BT-Drucksache 18/10070

Haltung der Bundesregierung zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit bewaffneten Drohnen

Vom 17. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10070
18. Wahlperiode 17.10.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Dr. Alexander S. Neu,
Martina Renner, Kathrin Vogler, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Haltung der Bundesregierung zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit
bewaffneten Drohnen

Anfang letzten Jahres kündigte die US-Regierung Standards zum Verkauf von
Drohnen ins Ausland an („U.S. Export Policy for Military Unmanned Aerial Sys-
tems“, US-Außenministerium vom 17. Februar 2015). Dort heißt es, weil immer
mehr Regierungen Drohnen für militärische und kommerzielle Zwecke einsetz-
ten, obliege den USA als Marktführer eine besondere Verantwortung für die Nut-
zung ihrer Drohnen. Dabei müssten auch außenpolitische und wirtschaftliche In-
teressen berücksichtigt werden. Kampfdrohnen sollten lediglich an ausgewählte
Verbündete geliefert werden. Jeder Verkauf werde „von Fall zu Fall“ entschie-
den. Die Empfänger müssten bestätigen, dass die Drohnen im Rahmen bestehen-
der internationaler Regelungen eingesetzt werden. Dies schließe auch Menschen-
rechtsgesetze ein. Luftschläge dürften nur auf Basis von Recht und Gesetz erfol-
gen, etwa wenn die nationale Sicherheit gefährdet sei. Die Drohnen dürften nicht
zur ungesetzlichen Überwachung der Bevölkerung eingesetzt werden. Drohnen-
Piloten sollten eine entsprechende Ausbildung erhalten, um Verletzungen und
Schäden zu minimieren. Die USA setzten sich dem Statement zufolge auch dafür
ein, die eigenen Vorschriften weltweit als Standard zu setzen.
Am 25. August 2016 berichtete der Informationsdienst „DefenseNews“, dass die
US-Regierung ihre Deklaration in eine internationale Vereinbarung überführen
wollen. Auf Nachfrage der Abgeordneten Inge Höger antwortete die Staatsminis-
terin Dr. Maria Böhmer, den vorgeschlagenen Standards „prinzipiell aufgeschlos-
sen“ gegenüberzustehen (Antwort auf die Schriftliche Frage 23 auf Bundestags-
drucksache 18/9595). Ob die Bundesregierung hierzu, wie von „Defense News“
berichtet, angefragt wurde, ließ das Auswärtige Amt offen. Nicht einmal vier Wo-
chen später berichtet das US-Außenministerium, 44 Staaten seien dem angekün-
digten Abkommen zum verantwortungsbewussten Umgang mit Drohnen beige-
treten, darunter auch die Bundesregierung („Fact Sheet: Joint Declaration for the
Export and Subsequent Use of Armed or Strike-Enabled Unmanned Aerial Ve-
hicles (UAVs)“ und „Joint Declaration for the Export and Subsequent Use of Ar-
med or Strike-Enabled Unmanned Aerial Vehicles (UAVs)“). Weitere Unter-
zeichner werden gesucht, die Vereinbarung soll als Grundlage für ein Regelwerk
gegen den „Missbrauch“ („misuse“) bewaffneter Drohnen dienen, das ab Früh-
jahr 2017 diskutiert werde.
Mit der Politik ferngesteuerter Hinrichtungen hat die US-Regierung die Kriegs-
führung aus Sicht der Fragesteller völkerrechtlich und räumlich entgrenzt. Sie hat
damit seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts Maßstäbe auch für andere
Staaten gesetzt. Der jetzige US-Vorstoß zur Einhegung dieser Praxis ist deshalb

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vollkommen unglaubwürdig. Demnach dürften Luftschläge nur auf Basis von
Recht und Gesetz erfolgen. Es ist aus Sicht der Fragesteller nicht hinzunehmen,
wenn sich die USA nun als Anwältin der Menschenrechte darstellt. Schließlich
ist der Vorstoß auch eine Demütigung der Angehörigen der Tausenden Toten
durch US-Drohnenangriffe in Afghanistan, Pakistan, Somalia und dem Jemen. Zu
vermuten ist, dass der Normen-Katalog den Kreis der Käufer von US-Drohnen
möglichst vergrößern soll.
Seit Jahren plädiert die Fraktion DIE LINKE. für die Abstimmung einer interna-
tionalen Drohnenkonvention. Statt der Eingrenzung der Einsätze und Verkäufe
bewaffneter Drohnen braucht es eine Ächtung im Rahmen einer UN-Konvention.
DIE LINKE. befürwortet ein Beschaffungs-Moratorium europäischer Regierun-
gen, das Normen setzt und einen Einstieg in die vorbeugende Rüstungskontrolle
ermöglicht.
Ähnlich hatte es bereits die Parlamentarische Versammlung des Europarates in
einer Resolution gegen völkerrechtswidrige Einsätze von Kampfdrohnen gefor-
dert. Die vor einem Jahr verabschiedete Resolution zu Einsätzen bewaffneter
Drohnen und der Praxis von „gezielten Tötungen“ richtet sich an die USA und
Großbritannien, aber auch Unterstützerstaaten wie Deutschland und Italien, wenn
diese den US-Drohnenkrieg durch Anlagen auf ihrem Staatsgebiet tolerieren oder
sogar unterstützen (http://gleft.de/1tq).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wurde die Bundesregierung von der US-Regierung über den Vor-

schlag einer internationalen Vereinbarung gegen den „Missbrauch“ bewaff-
neter Drohnen informiert und um Unterzeichnung gebeten, und aus welchem
Grund hat sie dies auf Nachfrage der Abgeordneten Inge Höger nicht mitge-
teilt?

2. Wann und auf welchem Wege hat die Bundesregierung der US-Regierung
zugesagt, die Vereinbarung gegen den „Missbrauch“ bewaffneter Drohnen
zu unterzeichnen?

3. Aus welchen Erwägungen hält die Bundesregierung den Export oder den
missbräuchlichen Einsatz bewaffneter Drohnen für regelungsbedürftig?

4. Welche Regierungen nutzen nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit be-
waffnete Drohnen, und welche Regierungen beschaffen oder entwickeln sol-
che Systeme?

5. Inwieweit sieht auch die Bundesregierung eine besondere Verantwortung der
US-Regierung für die Regulierung des Verkaufs und der missbräuchlichen
Nutzung bewaffneter Drohnen?

6. Auf welche Weise sollte aus Sicht der Bundesregierung geregelt werden, an
welche Staaten bewaffnete Drohnen verkauft werden sollen?

7. Inwiefern sollten dabei, wie von der US-Regierung beschrieben, auch außen-
politische und wirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden?

8. Welche internationalen Rechtsgrundlagen oder Konventionen hält die Bun-
desregierung für den Export bewaffneter Drohnen für einschlägig?

9. Welche menschenrechtlichen Mindeststandards sollten aus Sicht der Bun-
desregierung beim Einsatz bewaffneter Drohnen gelten?

10. Inwiefern ist auch die Bundesregierung der Ansicht, Luftschläge mit Droh-
nen dürften nur auf Basis von Recht und Gesetz erfolgen, etwa wenn die
nationale Sicherheit gefährdet sei (bitte die infrage kommenden internatio-
nalen Rechtsgrundlagen oder Konventionen benennen)?

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11. Inwiefern sollte aus Sicht der Bundesregierung in den Diskussionen zur Um-

setzung und Durchführung der Vereinbarung das in der Charta der Vereinten
Nationen (UN-Charta) verankerte Gewaltverbot berücksichtigt werden?

12. Inwiefern sollte aus Sicht der Bundesregierung in den Diskussionen zur Um-
setzung und Durchführung der Vereinbarung unterschieden werden, ob sich
eine Regierung mit einem anderen Land in einem bewaffneten Konflikt be-
findet oder nicht?

13. Auf welche Weise sollte eine Regierung aus Sicht der Bundesregierung über
eine Anordnung zur Tötung entscheiden dürfen?

14. Inwiefern sollte aus Sicht der Bundesregierung in den Diskussionen zur Um-
setzung und Durchführung der Vereinbarung eine Abgrenzung vorgenom-
men werden, ob Einsätze bewaffneter Drohnen der Strafverfolgung tatver-
dächtiger Zivilpersonen gelten dürfen?

15. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, ob ein „bewaffneter
Angriff“ i. S. d. Artikels 51 UN-Charta, der das Selbstverteidigungsrecht
auslöst, auch durch nichtstaatliche Akteure erfolgen kann?

16. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, ob die UN-Charta
ein Recht auf „präventive Selbstverteidigung“ einräumt bzw. in diesem
Sinne auszulegen ist und falls ja, was sind die Kriterien hierfür?

17. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern eine Ver-
einbarung bzw. ein Abkommen zum verantwortungsbewussten und nicht
missbräuchlichen Umgang mit bewaffneten Drohnen auch die Frage der
„präventiven Selbstverteidigung“ behandeln sollte?

18. Inwiefern und mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung die vom In-
ternationalen Komitee vom Roten Kreuz herausgegebene Studie geprüft, die
unter anderem beschreibt, dass Kampfeinsätze einer bewaffneten Drohne
nach Artikel 51 UN-Charta an den UN-Sicherheitsrat gemeldet werden
müssten (www.icrc.org/en/international-review/article/pandoras-box-drone-
strikes-under-jus-ad-bellum-jus-bello-and, Seite 605)?

19. Sofern die Bundesregierung eine solche Prüfung nicht vornahm, welche Hal-
tung vertritt sie zur Frage unter welchen Umständen der UN-Sicherheitsrat
in Kampfeinsatz einer bewaffneten Drohne eingebunden werden müsste oder
wenigstens sollte?

20. Auf welche Weise könnten die Käufer bewaffneter Drohnen aus Sicht der
Bundesregierung (etwa durch den Beitritt zu einschlägigen Konventionen)
bestätigen, dass die Drohnen im Rahmen bestehender internationaler Rege-
lungen eingesetzt werden?

21. Welche Staaten haben die US-geführte Vereinbarung zum verantwortungs-
bewussten und nicht missbräuchlichen Umgang mit bewaffneten Drohnen
nach Kenntnis der Bundesregierung mittlerweile unterschrieben, und welche
Staaten wurden angefragt, verweigerten aber die Unterschrift?

22. Wann und wo sollen die Diskussionen zur Umsetzung und eines verantwor-
tungsbewussten und nicht missbräuchlichen Umgangs mit bewaffneten
Drohnen beginnen?

23. Mit welchem zivilen oder militärischen Personal wird sich die Bundesregie-
rung an diesen Diskussionen beteiligen?

24. Inwiefern hält die Bundesregierung die US-Regierung mit ihrer Politik fern-
gesteuerter außergerichtlicher Hinrichtungen für glaubwürdig, eine Verein-
barung bzw. ein Abkommen zum verantwortungsbewussten und nicht miss-
bräuchlichen Umgang mit bewaffneten Drohnen zu initiieren oder anzufüh-
ren?

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25. Aus welchen Erwägungen ist auch die Bundesregierung der Ansicht oder

nicht der Ansicht, dass die US-Regierung mit der Politik ferngesteuerter au-
ßergerichtlicher Hinrichtungen seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts
politische Maßstäbe zum Einsatz bewaffneter Drohnen auch für andere Staa-
ten gesetzt hat?

26. Inwiefern wird sich die Bundesregierung im Rahmen der Diskussionen zur
Umsetzung und Durchführung der Vereinbarung auch dafür einsetzen, dass
zurückliegende Einsätze ferngesteuerter Hinrichtungen verurteilt werden,
und die infrage kommenden Staaten sanktioniert werden?

27. Inwiefern sollten die Diskussionen zur Umsetzung und Durchführung der
Vereinbarung aus Sicht der Bundesregierung auch dazu führen, dass die un-
terzeichnenden Staaten eine gemeinsame Sperrliste für den Verkauf bewaff-
neter Drohnen führen?

28. Inwiefern hält es die Bundesregierung für nötig oder entbehrlich, dass die
Diskussionen zur Umsetzung und Durchführung der Vereinbarung nicht nur
bewaffnete Drohnen, sondern auch die am Boden oder im Weltall nötige
Technologie zum Betrieb der Fluggeräte behandeln?

29. Inwiefern könnten die Diskussionen zur Umsetzung und Durchführung der
Vereinbarung zum verantwortungsbewussten und nicht missbräuchlichen
Umgang mit bewaffneten Drohnen aus Sicht der Bundesregierung an einer
Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates anknüpfen,
die sich gegen völkerrechtswidrige Einsätze von Kampfdrohnen richtet?

Berlin, den 17. Oktober 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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