BT-Drucksache 17/9656

Erreichung der Energieeffizienzziele im Gebäudebereich

Vom 11. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9656
17. Wahlperiode 11. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ingrid Nestle, Daniela Wagner, Oliver Krischer,
Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter,
Sylvia Kotting-Uhl, Stephan Kühn, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Dr. Valerie Wilms, Britta Haßelmann
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erreichung der Energieeffizienzziele im Gebäudebereich

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 einen nahezu klimaneu-
tralen Gebäudebestand zu erreichen (Reduktion des Primärenergiebedarfs im
Gebäudebestand um 80 Prozent bis 2050) und die energetische Sanierungsrate
für Gebäude von derzeit jährlich etwa 1 Prozent auf 2 Prozent zu verdoppeln. In
diesem Jahr steht die Novellierung der Energieeinsparverordnung (EnEV) an,
wodurch die Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Ge-
bäuden sowie die Beschlüsse der Bundesregierung zum Energiekonzept umge-
setzt werden sollen. Bisher liegt ein erster gemeinsamer Arbeitsentwurf des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) vom 28. März
2012 vor, welcher in der Presse auch bereits umfangreich kommentiert wurde.

Im Integrierten Energie- und Klimaprogramm der Bundesregierung von 2007
wurde eine Verschärfung der EnEV um 30 Prozent in 2012 angestrebt. Mit der
Novelle der EnEV, so die Bundesregierung im 2. Energieeffizienz-Aktionsplan
der Bundesrepublik Deutschland vom Juli 2011, soll eine ambitionierte Erhö-
hung der Effizienzstandards für Gebäude erfolgen. In den „Eckpunkten Energie-
effizienz“, welche Teil des Paketes zur Energiepolitik der Bundesregierung vom
6. Juni 2011 sind, wird angekündigt, dass im Rahmen der Arbeiten zur Novelle
der EnEV 2012 geprüft wird, ob und inwieweit auch konkrete Nachrüstungsver-
pflichtungen bei Bestandsgebäuden ergänzt werden können. Außerdem kündigte
die Bundesregierung im selben Dokument die Konzeption eines langfristigen
Sanierungsfahrplanes für Bestandsgebäude an, welcher 2012 beginnen sollte und
bis 2050 kontinuierlich auf ein Zielniveau einer Minderung des Primärenergie-
bedarfs um 80 Prozent führen soll. Bisher liegt dieser Sanierungsfahrplan jedoch
nicht vor.

Für Bundesgebäude wird in den „Eckpunkten Energieeffizienz“ von Juni 2011
das Ziel formuliert, den Wärmebedarf bis 2020 um 20 Prozent (Bezugsjahr 2010)
zu reduzieren und bis 2050 einen nahezu klimaneutralen öffentlichen Gebäude-

bestand zu erreichen. Auf Grundlage der aktuellen Beschlüsse und Verlaut-
barungen der Bundesregierung ist das Erreichen dieses Ziels jedoch fraglich.

In den Verhandlungen zur EU-Energieeffizienzrichtlinie in Brüssel sind die Vor-
gaben für die Sanierung von öffentlichen Gebäuden deutlich abgeschwächt wor-
den, und die Bundesregierung hat sich nicht für ambitioniertere Vorgaben einge-
setzt.

Drucksache 17/9656 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die „Süddeutsche Zeitung“ verwies in einem Bericht vom 19. April 2012 auf ein
internes Papier der Europäischen Kommission, nach welchem mit den Vorschlä-
gen des Rates vom 4. April 2012 lediglich 38 Prozent der ursprünglich für den
Kommissionsentwurf berechneten Einsparungen erzielt würden. Aus dem
Papier der Europäischen Kommission geht auch hervor, dass der Beitrag des
Artikels 4 (Sanierung von öffentlichen Gebäuden) zum Einsparziel der EU
durch die Änderungsvorschläge des Rates deutlich abgeschwächt wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

Novellierung der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009

1. Mit welcher Begründung, und auf welcher Datengrundlage wird in dem
Arbeitsentwurf des BMWi und des BMVBS vom 28. März 2012 der
Novelle der Energieeinsparverordnung auf eine Verschärfung der Gebäude-
standards für den Bestand verzichtet?

2. Wie beabsichtigt die Bundesregierung das Ziel einer Senkung des Energie-
verbrauchs im deutschen Gebäudebestand bis 2050 um 80 Prozent zu errei-
chen, und erachtet die Bundesregierung dies für möglich, ohne die Anforde-
rungen an den Bestand zu verschärfen?

3. Welche Datengrundlage liegt der Einschätzung zu Frage 2 zugrunde?

4. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, die Transparenz und langfristige
Planbarkeit der Anforderungen der EnEV zu gewährleisten, insbesondere
im Hinblick auf zukünftige Verschärfungen der Standards für Neubau und
Bestand?

5. Plant die Bundesregierung bereits jetzt festzulegen, wann und inwieweit
Standards in zukünftigen Novellen verschärft werden sollen, um auf das
Ziel einer 80 Prozent Senkung des Energieverbrauchs bis 2050 hinzuarbei-
ten, und wenn ja, wann, und in welchem Umfang?

6. Inwieweit berücksichtigt die in dem in Frage 1 erwähnten Arbeitsentwurf
für eine EnEV 2012 vorgesehene Verschärfung der Standards die langfris-
tigen Zielsetzungen?

7. Auf welchen Studien oder sonstigen Untersuchungen basieren die Vor-
schläge zur Änderung der EnEV im Arbeitsentwurf des BMWi und des
BMVBS vom 28. März 2012?

8. Liegen der Bundesregierung gutachterliche Einschätzungen zur Wirtschaft-
lichkeit der Verschärfung der derzeit gültigen Standards für Neubau und Ge-
bäudebestand der EnEV 2009 vor, und wenn ja, welche, und wann werden
diese veröffentlicht?

9. Nehmen die Gutachten zur EnEV, welche der Bundesregierung vorliegen,
Bezug auf die Wirtschaftlichkeit einer 30-prozentigen Verschärfung der
EnEV, wie sie im Integrierten Energie- und Klimaprogramm 2007 (IEKP)
angestrebt wurde?

10. Mit welchen konkreten Änderungen gegenüber der EnEV 2009 gedenkt die
Bundesregierung, das im Integrierten Energie- und Klimaprogramm 2007
(IEKP) angestrebte Ziel zu erreichen, in 2012 die EnEV 2009 um 30 Prozent
zu verschärfen?

11. Berücksichtigt die Verschärfung der Standards, dass insbesondere im Neu-
bau, Gebäudeelemente mit einer langen Lebensdauer bereits jetzt auf den
höchstmöglichen Standards eingebaut werden sollten, da spätere Sanierun-
gen unwirtschaftlich und teilweise technisch unmöglich sein werden?
12. Wie sieht der Zeitplan für die Novellierung der Energieeinsparverordnung
aus, und wann ist mit einem Referentenentwurf zu rechnen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9656

13. Wird die Bundesregierung die zeitlichen Vorgaben nach Artikel 28 der EU-
Gebäuderichtlinie (2010/31/EU) zur Umsetzung der in der Richtlinie ent-
haltenen Vorschriften einhalten?

14. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, die Vorgaben der delegierten Verord-
nung (EU) Nr. 244/2012 der Europäischen Kommission vom 16. Januar 2012
zur Ergänzung der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz
von Gebäuden durch die Schaffung eines Rahmens für eine Vergleichsme-
thode zur Berechnung kostenoptimaler Niveaus von Mindestanforderungen
an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und Gebäudekomponenten in
der Novellierung der EnEV in 2012 oder in zukünftigen Novellen zu berück-
sichtigen?

15. Wann wird die Bundesregierung der Europäischen Kommission den gemäß
Artikel 5 der EU-Gebäuderichtlinie bis Ende Juni 2012 erforderlichen Be-
richt der Mitgliedstaaten zum Stand der Diskussion über die Ermittlung des
kostenoptimalen Niveaus über den Lebenszyklus des Gebäudes übermit-
teln?

16. Inwieweit sind diese Vorgaben zur Wirtschaftlichkeitsberechnung der oben
genannten delegierten Verordnung der Europäischen Kommission mit den
derzeitigen im Energieeinspargesetz (EnEG) und der EnEV festgelegten
Vorgaben kompatibel?

17. Inwieweit wird die Bundesregierung in der EnEV-Novelle Ökobilanzierun-
gen (LCA – Life Cycle Assessment) berücksichtigen?

18. Wann wird die Bundesregierung den in den „Eckpunkten Energieeffizienz“
im Juni 2011 angekündigten Sanierungsfahrplan für den privaten Gebäude-
bestand vorlegen, und was werden die konkreten Inhalte dieses Fahrplanes
sein?

19. Welche Schritte und Benchmarks (Standards, technische und zeitliche Zwi-
schenziele) soll der 2012 beginnende Sanierungsfahrplan für den privaten
Gebäudebestand enthalten?

20. Plant die Bundesregierung eine Verschärfung der Austauschpflicht für Hei-
zungsanlagen (Anpassung des Stichjahres der Inbetriebnahme von derzeit
1978), und wenn nein, warum nicht?

21. Welche langfristigen Zielsetzungen verfolgt die Bundesregierung für den
Austausch von Heizungsanlagen?

22. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Verschärfung der Austauschpflicht
für elektrische Speicherheizungen, und wenn nein, warum nicht?

EU-Energieeffizienzrichtlinie

23. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung in den Verhandlungen zur EU-
Energieeffizienzrichtlinie für die Festlegung ambitionierter Sanierungsziele
für öffentliche Gebäude ein?

24. Welche konkreten Änderungsvorschläge zu Artikel 4, die in die letzte Ver-
sion des Rates vom 4. April 2012 eingeflossen sind, begrüßt die Bundes-
regierung, und welche lehnt sie ab, und mit jeweils welcher Begründung
(z. B. Begrenzung der Anforderungen auf gekühlte und/oder beheizte Flä-
chen/auf Gebäude der zentralstaatlichen Verwaltungsebene/auf Gebäude,
die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen und von ihr genutzt werden)?

25. Welche jährliche Sanierungsrate strebt die Bundesregierung für Nicht-
Wohngebäude im Eigentum des Bundes an, und inwieweit übertrifft oder

unterschreitet dieses Ziel sowie das Ziel der Bundesregierung, den Wärme-

Drucksache 17/9656 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
bedarf von Bundesgebäuden um 20 Prozent (Bezugsjahr 2010) zu reduzie-
ren, die Anforderungen in der Energieeffizienzrichtlinie in der Version des
Rates vom 4. April 2012?

26. Auf Grundlage welcher Daten zum derzeitigen Energieverbrauch von Bun-
desgebäuden wurden die Ziele der Bundesregierung formuliert, den Wär-
mebedarf bis 2020 um 20 Prozent (Bezugsjahr 2010) zu reduzieren und bis
2050 einen nahezu klimaneutralen öffentlichen Gebäudebestand zu errei-
chen?

27. Wie viele der rund 4 500 Liegenschaften im Besitz des Bundes mit einer Ge-
samtfläche von etwa 50 Mio. m2 würden nach Auffassung der Bundesregie-
rung unter Artikel 4 der EU-Energieeffizienzrichtlinie fallen?

28. Setzt sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für die Ausweitung des Arti-
kels 4 der EU-Energieeffizienzrichtlinie auf Nicht-Wohngebäude, welche in
Besitz und Nutzung der einzelnen Bundesländer sind und die energetischen
Mindestanforderungen nicht bereits erfüllen, ein (bitte mit Begründung)?

Berlin, den 11. Mai 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.