BT-Drucksache 17/9749

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/8801, 17/9617 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes

Vom 23. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9749
17. Wahlperiode 23. 05. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Oliver Krischer, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-
Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea
Steiner, Cornelia Behm, Harald Ebner, Kai Gehring, Bettina Herlitzius, Dr. Anton
Hofreiter, Sven-Christian Kindler, Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Friedrich
Ostendorff, Markus Tressel, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/8801, 17/9617 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist eine Hocheffizienztechnologie, die durch
die gleichzeitige Produktion von Strom und Wärme/Kälte einen unverzichtbaren
Beitrag zum Klimaschutz und zur Ressourcenschonung leistet. Die Anwen-
dungsmöglichkeiten der KWK reichen dabei von Kleinanlagen in Einfamilien-
häusern über mittelgroße Anlagen zur Versorgung von Stadtquartieren und klei-
neren Industrie- und Gewerbekomplexen bis hin zu Großanlagen der Fernwär-
meversorgung. Gerade für die Industrie, welche in der Regel einen konstant
hohen Bedarf an Strom und Wärme aufweist, sind KWK-Anlagen eine klima-
schonende Option zur Energieversorgung.

Im Hinblick auf die Herausforderungen der Energiewende kann die KWK eine
entscheidende Funktion im Stromsystem der Zukunft einnehmen. KWK kann
die Erzeugungskapazitäten bereitstellen, die wir zum Ausgleich der schwanken-
den erneuerbaren Energien benötigen. Das trifft vor allem auf dezentrale Anla-
gen, sog. Mikro- oder Mini-KWK-Anlagen mit einer Leistung von 1 bis 100 Ki-
lowatt zu. In Kombination mit ausreichend dimensionierten Wärmespeichern
und intelligenter Vernetzung sind diese flexiblen und hocheffizienten Anlagen
eine ideale Ergänzung zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, da es

technisch möglich ist, innerhalb von Sekunden oder wenigen Minuten eine
große Menge von Anlagen in das Netz zu bringen. In den kommenden Jahren
müssen Millionen veralteter und ineffizienter Heizungsanlagen ausgetauscht
werden. Statt nur Wärme zu erzeugen, sollte, wo immer möglich und sinnvoll,
der Keller zum Kraftwerk gemacht werden. Hier ist die Technik in den letzten
Jahren stark vorangeschritten. Mini- und Mikro-KWK-Anlagen passen in viele

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Keller und sind optisch und vom Platzbedarf kaum von normalen Gasheizungen
zu unterscheiden.

Trotz dieser Vorteile ist der Ausbau der KWK in den vergangenen Jahren kaum
vorangekommen. Der Deutsche Bundestag beschloss im Jahr 2007 mit der da-
maligen Koalitionsmehrheit der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, den Anteil
der KWK an der Stromerzeugung auf 25 Prozent bis zum Jahr 2020 zu steigern.
Erreicht werden sollte dies mithilfe des im Jahr 2008 novellierten Kraft-Wärme-
Kopplungsgesetzes (KWKG). Doch die darin vorgegebene restriktive Förde-
rung hat dazu geführt, dass der KWK-Ausbau in Deutschland auf einem Niveau
von ca. 15 Prozent stagniert, so dass das KWK-Ziel verfehlt werden wird, wenn
sich der Ausbau nicht deutlich beschleunigt.

Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die Bundesregierung daraus jahrelang
keine Konsequenzen gezogen hat. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU
und FDP wurde die KWK mit keinem Wort erwähnt. Auch im Energiekonzept
der Bundesregierung vom September 2010 taucht diese Technologie nur in einer
Randnotiz auf. Erst im Sommer 2011 wurden erste Änderungen am KWKG vor-
genommen, die allerdings ein erst kleiner Schritt waren.

Der Deutsche Bundestag hält eine darüber hinausgehende Novellierung des
KWKG für dringend geboten, um den Ausbau der KWK wirksam voranzubrin-
gen, indem die Rahmenbedingungen verbessert werden. Der von der Bundes-
regierung vorgelegte Gesetzentwurf enthält dazu einige positive Ansätze. An
manchen Stellen wurden durch rechtliche Klarstellungen und Präzisierungen
bisherige Hemmnisse aus dem Weg geräumt. Auch die Entbürokratisierung der
Förderbedingungen für Mikro-KWK sowie die Einführung einer Förderung von
Wärmespeichern sind richtige und wichtige Maßnahmen. Dennoch war der Ge-
setzentwurf der Bundesregierung an vielen Stellen unzureichend.

Die schwarz-gelbe Koalition hat im Rahmen der Ausschussberatungen ein Ein-
sehen gehabt und u. a. mit der Einführung einer vierten Vergütungsklasse für
Anlagen von 50 bis 250 kW, der Förderung von kleinen Wärmespeichern ab
einer Größe von 1 Kubikmeter Wasseräquivalent und der Aufhebung der Ein-
schränkung auf Nicht-Carbon-Leakage-Lieferanten bei der Kompensation für
die Belastungen des Emissionshandels richtige und wichtige Änderungen am
Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgenommen. Dennoch ist davon auszu-
gehen, dass der vorliegende Entwurf nicht die notwendigen Anreize schafft, da-
mit das 25-Prozent-Ziel erreicht wird. Diese Einschätzung wird auch von der
Fachwelt geteilt.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf, weitere ent-
scheidende Verbesserungen an dem Gesetzentwurf vorzunehmen. Diese Ände-
rungen können vorgenommen werden, ohne dass dadurch eine Erhöhung des
maximalen Fördervolumens von 750 Mio. Euro pro Jahr notwendig würde.
Im Jahr 2011 wurden von den zur Verfügung stehenden 750 Mio. Euro nur
ca. 152 Mio. Euro abgerufen. Es ist folglich ausreichender Spielraum für eine
Ausweitung der Förderung vorhanden. Angesichts der sehr niedrigen KWK-
Umlage von 0,002 Cent/kWh im Jahr 2012 stellen stärkere Anreize zum Ausbau
der KWK auch keine unverhältnismäßige Belastung für die Verbraucherinnen
und Verbraucher dar.

Die KWK-Technologie ist als Baustein der Energiewende zu wichtig, als das wir
es uns erlauben könnten, weitere Zeit zu verlieren. Eine Novelle des KWKG
muss daher nicht nur den gestiegenen Anlagenkosten, sondern auch der Rolle
der KWK in einem sich rasch wandelnden Energieversorgungssystem gerecht
werden. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht jedoch – von einem Ausgleich für
Anlagen, die dem Emissionshandel unterliegen, abgesehen – keine Erhöhung
der Zuschläge vor, welche den gestiegenen Anlagenkosten von etwa 30 Prozent

seit 2002 Rechnung trägt. Der Ausstieg aus der Atomenergie sowie der konse-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9749

quente Ausbau der erneuerbaren Energien haben einen Bedarf an flexiblen
Kraftwerkskapazitäten entstehen lassen, für welche die KWK auf Erd- oder Bi-
ogasbasis die klimaschonendste Variante darstellt. Dieser Anforderung wird der
Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht gerecht.

Da auch das von der Bundesregierung geplante Kraftwerksförderprogramm an
den Anforderungen der EU zu scheitern droht, stellt das KWKG ein zudem be-
währtes Instrument dar, um den Ausbau klimaschonender und flexibler Kraft-
werkskapazitäten zu fördern. Dabei besteht jedoch kein Bedarf mehr für den
Neubau von Kohlekraftwerken, egal ob mit oder ohne Wärmeauskopplung.
Kohlekraftwerke sind viel zu unflexibel, um kurzfristige Schwankungen bei der
Einspeisung aus erneuerbaren Energien auszugleichen, und verfügen über eine
deutlich schlechtere CO2-Bilanz als Anlagen auf der Basis von Biogas und auch
Erdgas. Die Förderung von Kohlekraftwerken durch das KWKG soll deshalb
beendet werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

den Gesetzentwurf wie folgt zu ergänzen:

• Die Zuschläge für alle Anlagenklassen werden gegenüber dem KWKG 2009
um 0,5 Cent/kWh erhöht. Neu errichtete KWK-Anlagen erhalten danach
folgende Zuschläge:

– Anlagen mit einer elektrischen Leistung unterhalb von 50 kW: 5,71 Cent/
kWh,

– Anlagen mit einer elektrischen Leistung von 50 kW bis 250 kW: 4,0 Cent/
kWh,

– Anlagen mit einer elektrischen Leistung von 250 kW bis 2 MW: 2,6 Cent/
kWh,

– Anlagen mit einer elektrischen Leistung größer 2 MW: 2,0 Cent/kWh.

• Die Förderung von KWK-Anlagen mit Braun- oder Steinkohle als Brennstoff
wird aus dem KWKG gestrichen.

• Es wird eine Verordnungsermächtigung eingeführt, um eine anbieterneutrale
Regelung zu definieren, welche besonders flexiblen KWK-Anlagen mit einer
Größe von bis zu 50 kW einen zusätzlichen Bonus von bis zu 2 Cent/kWh
gewährt. Dieser Bonus soll Anlagen gewährt werden, welche durch eine
Mindestanzahl an Volllaststunden, den Einsatz eines Wärmespeichers und
durch Fernsteuerung besonders lastfolgefähig sind.

• Die Mindestauslegung für förderfähige, kleine Wärmespeicher in § 5b (neu)
wird von 0,3 Kubikmetern pro Kilowatt der installierten elektrischen Leis-
tung auf 0,1 Kubikmeter pro Kilowatt der installierten elektrischen Leistung
abgesenkt.

• Das maximale Fördervolumen für Wärmespeicher wird von 5 Mio. Euro auf
10 Mio. Euro pro Projekt angehoben.

• Maßgebliches Datum für den Beginn der Förderung eines Wärmespeichers
ist nicht der Baubeginn, sondern die Inbetriebnahme.

• Die Regelung für modernisierte Anlagen wird derjenigen für Nachrüstungen
angepasst:

Betreiber von modernisierten hocheffizienten Anlagen haben ab Aufnahme
des Dauerbetriebs einen Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags für die Dauer
von 10 000 Vollbenutzungsstunden, wenn die Kosten der Modernisierung
mindestens 10 Prozent der Kosten für die Neuerrichtung der KWK-Anlage

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betragen, sofern die Modernisierungsmaßnahme die Effizienz der Anlage
nachweislich erhöht.

• Die Beschränkung der Förderung des Ausbaus von Wärmenetzen auf maxi-
mal 10 Mio. Euro pro Projekt in § 7a Absatz 1 Satz 4 KWKG wird gestrichen.

• Für die Betreiber von Pflanzenöl-Blockheizkraftwerken (BHKW) soll es
künftig möglich sein, zwischen den Vergütungsregimes des Erneuerbare-
Energien-Gesetzes und des KWKG zu rangieren. Damit kann verhindert wer-
den, dass bei zu hohen Pflanzenölpreisen mehrere 100 Megawatt BHKW-
Kapazitäten stillliegen, obwohl diese zur Stabilisierung der Stromversorgung
beitragen könnten.

• Abwärme aus Industrieprozessen lässt sich häufig nicht sinnvoll thermisch
nutzen. Über neuere Verfahren wie z. B. ORC (Organic-Rankine-Cycle-Pro-
zess), lässt sich damit immer noch Strom erzeugen. Im KWKG sollten daher
gezielt Anreize zur Stromerzeugung aus Abwärme gesetzt werden; dabei soll
die thermische Nutzung der Energie jedoch weiterhin Vorrang genießen.

• Das Mini-KWK-Impulsprogramm für Anlagen der Größenordnung bis 20 kW
ist aus der haushaltsabhängigen Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundes
ins KWKG zu überführen, da die bisherige Praxis Ein- und Aussetzung des
Programms durch die Bundesregierung zu Attentismus geführt und damit
wichtige Investitionen in diese Klimaschutztechnologie verhindert hat.

Berlin, den 22. Mai 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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