BT-Drucksache 17/9712

Kenntnisstand zum Gebrauch, zur Bewertung und zu den Risiken der elektronischen Zigarette

Vom 21. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9712
17. Wahlperiode 21. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Tobias Lindner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kenntnisstand zum Gebrauch, zur Bewertung und zu den Risiken der
elektronischen Zigarette

Seit einigen Jahren sind auf dem Markt so genannte elektronische Zigaretten
(E-Zigarette) verfügbar. Sie ähneln in der Form herkömmlichen Zigaretten und
bestehen aus einem Applikator und einer austauschbaren Kartusche mit der
Wirkflüssigkeit („Liquid“). Der Applikator enthält eine Stromquelle, einen Ver-
nebler und die Steuerungselektronik. Beim Saugen am Mundstück wird die
elektronische Zigarette aktiviert und das Liquid vernebelt. Das Liquid besteht in
der Regel hauptsächlich aus Propylenglykol. Des Weiteren werden Nikotin,
Aromen, Ethanol und Glycerin zugesetzt. Einige Produkte enthalten kein Niko-
tin. Neben Liquids mit Tabakaromen werden auch solche mit Frucht- oder ande-
ren Lebensmittelaromen angeboten. Viele Produkte werden mit vermeintlichen
gesundheitlichen Vorteilen gegenüber Zigaretten beworben. Die Gesundheitsbe-
hörden mehrerer Bundesländer haben elektronische Zigaretten als nicht zugelas-
sene Arzneimittel eingestuft und deren Handel sowie Verkauf verboten. Das
Oberverwaltungsgericht Münster hat dieser Auffassung allerdings am 23. April
2012 widersprochen und entschieden, dass die E-Zigarette und ein nikotinhal-
tiges Liquid weder dem Arzneimittelgesetz noch dem Medizinproduktegesetz
unterfallen (Az. 13 B 127/12). Vom Arzneimittelgesetz nicht erfasst seien solche
Produkte, mit denen primär andere Zwecke verfolgt werden, wie beispielsweise
Ernährungs- oder Genusszwecke. Das Arzneimittelrecht sei erst anwendbar,
wenn für ein Produkt bereits im Zeitpunkt der Herstellung eindeutig feststeht,
dass seine künftige Zweckbestimmung ausschließlich darin besteht, durch An-
wendung im menschlichen Körper – wenn auch erst im notwendigen Zusam-
menwirken mit einem anderen Stoff – arzneilichen Zwecken zu dienen. Ähnlich
hatte auch das Verwaltungsgericht Köln geurteilt (Az. 7 K 3169/11).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bewertet die Bundesregierung den vorhandenen wissenschaftlichen Erkennt-
nisstand zu möglichen gesundheitlichen Risiken der elektronischen Zigarette
als ausreichend?

Wenn nein, was beabsichtigt die Bundesregierung konkret zu tun, um den

wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu verbessern?

2. Beabsichtigt die Bundesregierung eigene Untersuchungen zur Anzahl und
zur sozialen Differenzierung der Konsumentinnen und Konsumenten der
elektronischen Zigarette?

Wenn ja, wann und durch wen?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/9712 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Beabsichtigt die Bundesregierung eigene Untersuchungen bzw. Befragungen
zu Motiven für den Konsum der elektronischen Zigarette?

Wenn ja, wann und durch wen?

Wenn nein, warum nicht?

4. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung wissenschaftliche Untersuchun-
gen, die die Förderung des Einstiegs in den Tabakkonsum durch die elektro-
nische Zigarette belegen?

Wenn ja, welche sind dies?

Wenn nein, wird die Bundesregierung hierzu eigene Untersuchungen veran-
lassen?

5. a) Welche wissenschaftlichen Untersuchungen gibt es nach Kenntnis der
Bundesregierung zu den mittel- und langfristigen gesundheitlichen Risi-
ken der in nikotinhaltigen Liquids enthaltenen Aromen?

b) Nach welchen Kriterien und mit welchen Methoden werden nach Kennt-
nis der Bundesregierung die toxikologischen Risiken der in der elektroni-
schen Zigarette enthaltenen Stoffe bestimmt?

c) Ist die Bestimmung gesundheitlicher Risiken elektronischer Zigaretten
nach Kenntnis der Bundesregierung Bestandteil großer epidemiologischer
Untersuchungen wie der EPIC-Studie (EPIC: European Prospective
Investigation into Cancer and Nutrition) der International Agency for Re-
search on Cancer?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Erkenntnisse liegen hieraus vor?

6. a) Inwieweit sind nach Auffassung der Bundesregierung die Untersuchungs-
methodik und die Untersuchungsergebnisse zur Risikobewertung von
Wasserpfeifen auf elektronische Zigaretten übertragbar?

b) Wurde in Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR)
bei Wasserpfeifen zwischen Tabakerhitzungssystemen mit Kohle und sol-
chen auf elektrischer Basis hinsichtlich der Schadstoffexposition differen-
ziert, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

7. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung spezifische Präventionspro-
gramme für die Gebraucher der elektronischen Zigarette?

Wenn nein, warum nicht?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die jeweilige rechtliche
Bewertung in den Bundesländern (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)?

9. a) Hält die Bundesregierung angesichts der in der Vorbemerkung der Frage-
steller genannten Urteile an ihrer in der Antwort auf die Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/8772 genannten
Auffassung fest, wonach die für den Betrieb der E-Zigarette bestimmten
Nikotintanks oder -liquids aufgrund der pharmakologischen Wirkung des
Stoffes Nikotin dem Arzneimittelgesetz unterfallen?

Wenn ja, mit welcher rechtlichen Begründung?

b) Welche Konsequenzen hätte die Einstufung als Arzneimittel im Hinblick
auf die Regulierung und Deklarierung der in den nikotinhaltigen Liquids
enthaltenen Zusatzstoffe, die Regulierung der Verfügbarkeit und Werbung
sowie den Jugendschutz?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9712

10. a) Warum scheidet aus Sicht der Bundesregierung eine Einstufung nikotin-
haltiger Liquids als Medizinprodukte, wie in Frankreich und Dänemark
unter bestimmten Voraussetzungen praktiziert, in Deutschland aus?

b) Welche Konsequenzen hätte eine Einstufung als Medizinprodukt im Hin-
blick auf die Regulierung und Deklarierung der in den nikotinhaltigen
Liquids enthaltenen Zusatzstoffe, die Regulierung der Verfügbarkeit und
Werbung sowie den Jugendschutz?

11. a) Welches sind die Gründe, die aus Sicht der Bundesregierung eine Ein-
stufung nikotinhaltiger Liquids als Tabakerzeugnis im Sinne des § 3 Ab-
satz 1 des Vorläufigen Tabakgesetzes ausscheiden lassen, wenn das
Nikotin aus Rohtabak bzw. unter Verwendung von Rohtabak hergestellt
wurde und zum Inhalieren bestimmt ist?

b) Ist das Inhalieren nikotinhaltiger Liquids nach Auffassung der Bundes-
regierung dem anderweitigen oralen Gebrauch von Tabakerzeugnissen
im Sinne des § 3 Absatz 1 des Vorläufigen Tabakgesetzes zuzuordnen?

Wenn nein, warum nicht?

c) Welche Konsequenzen hätte die Einstufung nikotinhaltiger Liquids als
Tabakerzeugnis im Hinblick auf die Regulierung und Deklarierung der
in den nikotinhaltigen Liquids enthaltenen Zusatzstoffe, die Regulierung
der Verfügbarkeit und Werbung sowie den Jugendschutz?

12. a) Warum kommt aus Sicht der Bundesregierung die Unterstellung nikotin-
haltiger Liquids unter das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch
(LFGB) nicht infrage?

b) Welche Konsequenzen hätte eine Unterstellung nikotinhaltiger Liquids
unter das LFGB im Hinblick auf die Regulierung und Deklarierung der
in den nikotinhaltigen Liquids enthaltenen Zusatzstoffe, die Regulierung
der Verfügbarkeit und Werbung sowie den Jugendschutz?

13. a) Wie sind die Applikatoren aus Sicht der Bundesregierung rechtlich ein-
zuordnen, wenn diese für die Inhalation nikotinfreier Liquids gedacht
sind?

b) Wie können aus Sicht der Bundesregierung einzeln vertriebene Applika-
toren, die zur Inhalation nikotinfreier Liquids bestimmt sind, von denen
unterschieden werden, die zur Inhalation nikotinhaltiger Liquids be-
stimmt sind?

Berlin, den 21. Mai 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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