BT-Drucksache 17/9684

Kooperation von Rechtsextremen und Rockerclubs

Vom 16. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9684
17. Wahlperiode 16. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Agnes Alpers, Petra Pau, Jens Petermann,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Kooperation von Rechtsextremen und Rockerclubs

Nach außen pflegen Rechtsextreme gerne das Image des Saubermannes mit For-
derungen nach harten Strafen für Kriminelle. Doch gleichzeitigt zeigt sich eine
zunehmende Kooperation von Neonazis und Rockerclubs, von denen einige tief
in die Organisierte Kriminalität verstrickt sind. Zwischen Neonazis und Rockern
(Motorradclubs – MC) gebe es „personelle Verflechtungen, gemeinsame Akti-
vitäten und einzelfallbezogene Kooperationen“ auf lokaler Ebene, heißt es in
einem von verschiedenen Medien zitierten und von der Behörde als vertraulich
eingestuften Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA) zu „Verbindungen von
Rechtsextremen und Rockern“ vom 8. Juni 2010. „Eine nachhaltige Politisie-
rung der Rocker durch Rechtsextremisten“ sei allerdings „bislang nicht erfolgt“.
Im Vordergrund ständen gemeinsame finanzielle Interessen. Rocker überneh-
men demnach bei rechtsextremen Veranstaltungen den Ordnerdienst oder ver-
mieten ihre Clubgelände für Rechtsrockkonzerte. Auf diese Weise gelinge es,
„die Konzerte von der Öffentlichkeit abzuschirmen und staatliche Maßnahmen
zu erschweren“, so das BKA (www.focus.de/politik/deutschland/bka-bericht-
rocker-halten-neonazis-den-ruecken-frei_aid_523908.html).

Zu beobachten ist eine „Mischszene“ von Neonazis und Rockern, die etwa in der
gemeinsamen Organisation und dem Besuch von Rechtsrockkonzerten, dem
Betrieb von Ladengeschäften, Gaststätten und Tattoostudios besteht. Zudem
treten langjährige Angehörige der rechtsextremen Szene offenbar vermehrt MC
bei. So gehört NPD-Bundesvorstandsmitglied Sascha Roßmüller zur Führung
des Bandidos-Chapter im bayerischen Regensburg (http://blog.zeit.de/
stoerungsmelder/2010/03/04/der-braune-biker-aus-der-pfalz_2857). In Berlin
registrieren Sicherheitsbehörden den Beitritt von Aktivisten der rechtsextremen
Szene zum Darkside-Chapter des Gremium MC im Stadtteil Schöneweide, das
von ehemaligen Führungsfunktionären der 1995 verbotenen Freiheitlichen
Deutschen Arbeiterpartei (FAP) geleitet wird. Zwischen 2007 und 2010 wurden
nach Angaben von Innensenator Frank Henkel in Berlin zudem 40 rechtspoli-
tisch motivierte Straftaten von Rockern begangen (www.taz.de/!89814/).

Bei Ermittlungen wegen „milieutypischer Straftaten im Bereich der Rockerkri-
minalität“ wurden „hinreichende Erkenntnisse zur engen Verbindung der ‚Red

Devils‘ zur rechten Szene aufgedeckt“, erklärte der Polizeiliche Staatsschutz
nach einer Razzia bei Mitgliedern des als Unterstützerclub der Hells Angels
dienenden Red Devils MC in Salzwedel (Sachsen-Anhalt) im September 2011.
So soll der MC in Salzwedel von einem Führer der neonazistischen „Kamerad-
schaft Freie Nationalisten Altmark West“ geleitet werden. Auch in niedersäch-
sischen und thüringischen Red-Devils-Chapters sollen Rechtsextreme aktiv sein

Drucksache 17/9684 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

(www.volksstimme.de/nachrichten/sachsen_anhalt/439796_Razzia-bei-Red-
Devils-in-Salzwedel-Allianz-zwischen-Rockern-und-Rechten.html).

„Als Einzelfälle verharmlosen das die Landesämter für Verfassungsschutz“, kri-
tisierte das ZDF-Magazin „Frontal 21“ am 18. Oktober 2011 in einer Reportage
über die Verbindungen von Neonazis und Rockern das Verhalten der Sicher-
heitsbehörden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat die Bundesregierung
über rechtsextreme oder rechtsextrem durchsetzte Chapter, im Einzelnen

a) des Hells Angels MC,

b) des Bandidos MC,

c) des Gremium MC,

d) des Red Devils MC und

e) anderer MC (bitte benennen)?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine Beteiligung von
Rockerclubs oder einzelnen ihrer Chapter an Straftaten der Organisierten
Kriminalität?

a) des Hells Angels MC,

b) des Bandidos MC,

c) des Gremium MC,

d) des Red Devils MC und

e) anderer MC (bitte benennen)?

3. In wie vielen und welchen Fällen wurden seit dem Jahr 2000 Ermittlungsver-
fahren nach § 129a des Strafgesetzbuches (StGB) gegen Angehörige von MC
aufgrund möglicher Beteiligung an Straftaten der Organisierten Kriminalität
eingeleitet (bitte auch Anklageerhebungen, Verfahrenseinstellungen und Ver-
urteilungen nennen)?

4. In welchen Bundesländern wurden bislang welche MC aufgrund welcher
Vorwürfe verboten (bitte Zeitpunkt des Verbots angeben)?

5. Inwieweit und bei welchen MC oder Chapter von MC gibt es nach Kenntnis
der Bundesregierung explizite Abgrenzungen von MC von Rechtsextremen?

6. Welche Anhaltspunkte für eine strategische oder operative Zusammenarbeit
von Rechtsextremen und Rockern zum Erreichen politischer Ziele liegen der
Bundesregierung vor?

7. Welche Anhaltspunkte für eine strategische oder operative Zusammenarbeit
von Rechtsextremen und Rockern zum Erreichen wirtschaftlicher Ziele lie-
gen der Bundesregierung vor?

8. Wie viele Angehörige der rechtsextremen Szene sind nach Kenntnis der Bun-
desregierung Mitglieder in MC?

9. Inwieweit sieht die Bundesregierung einen bundesweiten Trend in Beitritten
von Rechtsextremisten zu MC?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9684

10. Inwieweit führt ein Beitritt von Rechtsextremen zu MC nach Beobachtung
der Bundesregierung zu einem Rückzug der betroffenen Personen aus der
politischen Aktivität?

11. Ist der Bundesregierung bekannt, ob und inwieweit es zu Konflikten zwi-
schen Rechtsextremen nach ihrem Eintritt in MC mit ebenfalls dort organi-
sierten Rockern mit Migrationshintergrund gekommen ist?

12. Wie viele und welche Rechtsrockkonzerte wurden seit 2007 in Kooperation
von Rechtsextremen und Rockern organisiert (bitte Datum, Orte, auftre-
tende Gruppen, Veranstalter und MC nennen)?

a) Wie viele Rechtsrockkonzerte fanden seit 2007 auf den Geländen von
MC statt?

b) Bei wie vielen und welchen Rechtsrockkonzerten seit 2007 traten
Rocker als Ordner auf?

c) Welche der Bundesregierung bekannten Musikgruppen treten sowohl in
der rechtsextremen als auch in der Rockerszene auf?

13. Auf wie vielen Aufzügen und sonstigen Veranstaltungen der rechtsextre-
men Szene seit 2007 wurden Angehörige der Rockerszene festgestellt (bitte
nach Datum, Orte, Art der Veranstaltung, Veranstalter und MC aufschlüs-
seln)?

14. Bei wie vielen Veranstaltungen der Rockerszene seit 2007 wurde eine Teil-
nahme von Rechtsextremen festgestellt (bitte nach Datum, Orte, Art der
Veranstaltung, Veranstalter und MC aufschlüsseln)?

15. Welche Geschäfte der rechtsextremen Szene bzw. auf eine rechtsextreme
Kundschaft spezialisierte Unternehmen sind der Bundesregierung bekannt,
die sich im Besitz von Mitgliedern der Rockerszene befinden?

16. Welche geschäftlichen Verbindungen und/oder personellen Überschneidun-
gen zwischen Mitgliedern der folgenden MC und der rechtsextremen Szene
sind der Bundesregierung bekannt

a) Hells Angels MC,

b) Bandidos,

c) Born to be Wild MC,

d) Gremium MC,

e) Outlaws,

f) Red Devils MC und

g) andere MC (bitte benennen)

(bitte nach Bundesländern und Art der Beziehung aufschlüsseln)?

17. Wie viele und welche rechtspolitisch motivierten Straftaten wurden seit
2007 von Angehörigen der Rockerszene begangen (bitte nach Bundeslän-
dern aufschlüsseln)?

18. In wie vielen und welchen Fällen waren Rechtsextreme seit 2007 in Straf-
taten der Organisierten Kriminalität verwickelt?

Berlin, den 16. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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