, dass der ehemalige Bundeskanzler Gerhard
Schröder (SPD) laut schweizerischem Handelsregister mindestens seit Ende Juli
2015 Vorsitzender des Verwaltungsrates ist, während er zugleich Vorsitzender
des Aktionärsausschusses der alten Gesellschaft Nord Stream bleibt. Gleichzeitig
wechselten weitere ehemalige Entscheidungsträger wie die Referatsleiterin
Marion Scheller aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu
Gazprom (www.welt.de/politik/deutschland/article158636618/Karrieresprung-
aus-Berliner-Ministerium-zu-Gazprom.html).
Das ehemalige Betreiberkonsortium und auch die Bundesregierung sprachen bei
Nord Stream 2 von einem rein privatwirtschaftlichen Projekt, dessen Kosten und
Risiken in Höhe von rund 8 Mrd. Euro durch die beteiligten Konzerne bzw. pri-
vates Fremdkapital übernommen werden sollten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über mögliche Verabredungen zur

Finanzierung der Pipelineerweiterung über sogenannte Wandelanleihen, wo-
bei die ehemaligen europäischen Konsortiumsmitglieder den Bau nun als
Kreditgeber unterstützen und diese Kredite später in Anteile an das Nord-
Stream-2-Konsortium umwandeln?
a) Was würde eine solche Verabredung für europäisches Recht bedeuten?
b) Würde eine solche Verabredung im Einklang mit den Sanktionen gegen-

über Russland stehen (bitte begründen)?
2. Ist Nord Stream 2 mit Gazprom als einzigem Projektträger nach Kenntnis

und Schlussfolgerung der Bundesregierung vereinbar mit dem europäischen
Energierecht, insbesondere mit den Entflechtungsvorgaben, welche sich aus
dem dritten Energiepaket der Europäischen Union ergeben (bitte begrün-
den)?

Drucksache 18/10127 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Hat die Bundesregierung mittlerweile genauere Kenntnisse über die Infra-
strukturkosten, die sich aus der Kapazitätserweiterung der bestehenden
Nord-Stream-Pipeline für die Verteilungsinfrastruktur in Deutschland erge-
ben?
Wenn ja, wie hoch sind diese, und falls nein, warum nicht, bzw. wann werden
diese Zahlen vorliegen?

4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Einfluss von
Nord Stream 2 auf die Gaspreisentwicklung in Deutschland und Europa, und
wie begründet sie diese?

5. Welche Folgen hat die mögliche Nichtrealisierung von Nord Stream 2 für
den Bau der Anschlusspipeline EUGAL und den damit verbundenen An-
schlüssen der Gasnetze anderer EU-Mitgliedstaaten?

6. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass Voraussetzung für den
Bau der Anschlusspipeline EUGAL die Verknüpfung der Pipeline an die be-
stehende JAMAL-Pipeline wird und/oder das polnische LNG-Terminal Zu-
gang zu der Leitung erhält, und wenn nein, warum nicht?

7. Verfügt die Bundesregierung über eigene Analysen und Prognosen zur künf-
tigen Erdgasnachfrage in Deutschland und Europa, und wenn ja, welche
Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, und falls nein, warum
nicht?

8. Inwieweit sieht die Bundesregierung eine Erhöhung der Versorgungssicher-
heit durch Diversifizierung der europäischen Gasbezugsquellen gemäß der
LNG-Strategie der Europäischen Kommission gegeben, und inwiefern kon-
terkariert die Nord-Stream-Erweiterung diese Strategie nach Auffassung der
Bundesregierung?

9. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob und inwieweit Gaz-
prom mit der Festsetzung von unfairen Preisen gegen die europäische Ge-
setzgebung verstößt?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die weitere Konzentration der Gazprom-
Abhängigkeit durch die geplante Nord-Stream-Erweiterung vor dem Hinter-
grund der von der Europäischen Union verfolgten Strategie der Diversifizie-
rung der Gasbezugsquellen?

11. Wann rechnet die Bundesregierung mit dem Baubeginn von Nord Stream 2
(bitte begründen)?

12. Was bedeutet die mögliche Fertigstellung der Nord Stream 2 nach Einschät-
zung der Bundesregierung für die Gasinfrastruktur der Ukraine und den eu-
ropäischen Gastransit, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesre-
gierung daraus?

13. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, dass in puncto
Versorgungssicherheit zu sehr auf angebotsorientierte Politiken gesetzt wird
und zu wenig auf die Senkung der Nachfrage?
Wenn nein, warum nicht, und wenn ja, welche Maßnahmen zur Senkung der
Erdgasnachfrage will sie über die bereits bestehenden Effizienzinitiativen
hinaus ergreifen?

14. Welche Behörden in Deutschland sind bei der Planung und Realisierung von
Nord Stream 2 ggf. zu beteiligen, und haben sich diese bereits mit dem Pro-
jekt befasst, wenn ja, mit welchen Ergebnissen, und wenn nein, wann ist da-
mit zu rechnen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10127

15. Gab es Gespräche zwischen Vertretern der Bundesregierung und ihrer nach-

geordneten Behörden und Vertretern von Nord Stream 2, z. B. dem ehema-
ligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, zur Pipelineerweiterung, und wenn
ja, wann, wo und mit welchem Ergebnis?

16. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die ehemalige Referatsleiterin
des Bundeswirtschaftsministeriums, Marion Scheller, mit Fragen der Pipeli-
neerweiterung betraut war, und falls nein, welche Vorgänge hat sie diesbe-
züglich konkret mitbetreut (bitte einzeln nach Thema und zeitlicher Reihen-
folge aufschlüsseln)?

17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Beeinträchtigungen des
russischen Naturschutzgebietes Kurgalsky, und welche Schlussfolgerungen
zieht sie daraus?

18. Welche Position vertritt die Bundesregierung im Rat bei den Verhandlungen
über die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maß-
nahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung?

19. Hat die Bundesregierung zu diesem Verordnungsvorschlag Gespräche mit
Vertretern der polnischen Regierung oder anderen zentral- und osteuropäi-
schen Partnern geführt?
a) Wenn ja, wann, mit wem und mit welchem Ergebnis?
b) Wenn nein, warum nicht?

20. Befürwortet die Bundesregierung die Entwicklung regionaler Notfallpläne
(bitte begründen)?

21. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass regionale Notfallpläne und
die Anwendung des Solidaritätsgrundsatzes Vertrauen und Zusammenarbeit
unter den Mitgliedstaaten schaffen könnte?

Berlin, den 18. Oktober 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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