BT-Drucksache 17/9495

Rolle von Flüssigerdgas (LNG) im deutschen Energiemix

Vom 27. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9495
17. Wahlperiode 27. 04. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Lisa Paus, Dr. Valerie Wilms, Stephan Kühn,
Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rolle von Flüssigerdgas (LNG) im deutschen Energiemix

Erdgas, welches durch hohen Druck bei niedriger Temperatur auf einen Bruch-
teil seines Volumens komprimiert und damit verflüssigt wird, bezeichnet man
als Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas – LNG). In seiner verflüssigten Form
kann es damit unabhängig von Pipelines mit Tankschiffen über große Ent-
fernungen transportiert werden. Der Markt für LNG ist dabei in den ver-
gangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Mittlerweile wird über ein Viertel
der weltweiten Erdgastransporte in Form von Flüssigerdgas transportiert. Die
Internationale Energieagentur (IEA) geht in ihren Prognosen sogar davon aus,
dass der weltweite LNG-Anteil bis 2035 bis zu 50 Prozent des grenzüberschrei-
tenden Gashandels ausmacht. Aufgrund des relativ leichten Transports mit
Schiffen anstelle von Pipelines kann LNG einen Beitrag zur Diversifizierung
der Bezugsquellen und damit zur Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten leis-
ten. LNG-Transporte sind jedoch erst bei großen Distanzen (ab ca. 2 000 km)
wirtschaftlich, da für die Verflüssigung und den Transport etwa 10 bis 25 Pro-
zent des Energieinhaltes des Gases benötigt werden.

Bei einem deutlich wachsenden Biogasmarkt lässt sich eine LNG-Infrastruktur
perspektivisch auch für Biogas nutzen.

Nicht nur Staaten wie Japan oder Südkorea, die nicht über Gaspipelines mit Lie-
ferländern verbunden sind, setzen auf den LNG-Transport durch Schiffe. Auch
in Europa wurden in fast allen Staaten mit Küstenzugang in den vergangenen
Jahren Anlandeterminals gebaut bzw. sind in Planung. Der Energiekonzern
E.ON Vertrieb Deutschland GmbH verfügte bereits über eine Genehmigung
zum Bau eines LNG-Terminals in Wilhelmshaven, zog es dann aber aufgrund
fehlender Rahmenbedingungen vor, sich an einem LNG-Terminal in Rotterdam
zu beteiligen.

Denn in Deutschland hat sich diesbezüglich in der schwarz-gelben Regierungs-
koalition bisher nichts getan. Dabei heißt es im Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und FDP, dass große Infrastrukturprojekte wie LNG intensiv be-

gleitet werden sollen. Doch die Realität sieht anders aus.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt
2009 bezüglich der Diversifizierung von Erdgasbezugsquellen unternom-
men?

Drucksache 17/9495 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Welche Rolle hat LNG diesbezüglich gespielt, und wie hat die Bundesre-
gierung die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur mit welchen
Maßnahmen begleitet bzw. politisch flankiert?

3. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass LNG auch aus Umwelt-
schutzgründen zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, und wenn ja, für
welche Bereiche?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der IEA, dass der weltweite
LNG-Anteil bis 2035 bis zu 50 Prozent des grenzüberschreitenden Gashan-
dels ausmacht?

5. Sind der Bundesregierung konkrete Planungen für LNG-Terminals in
Deutschland bekannt, und falls ja, welche?

6. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über Machbarkeits-
studien – z. B. des Hamburger Hafens – zum Aufbau einer LNG-Terminal-
infrastruktur inklusive Bunkeranlagen in Deutschland vor, und wie bewer-
tet sie diese?

7. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über den bereits in den
70er-Jahren geplanten LNG-Terminal und einen möglichen Bau in den
kommenden Jahren in Wilhelmshaven vor?

8. Aus welchen Gründen hat nach Informationen der Bundesregierung der
Energiekonzern RWE Vertrieb AG Mitte 2011 seine Pläne für den LNG-
Terminal in Wilhelmshaven vorerst auf Eis gelegt?

9. Gab es zwischen der Bundesregierung und der RWE Vertrieb AG vor dem
verkündeten Planungsstopp Mitte 2011 vom Energiekonzern Gespräche
über Probleme bei der Verwirklichung dieses Projekts, und falls ja, welche?

10. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über Projekte im Be-
reich LNG-Betrieb von Schiffen während des Aufenthalts in den Häfen in
Deutschland vor, und wie bewertet sie diese?

11. Wie viele Schiffe sind in Deutschland und Europa (EU und Norwegen) mit
LNG-Antrieb nach Kenntnis der Bundesregierung neu in Auftrag gegeben
worden bzw. in Planung, und wie viele Schiffe wurden bisher mit einem
LNG-Antrieb nachgerüstet?

12. Wie viele Schiffe zum LNG-Transport sind nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bisher weltweit im Einsatz bzw. befinden sich in Bau/Planung, und
welche haben davon einen LNG-Antrieb?

13. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Fährverbindungen derzeit in
Europa eine Umstellung auf LNG-Betrieb planen, und bei welchen Fähr-
verbindungen an deutschen Häfen wäre nach Auffassung der Bundesregie-
rung eine Umstellung auf LNG-Betrieb der anlandenden Fähren möglich?

14. Was müsste nach Auffassung der Bundesregierung in Bezug auf die Infra-
struktur verbessert werden – auch vor dem Hintergrund, dass die Hafen-
infrastruktur Länderzuständigkeit ist?

15. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Vorhaben
norwegischer Fährreedereien, ihre Schiffsflotte gesamt auf LNG-Betrieb
umzustellen?

16. Welche direkten bzw. indirekten Finanzierungshilfen gibt es derzeit von
Seiten des Bundes/der Länder für Bau/Umbau bzw. Betrieb von LNG-be-
triebenen Schiffen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9495

17. Welche direkten bzw. indirekten Finanzierungshilfen gibt es derzeit von
Seiten des Bundes/der Länder für die Errichtung einer LNG-Infrastruktur in
den Häfen?

18. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Betrieb
von LNG auf Schiffen in Zusammenhang mit den Vorschriften der Inter-
national Maritime Organisation für schwefelarme Treibstoffe in den so-
genannten SECA-Gebieten (SECA = Sulphur Emission Control Area)?

19. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass ein LNG-Terminal in
Deutschland Engpässe – wie in diesem Winter, als die russische Gazprom
ihre Gaslieferungen zeitweise um 30 Prozent drosselte – zukünftig ver-
hindern könnte?

20. Welche Anzahl von LNG-Terminals sind in der EU in Betrieb, in Bau oder
in Planung (bitte einzeln aufschlüsseln nach Anlage und Land)?

21. Wie haben sich die Importpreise für Pipeline-Gas und LNG-Gas – auf-
geschlüsselt nach EU-Staaten zwischen 2009 und 2011 entwickelt?

22. Ist der Bundesregierung die derzeitige deutsche Praxis bekannt, nach der
LNG als Schiffsbetriebsstoff zunächst versteuert und danach wieder ent-
steuert werden muss, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

23. Sieht die Bundesregierung in dieser Praxis einen Wettbewerbsvorteil deut-
scher Häfen gegenüber Staaten wie etwa den Niederlanden, in denen LNG
steuerfrei bezogen werden kann?

24. Wie ist die Steuerbefreiung von LNG, welches nach Artikel 14 Absatz 1
Buchstabe c der Richtlinie 2003/96/EG in Meeresgewässern verwendet
wird, in Deutschland und allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union, in denen LNG-Terminals betrieben oder geplant werden, in Bezug
auf die Steuerbefreiung von Verwendern und Verteilern geregelt, und ist der
Bundesregierung bekannt, ob diese Mitgliedstaaten die Regelungen zur
steuerlichen Behandlung von LNG ändern wollen oder in den letzten Jahren
geändert haben, und falls ja wie?

25. Wie ist die Steuerbefreiung von LNG, das nach Artikel 15 Absatz 1 Buch-
stabe f der Richtlinie 2003/96/EG in der Binnenschifffahrt verwendet wird,
in Deutschland und allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union,
in denen LNG-Terminals betrieben oder geplant werden, in Bezug auf die
Steuerbefreiung von Verwendern und Verteilern geregelt, und ist der Bun-
desregierung bekannt, ob diese Mitgliedstaaten die Regelungen zur steuer-
lichen Behandlung von LNG ändern wollen oder in den letzten Jahren ge-
ändert haben, und falls ja wie?

26. Ist der Bundesregierung bekannt, ob Unternehmen Investitionen in LNG-
Terminals in Deutschland zurückhalten, weil die steuerliche Behandlung
von LNG als Schiffsbetriebsstoff zu aufwändig ist?

27. Inwieweit plant die Bundesregierung, die Regelungen zur steuerlichen
Behandlung von LNG als Schiffsbetriebsstoff in Bezug auf die innereuro-
päische Wettbewerbssituation anzupassen?

28. Inwieweit existieren auf der internationalen Ebene wie der EU, der Verein-
ten Nationen, der G8, G20, der Organisation für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung (OECD) oder vergleichbaren Organisationen
Abkommen, die Emissionen von Schadstoffen und CO2 durch fossile Treib-
stoffen im Schiffsverkehr regulieren?

Drucksache 17/9495 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Inwieweit existieren auf der internationalen Ebene der EU, der Vereinten
Nationen, der G8, G20, OECD oder vergleichbaren Organisationen Planun-
gen, die Emissionen von Schadstoffen und CO2 durch fossile Treibstoffen
im Schiffsverkehr weiter zu regulieren, und welche Positionen vertritt die
Bundesregierung dabei?

Berlin, den 27. April 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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