BT-Drucksache 17/9619

Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Zuckerrüben

Vom 9. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9619
17. Wahlperiode 09. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter,
Alexander Süßmair und der Fraktion DIE LINKE.

Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Zuckerrüben

Die Agro-Gentechnik ist eine Risikotechnologie, deren Chancen und Gefahren
in Deutschland, der EU und weltweit seit Jahren kontrovers diskutiert werden.
Die für den Anbau in der EU zugelassenen gentechnisch veränderten Kultur-
pflanzen MON 810 (Mais) und Amflora (Kartoffel) werden im Jahr 2012 in
Deutschland nicht angebaut. Der Anbau von MON 810 ist derzeit in der Bun-
desrepublik Deutschland verboten. Freisetzungsversuche sind jedoch mit unter-
schiedlichen gentechnisch veränderten Pflanzen oder Organismen möglich.

Die Firma KWS SAAT AG hat einen Antrag auf Freisetzung von gentechnisch
veränderten Zuckerrüben an den Standorten Northeim/Stöckheim und
Üplingen gestellt. Die Freisetzungen sollen von 2012 bis 2018 durchgeführt
werden. Im Schaugarten in Üplingen sollen die H7-1 Zuckerrüben nur zu
Schauzwecken, also ohne wissenschaftliche Begleituntersuchungen, freigesetzt
werden. Die Freisetzung der H7-1 Zuckerrüben wurde im so genannten verein-
fachten Verfahren am 16. März 2012 durch das Bundesamt für Verbraucher-
schutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) genehmigt.

Das vereinfachte Verfahren wurde mit der letzten Novelle des Gesetzes zur
Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz – GenTG) eingeführt. Dadurch
können weitere Versuchsflächen an anderen als den ursprünglich genehmigten
Standorten nachgemeldet werden, ohne dass deren spezifische geographische
oder andere Besonderheiten in Bezug auf die Freisetzung von Zuckerrüben
erneut standortbezogen geprüft werden, und ohne dass die Öffentlichkeit betei-
ligt wird. Diese Regelung wurde im Gesetzgebungsverfahren im Deutschen
Bundestag scharf kritisiert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Freisetzungen von gentechnisch veränderten Pflanzen bzw. Organis-
men sollen im Jahr 2012 stattfinden (bitte getrennt nach neuen Genehmigun-
gen und bereits laufenden Freisetzungen)?

2. Für welche bereits genehmigten Freisetzungsversuche ist im Jahr 2012 eine

Nachmeldung im vereinfachten Verfahren möglich?

An welchen Standorten sind solche Nachmeldungen nach Informationen der
Bundesregierung zu erwarten bzw. wahrscheinlich?

Drucksache 17/9619 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Welche Informationen liegen der Bundesregierung (bzw. dem BVL) bezüg-
lich der Freisetzung von gentechnisch veränderten Zuckerrüben (Antrag
Az. 192) hinsichtlich eines Betreiberwechsels im Jahr 2011 vor?

Wer ist der neue Betreiber der Freisetzung?

Warum wurde der Wechsel nicht im Standortregister vermerkt?

Welche Gründe sind für diesen Betreiberwechsel bekannt, und welche Kon-
sequenzen hat ein solcher Betreiberwechsel hinsichtlich erneut erforderli-
cher Prüfungen eines Freisetzungsantrags?

4. Welche Informationen liegen der Bundesregierung bezüglich der Umwelt-
effekte des Events H7-1 aus dem Freisetzungsversuch mit gentechnisch
veränderten Zuckerrüben (Antrag Az. 215) bisher vor, und welche Schluss-
folgerungen zieht sie daraus?

5. Auf welche konkreten Untersuchungsergebnisse zu Umwelteffekten der
Zuckerrübe H7-1 aus Anträgen zum Inverkehrbringen bezieht sich das
BVL im Genehmigungsbescheid?

6. Welche Untersuchungen wurden spezifisch bei der H7-1 Zuckerrübe
durchgeführt, welche Ergebnisse liegen vor, und wo sind die Ergebnisse
öffentlich zugänglich?

Wenn sie nicht öffentlich zugänglich sein sollten, warum nicht?

7. Wie viele Anträge auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes wurden
zu den Freisetzungsversuchen Antrag Az. 192 und Az. 215 von wem ein-
gereicht?

Wann wurden sie gestellt, und wann wurden sie wie beantwortet?

8. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen zu Umwelteffekten und zu
Untersuchungen zu Nicht-Zielorganismen aus Freisetzungsversuchen mit
H7-1 Zuckerrüben in der Bundesrepublik Deutschland lagen dem BVL bei
der Bearbeitung des Antrags Az. 215 vor?

Was genau wurde über welchen Zeitraum von wem untersucht, welche Er-
gebnisse liegen vor, und wie und von wem wurden diese bewertet?

Wo sind diese Studien öffentlich zugänglich?

Wenn sie nicht öffentlich zugänglich sein sollten, warum nicht?

9. Welche Begründung zur Zulassung im vereinfachten Verfahren liegen der
Bundesregierung für Antrag Az. 215 vor?

Sind diese gemäß Artikel 6 Absatz 5 der Richtlinie 90/220/EWG des Rates
vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter
Organismen in die Umwelt ausreichend (bitte begründen)?

10. Welche konkreten wissenschaftlichen Untersuchungen sind im Rahmen
des Freisetzungsversuchs der gentechnisch veränderten Zuckerrübe (H7-1)
der KWS SAAT AG für die Jahre 2012 bis 2018 im Schaugarten Üplingen
als Grundlage der Genehmigung durch das BVL geplant?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Änderung des Versuchszwecks der
am 16. März 2012 genehmigten Freisetzung der gentechnisch veränderten
Zuckerrübe H7-1 lediglich zu Schauzwecken im Schaugarten Üplingen aus
rechtlicher Sicht?

Wie kann auch dort die Prüfung agronomischer Parameter sichergestellt
werden?

Wann wurde die Änderung des Versuchszwecks dem BVL angezeigt, und

wie hat sich das BVL dazu verhalten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9619

12. Wie kann die Untersuchung wissenschaftlicher Fragestellungen im Schau-
garten Üplingen gesichert werden, wenn dort die Öffentlichkeitsarbeit und
der Publikumsverkehr im Vordergrund stehen?

Mit welchen konkreten Maßnahmen werden dort die „gleichen Sicherheits-
vorkehrungen“ garantiert „wie an anderen Standorten“, wie die Bundesregie-
rung auf die Schriftliche Frage 85 der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann
auf Bundestagsdrucksache 17/9263 antwortete?

13. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des
Gentechnikgesetzes dem Deutschen Bundestag vorlegen, um beispiels-
weise einen besseren Schutzstatus für die gentechnikfreie Imkerei gesetz-
lich zu verankern?

14. Wann wird die Bundesregierung pflanzenartspezifische Anbauvorgaben für
die Amflora-Kartoffel erlassen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverord-
nung)?

Berlin, den 9. Mai 2012

Gregor Gysi und Fraktion

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