BT-Drucksache 17/9822

Aufrüstung der GSG 9 und deren Zusammenarbeit mit militärischen Kräften

Vom 24. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9822
17. Wahlperiode 24. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine
Buchholz, Annette Groth, Andrej Hunko, Stefan Liebich, Niema Movassat,
Paul Schäfer (Köln), Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Aufrüstung der GSG 9 und deren Zusammenarbeit mit militärischen Kräften

Die Spezialeinheit der Bundespolizei soll materiell aufgerüstet und in die Lage
versetzt werden, binnen 48 Stunden an nahezu jedem Ort der Welt einsatzbereit
zu sein. Dafür sollen private Vertragspartner sorgen.

In der Presseberichterstattung hierzu wird regelmäßig auf einen (gescheiterten)
Einsatz gegen Piraten vor der ostafrikanischen Küste im Jahr 2009 verwiesen.
Der Kampf gegen Piraterie wird auch von deutschen Sicherheitspolitikern im-
mer wieder als eine der größten Herausforderungen von Polizei wie auch Militär
dargestellt. Die Orientierung der GSG 9 auf den Schwerpunkt „Maritime Ob-
jekte“ im Rahmen des europäischen Verbundes von Spezialeinheiten ATLAS
spricht ebenfalls dafür, dass bei der Aufrüstung der GSG 9 Einsätze gegen (so-
malische) Piraten im Vordergrund stehen.

Die Fragesteller haben bereits in der Vergangenheit immer wieder die enge Zu-
sammenarbeit zwischen Polizei- und Militärkräften kritisiert. Die tendenzielle
Aufhebung des Trennungsgebotes von Polizei und Militär zumindest im Aus-
landseinsatz spiegelt sich in der Zusammensetzung des ATLAS-Verbundes
europäischer Polizeispezialkräfte wider, dem auch die (paramilitärischen) Gen-
darmeriekräfte einiger EU-Mitgliedstaaten angehören. Auch die GSG 9 arbeitet
Angaben von Soldaten zufolge immer wieder mit der Bundeswehr zusammen.
Seit Anfang des Jahres hält sich ein Angehöriger der GSG 9 bei der berüchtigten
US-Militäreinheit „Navy Seals“ auf, die verantwortlich für die unter ungeklärten
Umständen erfolgte Tötung von Osama bin Laden ist. Der GSG-9-Mann soll
beim US-Militär, das sich ausdrücklich die extralegale Tötung von Verdächtigen
offenhält, „neue Techniken der Terror-Bekämpfung mitentwickeln“, wie es An-
fang Januar 2011 in der Presse hieß (www.welt.de/politik/deutschland/article13
827651/GSG-9-Profi-wechselt-fuer-ein-Jahr-zu-den-Navy-Seals.html).

Die schnelle Verlegbarkeit der GSG 9 soll Angaben der „BILD Zeitung“ vom
30. Januar 2012 zufolge die Frachtfluggesellschaft Volga-Dnepr Group gewähr-
leisten. Diese gehört zur Firmengruppe RUSLAN SALIS GMBH, die am Leip-
ziger Flughafen eine vergleichbare Flugbereitschaft bereits für die Bundeswehr

anbietet.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Neuanschaffungen sowie Optimierungen vorhandener Ausrüstung
sind für die GSG 9 vorgesehen (bitte inklusive Zeitangaben detailliert auflis-
ten), und welche Kosten werden hierfür erwartet?

Drucksache 17/9822 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Mit welchen Firmen wurden Vereinbarungen getroffen bezüglich der raschen
Verlegbarkeit von Einheiten, bzw. mit welchen Firmen laufen entsprechende
Verhandlungen, und bis wann wird der Abschluss erwartet?

a) Was wurde konkret hinsichtlich der Zahl binnen 48 Stunden verlegbarer
Polizisten, der Ausrüstung, der möglichen Zielgebiete und der Geschwin-
digkeit der Verlegung vereinbart, bzw. welche konkreten Vereinbarungen
strebt die Bundesregierung hierzu an?

b) Welche weiteren Verlegekapazitäten werden angestrebt?

c) Welche Transportmittel sollen hierzu bereitstehen?

d) Welche laufenden Kosten entstehen dem Bund voraussichtlich pro Monat
und Jahr für die Bereithaltung der Transportmittel?

e) Sollte die Meldung von „BILD“ zutreffen, derzufolge als Vertragspartner
die Frachtfluggesellschaft Volga-Dnepr Group vorgesehen ist, in welchem
Verhältnis steht das Abkommen bzgl. der GSG 9 zu ähnlichen Abkommen
der RUSLAN SALIS GMBH mit der Bundeswehr (Synergieffekte, Kos-
teneinsparungen)?

3. Welche möglichen Einsatzszenarien in welchen Regionen der Welt und wel-
che konkreten Erfahrungen liegen der Entscheidung, die Verlegefähigkeit zu
erhöhen, zugrunde?

4. Inwiefern beschränken sich die Einsatzszenarien im Falle von Geiselbefrei-
ungen auf die Befreiung

a) deutscher Geiseln und

b) von Geiseln auf deutschem Hoheitsgebiet (Schiffe, Botschaften, Flug-
zeuge)

bzw. gehen über diese Beschränkungen hinaus?

5. Inwiefern enthalten diese Einsatzszenarien auch ein direktes Vorgehen gegen
verdächtige Straftäter

a) auf Hoher See und

b) in fremdem Hoheitsgebiet?

6. Welche weiteren Voraussetzungen sollen für den Aufenthalt von GSG-9-An-
gehörigen im Einsatzgebiet geschaffen werden (Unterkünfte, Zelte, Trink-
wasseraufbereitung usw.)?

7. Inwiefern ist ein Zusammenhang der Einsatzszenarien bzw. der Überlegun-
gen, die der Verbesserung der Verlegefähigkeit zugrunde liegen, mit den
Aktivitäten von Piraten insbesondere vor der ostafrikanischen Küste ge-
geben?

8. Aus welchem Grund orientiert sich die GSG 9 innerhalb des ATLAS-Verbun-
des auf den Schwerpunkt „Maritime Objekte“, und welche Aktivitäten wur-
den hierbei bislang entfaltet, und welche weiteren sind geplant?

9. Welche einsatzbezogenen Formen der Zusammenarbeit hat es in den letzten
fünf Jahren zwischen GSG 9 und Bundeswehr gegeben (sowohl Einsätze im
Inland und Ausland berücksichtigen), und auf welcher Rechtsgrundlage
wurde dabei gehandelt?

Welche derartigen Zusammenarbeitsformen wurden geprobt (bitte Anzahl
von Manövern, Proben, Simulationen, Planspielen auflisten und die wesent-
lichen Inhalte angeben)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9822

10. Inwiefern können Einsätze der GSG 9 außerhalb Deutschlands von der
Bundeswehr unterstützt werden?

a) Inwiefern bestehen Überlegungen für gemeinsame Einsätze von Ange-
hörigen der GSG 9 und der Bundeswehr?

b) Inwieweit bestehen Überlegungen, solche gemeinsamen Einsätze auch
derart zu führen, dass beide Seiten, also sowohl Soldaten als auch Poli-
zisten, bewaffnet vorgehen?

c) Gäbe es für solche hybriden Einsätze nach Auffassung der Bundesregie-
rung eine Rechtsgrundlage, und wenn ja, welche?

d) Wie sollen bei solchen Hybrideinsätzen die Unterstellungs- und Kom-
mandobefugnisse geregelt werden, und inwiefern sieht die Bundesregie-
rung eine Rechtsgrundlage für die allfällige Unterstellung von Bundes-
polizisten unter militärisches Kommando?

11. Inwiefern können nach Auffassung der Bundesregierung Angehörige der
GSG 9 bei Einsätzen im Ausland logistische oder materielle Hilfe der
Bundeswehr erhalten inklusive der Überlassung von Transportmitteln und
Waffen, und welche Rechtsgrundlage gäbe es hierfür?

12. Inwiefern können nach Auffassung der Bundesregierung mutmaßliche
Straftäter, die von der GSG 9 festgenommen wurden, an Bord von Bundes-
wehrschiffen in Gewahrsam genommen werden und dort auch von Angehö-
rigen der Bundeswehr festgehalten (eingesperrt, bewacht) werden?

Inwiefern sind nach Auffassung der Bundesregierung Soldaten dazu befugt,
Fluchtversuche auch mit Schusswaffenanwendung zu unterbinden?

13. Inwiefern kann die GSG 9 nach Auffassung der Bundesregierung mit aus-
ländischen Militärs operativ zusammenarbeiten, und inwiefern sieht die
Bundesregierung eine Rechtsgrundlage für eine solche Zusammenarbeit
auch bei grundrechtseinschränkenden Einsätzen?

14. Trifft die Angabe auf der Homepage „soldatenglück.de“ zu, dass die GSG 9
in den letzten Jahren mehrfach Ausrüstung des Kommandos Spezialkräfte
der Bundeswehr erhalten hat, und wenn ja, um welche Ausrüstungsgegen-
stände handelt es sich (bitte nach Zeitpunkt und mit Angabe der jeweiligen
Anzahl auflisten), und welche konkreten Einsätze wurden damit von der
GSG 9 durchgeführt?

a) Inwiefern wurden hierbei auch Waffen oder Waffensysteme oder Muni-
tion überlassen?

b) Auf welcher Rechtsgrundlage basierte diese Kooperation?

15. Trifft die Angabe von „soldatenglück.de“ zu, dass die GSG 9 auch mehr-
fach Ausbildungen durch das Kommando Spezialkräfte (KSK) erhalten hat,
und wenn ja, um welche Ausbildungen handelt es sich dabei, und wie vielen
Angehörigen der GSG 9 kam sie jeweils zuteil?

16. Welche regelmäßigen und/oder institutionalisierten Kontakte gibt es zwi-
schen der GSG 9 und in- sowie ausländischen (para)militärischen Kräften
(bitte Präsenz in Gremien, Veranstaltungen usw. vollständig auflisten)?

17. Welche weiteren regelmäßigen und/oder institutionalisierten Kontakte zwi-
schen GSG 9 und (para)militärischen Kräften werden darüber hinaus ange-
strebt?

Drucksache 17/9822 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

18. Ist das auf Bundestagsdrucksache 17/4799 erwähnte, damals in Erarbeitung
befindliche Grundlagenpapier zur Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr
und Bundespolizei inzwischen fertiggestellt, und wenn ja, ist die Bundes-
regierung bereit, es dem Deutschen Bundestag vorzulegen (bitte ggf. als
Anlage beilegen)?

Falls die Bundesregierung nicht dazu bereit ist, warum nicht, und was sind
die wesentlichen Aussagen des Papiers?

19. Nach welchen Kriterien soll im konkreten Fall entschieden werden, ob die
Führung eines Einsatzes gegen mutmaßliche Kriminelle bzw. zur Befreiung
von Geiseln von der Bundeswehr oder der Bundespolizei zu übernehmen
ist, und wer ist im Zweifelsfall (bei Meinungsverschiedenheiten zwischen
den Ressorts, bei Nichterreichbarkeit einer Ressortleitung usw.) befugt,
diese Entscheidung zu treffen?

20. Warum ist ein Angehöriger der GSG 9 zu den US-Navy Seals abkomman-
diert worden?

a) Welche Überlegungen liegen der Entsendung zu einem militärischen
Spezialkommando zugrunde?

b) Inwiefern wird der GSG-9-Mann bei den Navy Seals an Einsätzen teil-
nehmen, und welchen Beschränkungen unterliegt er hinsichtlich der
Teilnahme an (auch bloßen Beobachtung von) Einsätzen, die extralegale
Hinrichtungen von Terrorverdächtigen, Folter oder Misshandlung von
Gefangenen beinhalten?

c) Inwiefern erachtet die Bundesregierung die Praxis des US-Militärs, des
Terrorismus verdächtige Personen extralegal (mit Spezialeinsatzkräften
oder Drohnen) zu töten, als lehrreich für deutsche Polizisten?

d) Welches Verhalten erwartet die Bundesregierung von dem GSG-9-Mann,
wenn dieser von völkerrechtswidrigen Maßnahmen des US-Militärs
bzw. deren Planung erfährt, und gehört zur Erwartung auch, dass er seine
Vorgesetzten bei der Bundespolizei oder andere deutsche Stellen be-
nachrichtigt?

e) Sind in der Vergangenheit bereits Angehörige der GSG 9 zu den Navy
Seals oder vergleichbarer Spezialeinheiten anderer Streitkräfte entsandt
worden (bitte Zeitraum, Einsatzorte, Einsatztruppe, Aufgabenstellungen
angeben und auflisten, an welchen Einsätzen wie viele GSG-9-Angehö-
rige beteiligt waren bzw. sie beobachtet haben)?

f) Welche Erwartungen hat die Bundesregierung hinsichtlich der „neuen
Techniken in der Terrorbekämpfung“, die von dem GSG-9-Angehörigen
mitentwickelt werden sollen?

21. Wann hat die in „Bundespolizei kompakt“ 1/2012 erwähnte Großübung mit
400 Teilnehmern, 12 Hubschraubern und neun Einsatzbooten „zur Befrei-
ung einer gekaperten Großraumfähre in der Ostsee vor Rostock-Warne-
münde“ stattgefunden?

a) Welche Mitgliedstaaten waren daran beteiligt?

b) Welche, und wie viele ausländische Kräfte waren daran beteiligt, und
wie viele hiervon gehören (para)militärischen Einheiten (Gendarmerien
usw.) an (bitte vollständig auflisten)?

c) Welches Szenario lag der Übung zugrunde, und inwiefern ähnelt es
anderen Szenarien wie etwa Piraterieangriffe vor Ostafrika?

22. Wo fand im November 2011 „eine weitere maritime Großübung unter Lei-

tung der spanischen Spezialeinheit UEI“ statt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9822

a) Welches Szenario lag der Übung zugrunde, und inwiefern weist es Ähn-
lichkeiten und Unterschiede zur Übung in der Ostsee sowie zu Szenarien
vor der ostafrikanischen Küste auf?

b) Trifft es zu, dass die UEI eine paramilitärische Einheit im Rahmen der
Guardia Civil ist, die dem spanischen Verteidigungsministerium unter-
stellt ist?

c) Wie lange dauerte die Übung?

d) Wie viele Kräfte waren insgesamt daran beteiligt, wie viele deutsche
Kräfte waren darunter?

e) Welche, und wie viele Kräfte hiervon gehörten paramilitärischen Einhei-
ten (Gendarmerien usw.) an (bitte vollständig auflisten)?

23. Welche Angaben kann die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt
über Ort, Zeitraum, Szenario und Teilnehmer der für 2013 geplanten euro-
paweiten Großübung machen?

a) Wer ist federführend mit der Vorbereitung dieser Übung (inhaltlich wie
organisatorisch) betraut, und inwiefern ist die Bundespolizei hieran be-
teiligt?

b) Wer soll die Übung leiten?

c) Inwiefern sollen militärische Kräfte außerhalb des ATLAS-Verbundes
daran mitwirken?

24. Welche weiteren Übungen sind derzeit angestrebt (bitte Datum, Ort, vo-
raussichtlichen Teilnehmerkreis unter Angabe polizeilicher und paramili-
tärischer Kräfte sowie Szenarien angeben)?

25. Hält die Bundesregierung für Einsätze der GSG 9 oder anderer Bundes-
polizeikräfte im Ausland sowie für deren Zusammenarbeit mit militäri-
schen Kräften die Schaffung neuer Rechtsgrundlagen für sinnvoll oder not-
wendig, und welche Initiativen will sie dazu entwickeln?

Berlin, den 24. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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