BT-Drucksache 17/9988

zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Eva Bulling-Schröter, Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/9732 - Rio+20 - Globale Gerechtigkeit statt grüner Kapitalismus

Vom 13. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9988
17. Wahlperiode 13. 6. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Eva Bulling-Schröter, Ulla Lötzer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/9732 –

Rio+20 – Globale Gerechtigkeit statt grüner Kapitalismus

A. Problem

20 Jahre nach der ersten Konferenz der Vereinten Nationen (VN) über Umwelt
und Entwicklung (UNECD) in Rio de Janeiro fällt die Bilanz des Erreichten
nach Auffassung der Antragsteller negativ aus. Statt der erhofften nachhaltigen
Entwicklung hätten sich die soziale Ungleichheit weltweit verschärft, die Ver-
armung immer größerer Bevölkerungsgruppen beschleunigt und die Wirtschaft
sei in die tiefste Krise seit Jahrzehnten geraten. Die Europäische Union habe
mit ihrem strikten Sparkurs diese Krise noch verschärft.

Hinzu komme die ökologische Krise. Der Raubbau an den natürlichen Ressour-
cen, die Zerstörung der Umwelt und der Wandel des Klimas seien in den letzten
20 Jahren nicht etwa gestoppt oder zurückgedrängt, sondern sogar noch verstärkt
worden. Die ökologische Schuld des Nordens gegenüber dem Süden sei durch
einen um ein Vielfaches größeren Energie- und Rohstoffverbrauch weiter ange-
wachsen. Dadurch hätten die internationalen Verteilungskämpfe um Ressourcen
an Schärfe zugenommen. Hinzu komme der Umstand, dass rund 1 600 Mrd. US-
Dollar weltweit jährlich für Rüstung ausgegeben würden, ein Vielfaches von
dem, was für die Bekämpfung von Hunger und Armut aufgebracht werde.

Statt der notwendigen kritischen Bestandsaufnahme und radikalen Abkehr vom
bisherigen Entwicklungsweg, so die Einschätzung der Antragsteller, zielten die
in Rio de Janeiro zur Beratung stehenden Dokumente darauf ab, sämtliche Be-
reiche des Lebens der Marktlogik zu unterwerfen. Mit der Umsetzung der soge-
nannten grünen Wirtschaft würden sozial-ökologische Konflikte hervorgerufen
und „neokoloniale Abhängigkeiten“ verstärkt.
Auch die Strukturen der Vereinten Nationen (VN) im Umwelt- und Nachhaltig-
keitsbereich trügen zum „Ausverkauf der Natur und öffentlichen Güter“ und
damit zur Vergrößerung der globalen Ungleichheit bei. Darum hätten sich in
vielen Teilen der Welt soziale Bewegungen gegründet, die für einen sozialen
und demokratischen Wandel, für eine neue Form solidarischen Wirtschaftens
eintreten würden und alternative Vorstellungen zum Konzept der „grünen Wirt-
schaft“ erprobten.

Drucksache 17/9988 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

E. Bürokratiekosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9988

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/9732 abzulehnen.

Berlin, den 13. Juni 2012

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Helga Daub
Amtierende Vorsitzende

Helmut Heiderich
Berichterstatter

Dr. Bärbel Kofler
Berichterstatterin

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Harald Leibrecht
Berichterstatter

Ute Koczy
Berichterstatterin

zung am 13. Juni 2012 beraten. gehe völlig an der Realität vorbei. Es komme gerade darauf
Der Auswärtige Ausschuss und der Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und

an, eine Partnerschaft zwischen Öffentlichen und Privaten
in gemeinsamen Projekten zu entwickeln. Insofern werde
man diesen Antrag ablehnen.

Die Fraktion der SPD sieht diesen Antrag zur richtigen
Drucksache 17/9988 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Helmut Heiderich, Dr. Bärbel Kofler, Heike Hänsel,
Harald Leibrecht und Ute Koczy

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
17/9732 in seiner 181. Sitzung am 24. Mai 2012 beraten
und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung zur federführenden Beratung und an den
Auswärtigen Ausschuss, den Finanzausschuss, den Aus-
schuss für Wirtschaft und Technologie und den Ausschuss
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Mitbe-
ratung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert,
sich auf der VN-Konferenz „Rio+20“ für eine Umwidmung
von Rüstungsetats zugunsten der Bekämpfung von Hunger
und Armut einzusetzen. Insbesondere gehe es darum, eine
radikale Veränderung der wirtschaftlichen Beziehungen
zwischen den Staaten des Nordens und des Südens einzulei-
ten. Entsprechend sollen auf dieser VN-Konferenz auch die
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsziele (SDG) ver-
ankert werden. Zur Kompensierung der Folgen einer ökono-
misch asymmetrischen Nord-Süd-Beziehung soll ein Fonds
sowie eine in die VN integrierte Kartellbehörde eingerichtet
werden. Nicht zuletzt müsse es zu einer Demokratisierung
der VN durch eine Stärkung der Generalversammlung kom-
men.

Auf europäischer Ebene gehe es darum, die laufenden Ver-
handlungen über Freihandelsabkommen in Verhandlungen
über entwicklungsförderliche Handelsabkommen zu über-
führen. Ferner sollen die EU-Agrarsubventionen eingestellt
und der Import von Agrokraftstoffen aus Ländern des Sü-
dens vorübergehend ausgesetzt werden.

Auf internationaler Ebene soll die Bundesregierung sich für
einen umfassenden Schuldenerlass, für ein Verbot der Spe-
kulation mit Nahrungsmitteln, für die Einführung einer glo-
balen Finanztransaktions- und Kohlendioxidsteuer einset-
zen. Des Weiteren soll die Bundesregierung dafür plädieren,
dass ein globaler Technologie-, Wissens- und Erfahrungs-
transfer von Nord nach Süd ermöglicht wird.

III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat die Vorlage 17/9732 in
seiner 62. Sitzung, der Finanzausschuss hat die Vorlage 17/
9732 in seiner 90. Sitzung, der Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie hat die Vorlage 17/9423 in seiner 72. Sit-
zung und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Re-
aktorsicherheit hat die Vorlage 17/9732 in seiner 75. Sit-

Der Finanzausschuss und der Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie empfehlen mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, den Antrag abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat die Vorlage auf Drucksache 17/9732 in
seiner 63. Sitzung am 13. Juni 2012 beraten. Er empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD, den Antrag abzulehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. verweist darauf, dass das in
„Rio+20“ zur Diskussion stehende Konzept einer „Green
Economy“ von vielen Basisorganisationen und sozialen Be-
wegungen zu Recht abgelehnt werde, weil es die Grundidee
von Rio 1992 auf den Kopf stelle. Hiermit würde im Kern
für eine Fortsetzung neoliberaler Globalisierungspolitik plä-
diert. Die aber habe zu einer Ausbeutung der natürlichen
Ressourcen geführt. Insofern gehe es um Alternativen, wie
sie auf dem Alternativgipfel zur Rio-Konferenz diskutiert
und in ihrem Antrag formuliert würden. Bei der Beantwor-
tung der großen Fragen des 21. Jahrhunderts werde es sehr
viel um Umverteilung des bestehenden Reichtums und die
Sicherung des Zugangs zu Ressourcen gehen müssen.
Hinzu komme eine notwendige Umsteuerung der Rüstungs-
ausgaben in die Entwicklung und in den Klimaschutz. Man
brauche ein Umdenken hin zu einer solidarischen, ökolo-
gischen Ökonomie. Der privatwirtschaftlich ausgerichtete
Ansatz der Public-Private-Partnership-Projekte (PPP), ins-
besondere die marktorientierten Umweltdienstleistungen,
müssten hinsichtlich ihrer tatsächlichen Wirkungen drin-
gend auf den Prüfstand. Man fordere die Stärkung der VN
und die Einrichtung eines Kompensationsfonds. Das sei ein
wirksames Instrument der Umverteilung der Mittel vom
Norden in den Süden.

Die Fraktion der CDU/CSU kritisiert, die Darstellungen
im Antrag würden weder die Ausgangslage zutreffend be-
schreiben noch einen Beitrag dazu leisten, den in Rio 1992
begonnenen Prozess voranzubringen. Man habe bereits im
September letzten Jahres einen gemeinsamen Antrag einge-
bracht, mit denen die Schwerpunkte für „Rio+20“ aufge-
zeigt worden seien. Dazu gehörten beispielsweise die Neu-
ausrichtung auf ein „grünes Wachstum“ und die Aufnahme
des Schwerpunktthemas Ernährung sowie die Stärkung ver-
schiedener Organisationen der VN. Die Kritik an den PPP
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD, den Antrag abzulehnen.

Zeit gestellt. Sie teilt auch die Auffassung, dass „grünes
Wachstum“ alleine noch nicht eine nachhaltige Entwicklung

Berlin, den 13. Juni 2012

Helmut Heiderich
Berichterstatter

Harald Leibrecht
Berichterstatter
aber es gebe auch Zielbereiche, wo man erhebliche Fort-
schritte gemacht habe, beispielsweise in der Armutsbe-
kämpfung, der Versorgung mit sauberem Wasser und im Be-
reich erneuerbarer Energien. Bei den PPP gebe es ebenfalls
viele gute Beispiele, wo es beim Engagement der Wirtschaft
nicht um Gewinn gehe, sondern darum, dass sich ein Land
entwickeln könne. Man werde diesen Antrag deshalb nicht
unterstützen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wendet ein,
der Kapitalismus als Wirtschaftsform werde nicht dadurch
besser, dass man ihn „grün“ anstreiche. Insofern brauche
man in „Rio+20“ eine klare Definition von „Green Eco-
nomy“. Ihrer Einschätzung nach stehe man derzeit vor
einem Kollaps, und der Kapitalismus sei mit verantwortlich
dafür, dass man das 2-Grad-Ziel nicht erreiche. Man teile
zwar nicht den Duktus des Antrags, aber sehr wohl die auf-
gezeigte Richtung: Abrüstung für Nachhaltige Entwicklung,
Umwidmung der EU-Freihandelsabkommen, Wissenstrans-
fer von Nord nach Süd, Schuldenerlass. Man teile auch die
Skepsis gegenüber den PPP. Darum werde man, auch wenn
man einen eigenen Antrag gemeinsam mit der Fraktion der
SPD einbringe, diesem Antrag zustimmen. Man begrüße
den aktuellen Vorschlag der EU zu einer „Inclusive Green
Economy“. Diese müsse soziale, ökologische, menschen-
rechtliche und geschlechtergerechte Leitplanken verbind-
lich verankern.

Dr. Bärbel Kofler
Berichterstatterin

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Ute Koczy
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9988

befördere und die Armutsbekämpfung vorantreibe. Man
habe selbst gemeinsam mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN einen Antrag gestellt, der noch in dieser Woche
im Plenum beraten werde. Darin werde viel detaillierter auf
die verschiedenen Problemfelder eingegangen und definiert,
was eine „Inclusive Green Economy“ sein könnte. Dazu ge-
höre die Einbeziehung der sozialen Dimension, wie soziale
Sicherung, Armutsbekämpfung, nachhaltiges Wachstum,
Dekarbonisierung. Man müsse auch darüber nachdenken,
wie man unter Einbeziehung aller Beteiligten mit einer
Überführung der MDG in SDG umgehe. Darum werde man
sich bei der Abstimmung enthalten.

Die Fraktion der FDP moniert, der Antrag sei sehr ideolo-
gisch gefärbt. Er berücksichtige zudem viel zu wenig, was
in den letzten Jahren erreicht worden sei. Man wisse, dass
man bei den MDG in einigen Bereichen hinterherhinke,

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