BT-Drucksache 17/9635

Förderung des Anbaus von Leguminosen in Deutschland und Europa

Vom 9. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9635
17. Wahlperiode 09. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder,
Heike Hänsel, Katrin Kunert, Ingrid Remmers, Kersten Steinke, Sabine Stüber
und der Fraktion DIE LINKE.

Förderung des Anbaus von Leguminosen in Deutschland und Europa

Leguminosen spielen in der deutschen und europäischen Landwirtschaft seit
Jahrzehnten eine untergeordnete Rolle, obwohl sie aus ökologischer Sicht
äußerst wertvoll sind. In der ökologischen Landwirtschaft sind sie als Teil der
Fruchtfolge zur natürlichen Stickstoff-Düngung des Bodens unerlässlich. Die
Hälfte der in Deutschland angebauten Ackerbohnen entfallen daher auf Ökobe-
triebe. In der konventionellen Landwirtschaft hingegen finden Leguminosen
kaum Beachtung. Wurden in den letzten Jahren in den neuen Bundesländern,
ähnlich wie in Frankreich, Österreich und dem Vereinigten Königreich, auf etwa
3 Prozent bis 4 Prozent der landwirtschaftlichen Anbaufläche Körnerlegumino-
sen angebaut, waren es in den alten Bundesländern unter 1 Prozent.

In der Europäischen Union (EU) beansprucht die Eiweißpflanzenerzeugung
3 Prozent der Ackerfläche und liefert 30 Prozent der in der EU verwendeten
Eiweißpflanzen. Dieses erhebliche Ausmaß der Untererzeugung von Eiweiß-
pflanzen geht einerseits auf internationale Handelsabkommen insbesondere mit
den USA zurück (General Agreement on Tariffs and Trade – GATT – und Blair-
House-Abkommen von 1992). Sie gestatteten es der EU, ihre Getreideproduk-
tion zu schützen, erforderten im Gegenzug jedoch die zollfreie Einfuhr von
Eiweißpflanzen und Ölsaaten in die EU. Dies hatte einen Wettbewerbsnachteil
für die Erzeugerinnen und Erzeuger von Eiweißpflanzen innerhalb der EU zur
Folge. Die Landwirtschaft und das Verarbeitungsgewerbe verloren das Interesse
an der Eiweißpflanzenproduktion, was mit dem Verlust von praktischen Kennt-
nissen im Bereich des Ackerbaus und der Möglichkeiten höherer Wertschöpfung
einherging. Von den Züchterinnen und Züchtern wurde die Entwicklung krank-
heitsresistenter und hochleistungsfähiger Sorten immer weiter zurückgefahren.
Ebenso erging es der Forschung.

Besonders vor dem Hintergrund des Klimawandels und des wachsenden Roh-
stoffbedarfs weltweit sollten die Leguminosen auch in Deutschland und Europa
als Teil einer neuen regionalen und auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Ernäh-
rungsstrategie stärkere Beachtung finden. Denn aufgrund ihres hohen Proteinge-
halts eignen sie sich bestens als Futtermittel für die Nutztierhaltung. Dies würde
auch dem gestiegenen Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher nach re-

gional produzierten und nachhaltig erwirtschafteten Lebensmitteln Rechnung
tragen. Stattdessen wird in der Bundesrepublik Deutschland vor allem auf Im-
portsoja als Futtermittel gesetzt, was insbesondere vor dem Hintergrund des Kli-
mawandels problematisch ist:

– Sie kommen für gewöhnlich aus Argentinien, Brasilien, der Volksrepublik
China oder den Vereinigten Staaten, was aufgrund der extrem langen Wege
zu hohen CO2-Emissionen beim Transport führt.

Drucksache 17/9635 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Hinzu kommt, dass teilweise Regenwaldflächen abgeholzt werden, um Soja
anzubauen.

– Auch vor dem Hintergrund des weltweiten Hungerproblems erscheint der
Import von Futtermitteln für den europäischen Markt extrem problematisch.
Statt Nahrungsmittel für den eigenen Markt, bauen diese Drittländer Pro-
dukte für die Futtertröge Europas an, was das weltweite Hungerproblem be-
sonders in den Ländern des globalen Südens eher noch verschärft. Der hohe
Importbedarf von Futtermitteln stellt einen indirekten Flächenimport von
20 Millionen Hektar dar.

– Verschärfend wirkt sich der Wasserverbrauch beim Leguminosenanbau aus,
wenn sie in Regionen produziert werden, in denen Wassermangel herrscht
bzw. in denen Soja teils nur mit künstlicher Bewässerung angebaut werden
kann. Über Futtermittel werden dann nicht nur Flächen verbraucht, sondern
auch Wasser aus zum Teil wasserarmen Regionen importiert.

– Oft handelt es sich bei den importierten Sojaprodukten auch um Pflanzen aus
gentechnisch verändertem Saatgut. Verbraucherinnen und Verbraucher haben
nicht die Möglichkeit, hinreichend zu überprüfen, ob die Fleisch- und Milch-
produkte, die sie konsumieren, von Tieren, welche mit gentechnisch verän-
dertem Soja gefüttert wurden, stammen.

Der gezielte Anbau von Leguminosen und anderen Eiweißpflanzen könnte
einen Beitrag zur Lösung dieser Probleme leisten und gleichzeitig die Abhän-
gigkeit der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union von
Sojaimporten aus Drittländern (und damit auch unsicheren Weltmarktpreisen)
vermindern.

Auch klimapolitisch ist die Förderung des Leguminosenanbaus geboten. Im Zu-
sammenhang mit dem EU-Vorhaben „GL-pro“ wurde nachgewiesen, dass eine
Verringerung der CO2-Emissionen um 10 bis 15 Prozent bewirkt und weniger
Ozon emittiert würde, wenn Eiweißpflanzen im Vierjahresrhythmus in die
Fruchtfolge einbezogen würden.

Die größten Probleme des Leguminosenanbaus in der Bundesrepublik Deutsch-
land liegen nach wie vor in der geringen Wirtschaftlichkeit aufgrund hoher Er-
tragsvariabilität. Diese ist vor allem auf vernachlässigte Forschung in den letzten
Jahren zurückzuführen. Soja ist daher bisher aufgrund der konstanten Qualität
für die Futtermittelindustrie wesentlich interessanter. Ein Eigenanbau der Fut-
termittel für die Tierproduktion lohnt sich für viele Agrarbetriebe nicht. Es be-
darf folglich in den nächsten Jahren eines erhöhten Forschungsaufwands, um die
Wirtschaftlichkeit und die Ertragssicherheit der Leguminosen zu gewährleisten
und so die Leguminosen für die deutsche und europäische Landwirtschaft mit-
telfristig attraktiver zu machen.

Auch müssen wirtschaftliche Anreize und verbindliche Regelungen geschaffen
werden, um auch in der konventionellen Landwirtschaft die Leguminosen als
natürlichen Stickstofflieferanten als Teil einer vielfältigeren Fruchtfolge zu
etablieren. Dies würde schließlich nicht nur einen Beitrag zur Lösung der oben-
genannten Probleme leisten, sondern zusätzlich auch die Biodiversität auf den
Feldern erhöhen und somit auch beim ökologischen Umbau der Landwirtschaft
helfen.

Die Legislativvorschläge der Europäischen Kommission zur Neuregelung der
Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sehen solcherlei Regelungen und Förderun-
gen jedoch bisher nicht vor. Die Leguminosen werden in Europa und in Deutsch-
land weiterhin stiefmütterlich behandelt. Statt einen Beitrag zum Klimaschutz,
zum ökologischen Wandel in der Landwirtschaft und zur Ernährungssicherheit
in den Ländern des globalen Südens zu leisten, wird weiterhin auf gentechnisch

verändertes Soja gesetzt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9635

Der agrarpolitische Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei im
Europäischen Parlament Albert Deß forderte hingegen im Rahmen der GAP-
Reform Maßnahmen, die den Anbau von Eiweißpflanzen für Agrarbetriebe
attraktiv machen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen könnten – in Anlehnung an die Forderung von Albert
Deß – nach Auffassung der Bundesregierung geeignet sein, den Anbau von
Eiweißpflanzen für deutsche und europäische Agrarbetriebe attraktiv zu
machen?

2. Wie groß war in den Jahren 2009 bis 2011 die Fläche angebauter Legumi-
nosen in der Bundesrepublik Deutschland (bitte detailliert nach Arten und
Bundesländern auflisten)?

3. Wie hoch war der Import von Sojaprodukten für die Futtermittel- und Tier-
produktion in den Jahren 2009 bis 2011 (bitte detailliert nach Exportländern
aufschlüsseln)?

4. Wie groß war nach Kenntnis der Bundesregierung die Fläche, die in Dritt-
ländern zum Anbau von für die deutsche Futtermittel- und Tierproduktion
produziertem Soja belegt wurde?

In welchem Verhältnis steht diese Fläche zur gesamten landwirtschaftlichen
Nutzfläche in der Bundesrepublik Deutschland?

5. Wie viel Prozent der in Deutschland benötigten Eiweißfuttermittel werden
durch innerhalb Deutschlands angebaute Eiweißpflanzen, und wie viel Pro-
zent durch Importsoja gedeckt?

6. Wie viel Prozent des importierten Sojas ist gentechnisch verändert?

7. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf bei der Förderung des Anbaus
und der Erforschung von Leguminosen (bitte mit Begründung)?

a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Anzahl der For-
schungsprogramme im Bereich Eiweißpflanzen in der EU von 50 im Jahr
1980 auf 15 im Jahr 2010 gesunken ist?

b) Wie fördert die Bundesregierung die Forschung zu Eiweißpflanzen in
Deutschland?

c) Welche Forschungsprogramme zu Leguminosen werden in Deutschland
von öffentlich geförderten Einrichtungen durchgeführt (bitte mit kurzer
Beschreibung, was genau erforscht wird)?

d) Wie fördert die Bundesregierung Erprobungen polnischer Leguminosen-
züchtungen unter deutschen Bedingungen?

e) Wie unterstützt die Bundesregierung Forschung und Züchtung mit dem
Ziel krankheitsresistenterer Leguminosensorten?

f) Wie unterstützt die Bundesregierung Forschung, Züchtung zur Platterbse
(Lathyrus sativus) und deren Anbau?

8. Gibt es in der Forschung zu Leguminosen eine Zusammenarbeit mit ande-
ren EU-Ländern?

Wie sieht diese konkret aus?

9. Wird die Bundesregierung in Zukunft die Forschung an Leguminosen stär-
ker als bisher fördern?

10. Ist es aus Sicht der Bundesregierung für die Landwirtschaft möglich, den

Anbau von Leguminosen unabhängig von staatlichen Fördermaßnahmen
wirtschaftlich zu betreiben (bitte begründen)?

Drucksache 17/9635 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
11. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass durch eine Steigerung des An-
baus von Leguminosen ein Teil der Sojaimporte substituiert werden könnte?

12. Nutzt die Bundesregierung die Möglichkeiten des Artikels 68 der EU-Ver-
ordnung 73/2009 zur Stützung des Anbaus von Eiweißpflanzen?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

13. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob eine Förderung
des Leguminosenabaus in anderen EU-Ländern unabhängig von Maßnah-
men der Europäischen Union stattfindet?

Wenn ja, in welcher Form?

14. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, den Anbau von Leguminosen
außerhalb der GAP auf nationaler Ebene zu fördern?

Wenn ja, welche?

15. Wird die Bundesregierung im Rahmen der Neuregelung der GAP der EU
die Aufnahme von Maßnahmen zur Förderung des Anbaus von Legumi-
nosen fordern?

Wenn ja, in welcher Form?

16. Wird sich die Bundesregierung im Rahmen der Neuregelung der GAP der EU
für die Förderung differenzierteren Fruchtfolgeanbaus in der EU einsetzen?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, auf Importe von
Eiweißpflanzen in die EU Zölle zu erheben?

18. Könnte die Förderung des Leguminosenanbaus in der EU zur besseren Aus-
lastung der europäischen Mischfuttermittelerzeuger und damit zur Stärkung
regionaler Wirtschaftskreisläufe und Wertschöpfungsketten beitragen?

19. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung die Aufnahme von horizontalen
Maßnahmen in die GAP-Reform, die Anreize für die Einrichtung von An-
lagen für die Lagerung und Reinigung von Eiweißpflanzen sowie deren Ver-
arbeitung bieten?

20. Haben übermäßige Einfuhren von Eiweißpflanzen in die EU den europäi-
schen Tierhaltungssektor ökonomisch anfällig gemacht?

Wenn ja, wie kann dieser Entwicklung entgegengesteuert werden?

21. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die hohe Nachfrage nach Futtermit-
teln zu nichtnachhaltigen Anbauverfahren in den Herkunftsländern geführt?

Wenn ja, wie kann dieser Entwicklung entgegengesteuert werden?

22. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, ein System zur Über-
wachung des Ursprungs der in die EU bzw. nach Deutschland eingeführten
Eiweißpflanzen einzuführen?

Berlin, den 9. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.